Lässt sich die Umweltbewegung zu leicht ruhigstellen?

Die Umweltbewegung tritt auf der Stelle, Fridays for Future hin oder her. (Bild: NiklasPntk, Pixabay)

Die ständige Zunahme an Umweltproblemen erfordert das Rütteln an liebgewonnen Institutionen und Gewohnheiten

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Nach rund 40 Jahren Umweltbewegung kaufen die Bundesbürger inzwischen für zwölf Milliarden Euro Bioprodukte. Was nach viel klingt, sind dennoch nur 5,5 Prozent des Gesamtlebensmittelumsatzes. Auch vier Jahrzehnte nach Gründung der Grünen kann von einem Siegeszug biologischer Lebensmittel und der ökologischen Landwirtschaft nicht die Rede sein, genauso wenig wie von einer "nachhaltigen" Senkung der CO2-Emissionen, einem Rückgang des Materialverbrauchs oder von einem zukunftsfähigen Wandel der Konzerne.

Lediglich bei der Stromerzeugung scheint der Umstieg mit Hilfe von Windkraft und Photovoltaik zu gelingen, wenn, ja wenn da nicht sonderbare Bürgerinitiativen, kapitalstarke Lobbyorganisationen oder konservative Politiker der Energiewende einen Stein nach dem anderen in den Weg legen würden. Mit anderen Worten: Gewisse Lichtblicke sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Umweltbewegung auf der Stelle tritt, Fridays for Future hin oder her.

Weder Weltklimakonferenzen noch Umweltministerien mit vielen hundert Mitarbeitern oder Umweltverbände mit vielen hundert Millionen Euro Umsatz (Greenpeace: 340 Millionen Euro), noch Energieberater, Baumbesetzer oder A+++-Kühlschränke haben dazu geführt, dass aus all den guten Ideen umweltbewegter Menschen eine Trendwende wurde.

Pyrrhussiege der Umweltbewegung

Viele Errungenschaften, ja ganze Institutionen der Umweltbewegung sind nichts weiter als Parallelwelten: Spielplätze für die eigenen Belange, mit hübschem Zaun drumherum, um die anderen nicht zu stören.

Ein Beispiel: 1986 flog der Welt das Kernkraftwerk Tschernobyl um die Ohren und die Bundesregierung musste irgendwie handeln. Es war ein genialer Schachzug, den Druck der erstarkenden Grünen Partei aufgrund wachsender technischer und ökologischer Probleme mittels eines Ombudsmannes oder -frau namens "UmweltministerIn" zu kanalisieren. Jene durften danach öffentlichkeitswirksam deutsche Reaktoren sichern – der erste Umweltminister Walter Wallmann mit dem "Wallmann-Ventil" – oder durch den Rhein schwimmen wie der zweite Umweltminister Klaus Töpfer nach der Sandoz-Katastrophe. Hauptsache, im Verkehrs-, Landwirtschafts-, Wirtschafts-, Finanz- oder sonstigen Ministerien durfte so weitergemacht werden wie gewohnt.

So wurde eine Parallelwelt institutionalisiert, die gefährlich gut funktioniert: Bei Regierungsbeteiligungen erstreben und bekommen die Grünen das Umweltministerium, obwohl alle wissen, wo Geld verteilt wird und Strukturentscheidungen getroffen werden, die ökologische Desaster vorbereiten oder vergrößern. Natürlich dürfen UmweltministerInnen meckern und deren Einwände werden auch ein wenig berücksichtigt; allzu energisch dürfen sie allerdings nicht werden.

Das spürte als Erster der charakterstarke Klaus Töpfer, als er 1994 von Helmut Kohl abserviert und durch Angela Merkel ersetzt wurde. Gebaut werden sollen die Autobahnen, Kohlekraftwerke und Agrarfabriken schließlich trotzdem. Wahrscheinlich sollte die Umweltbewegung fordern, dass das Umweltministerium aufgelöst wird: Entweder, es gibt in jedem Ministerium große, ökologisch tickende Abteilungen mit Veto-Recht, oder Ökologie bleibt Nebenschauplatz.

Mehr Beispiele? Die Weltklimakonferenzen sind Tummelplätze für besorgte Wissenschaftler und mehr- oder weniger umweltbewegte Politiker. Dort werden rhythmisch Papiere verabschiedet, wie die Welt noch zu retten ist; wobei tunlichst darauf verzichtet wird, sich zu überlegen, wie man einen ökologischen Wandel wahrscheinlicher macht. Dazu müsste man Systemfragen stellen und ähnlich wirkmächtig werden wie die Welthandelsorganisation (WTO), die allerdings dafür sorgt, ökologischen Wandel unwahrscheinlich zu machen, weil sie durch ihre Freihandelsideologie Konkurrenzbeziehungen weltweit zementiert.

Gleichzeitig verhandeln faktisch alle Länder oder Ländergruppen auch jenseits der WTO intensiv mit anderen Staaten weitere Handelsabkommen. Davon bekommt man allerdings nur etwas mit, wenn - wie in Südostasien - besonders wichtige Freihandelsverträge unterzeichnet werden (Der Anfang vom Ende des Eurozentrismus). Die WTO und ein Netz aus über 300 weiteren Freihandelsverträgen sorgt dafür, dass ein durch Standortwettbewerb kurzgeschlossener Planet geplündert wird, Umweltschutz (oder auch soziale Maßnahmen) haben in den Verträgen höchstens atmosphärische Relevanz.

Die Situation erinnert an Herbert Marcuses "Repressive Toleranz": Demokratische Verfahren werden erhalten, verkommen allerdings zur Farce, weil andere Entwicklungsideen nach dem Credo "Immer mehr, immer billiger" im Keim erstickt werden oder in Nischen verbleiben. Jeder Versuch, dagegen aufzubegehren, wird mit dem Hinweis auf eine gefährdete Wettbewerbsfähigkeit im Keim erstickt. Sämtliche Weltklimakonferenzen scheiterten letztendlich daran.