Lang-und-breit (Halo 3) gegen Kurz-und-gut (Heavenly Sword)
Die neue Generation der Spielkonsolen kommt langsam auf Touren. Während Nintendo frei von Druck sein Ding durchzieht, legen Sony und Microsoft hohe Trümpfe auf
Vor fast zwei Jahren begann die neue Generation der Spielkonsolen, doch richtige Knaller, erinnerungswürdige Unterhaltungserlebnisse, die nicht gleich nach Abschalten der Konsole vergessen sind, waren bisher rar. Auf Seiten von Xbox 360 erreichten der Sci-Fi-Monster-Shooter „Gears of War“ (der hierzulande gar nicht erschien) sowie der Unterwasser-Superdrogenalptraum Bioshock dieses Niveau und sorgten, im Falle von Gears, in Multiplayeronlinematches für spannende Extrastunden Spielspaß. Wer hingegen eine PlayStation 3 sein eigen nennt, kam an der Rennspielrandale MotorStorm nicht vorbei und auf Nintendos Wii wurde und wird mit Wii Sports gebowlt und geboxt bis zum Schlappmachen. Mit der seit Herbstbeginn rollenden Neuveröffentlichungswelle legen die Hauptkonkurrenten Microsoft und Sony endlich weitere Highlights vor. Zwei Exklusivtitel ragen dabei besonders raus: Halo 3 und Heavenly Sword gelten als System-Seller und haben auch einiges an Next Gen-Power zu bieten.
Beide Games erfinden Computerspiele nicht neu, für diesen Job scheint ohnehin nur Nintendo berufen. Als Blockbuster mit unterschiedlichen Stärken polarisieren sie aber und tragen überdurchschnittlich viel zum Kampf um die Marktführerschaft bei. Die aufs Beste perfektionierten Spieltypen treffen der größten bekannten Konsumentengruppe männlicher Actionfans mitten ins Herz. An vorderster Front steht eine der bekanntesten Game-Marken unserer Zeit.
„Halo 3“ ist der abschließende Teil einer Trilogie um Supersoldat Master Chief, auch Spartan 117 genannt. Wie sehr der Hype ums Game grassiert, zeigt ein Rekord aus den Vereinigten Staaten, wo der Titel allein an Tag eins 170 Millionen Dollar Umsatz einfuhr. Halos Geschichte begann vor rund sechs Jahren auf der ersten Xbox und spielt im Jahr 2552. Die Handlung dreht sich um eine außerirdische Invasion der Erde und ist tatsächlich so verwickelt und vertrackt, dass auch in Teil drei bis zum Schluss gerätselt wird, wie die Saga wohl enden könnte.
Grafisch ist „Halo 3“ sehr nett anzusehen, insbesondere die Lichteffekte und Explosionen sind atemberaubend und tragen viel zur ohnehin schon dichten Science-Fiction-Atmosphäre bei. Den Kampagnenmodus mit seinen vier Schwierigkeitsgraden spielt man in knapp 15 Stunden durch, schön jedoch, dass Entwickler Bungie auch diesbezüglich weitergedacht hat und via Xbox Live die Möglichkeit bietet, den gesamten Story-Modus im Vierer-Team durchzuspielen. Überhaupt: Erst online zeigt „Halo 3“, weshalb es sich von anderen Shootern deutlich absetzt.
Der „normale“ Multiplayermodus enthält neun Spieltypen auf elf Karten für bis zu 16 Spieler und der innovative Level-Editor „Die Schmiede“ sorgt für weitere Variationen. Statt wie bei gewöhnlichen Programmen dieser Art lassen sich die Levels nicht im Aufbau umgestalten, sondern „nur“ die Möbel verschieben: Hier ein Kanönchen weniger, dort eins mehr, hier ein Geländewagen (Warthog), dort ein fliegender Jet-Ski (Ghost). Damit erweitert Bungie herkömmliche Grundeinstellungen, die dem festgelegten Spieltyp breite Gestaltungsmöglichkeiten giben. Noch in mehreren Jahren werden Halos Server bevölkert sein – 60 Euro, die sich lohnen.
Zehn Euro mehr kostet „Heavenly Sword“ für PlayStation 3 – ein modernes Action-Adventure, das ganz ohne Onlinemodus auskommt, nicht viel länger als sechs Stunden Zeit in Anspruch nimmt, dafür aber eine intensive Spielerfahrung bietet, die den Namen Next Gen allein aus optischen Gründen verdient. Grafisch ist das Game eine Pracht und auch wenn die Story keinen Oscar gewinnen würde, so besticht das Gesamterlebnis trotzdem mit filmischer Qualität.
Virtual-Babe Nariko und ihr Clan verstehen sich als Hüter eines mächtigen Relikts: Das himmlische Schwert mäht in den Händen eines mutigen Führers ganze Armeen nieder und macht sich recht gut an der Hauptdarstellerin. Leider entzieht es seinem Halter auch kostbare Lebensenergie, weshalb sich Nariku auf der kampflastigen Suche nach ihrem Vater, der sich in der Gewalt des bösen Königs Bohan befindet, praktisch in höchstem Maße verbraucht.
„Heavenly Sword“ lebt von seiner einzigartig cineastischen Inszenierung, die den erzählerischen Unterhaltungsgrad von Spielen auf eine neue Stufe hebt. Entwickler Ninja Theory wandte zum besseren Darstellen emotionaler Gesichtsausdrücke das Motion Capturing-Verfahren an. Der britische Schauspieler Andy Serkis, der bereits den Gollum in Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Trilogie spielte, leistet als König Bohan ganze Arbeit. Während die deutsche Synchronisation von „Halo 3“, wie es scheint, mit Amateuren durchgeführt wurde, trägt die erstklassige Sprachausgabe sämtlicher „Heavenly Sword“-Charaktere in fesselnden Zwischensequenzen enorm zur Stimmung bei.
Wer allerdings auch spielerisch die Offenbarung erwartet, wird enttäuscht, denn Innovationen auf diesem Gebiet gibt es nicht. Auszuführende Aktionen beschränken sich auf dusseliges Tastenhämmern zum einen und dem Befolgen von Quicktime-Sequenzen zum anderen: So muss z.B. einer der Zwischenbosse, General „Fliegender Fuchs“, gegen Ende des Kampfes mit spektakulär gefilmten Moves zur Strecke gebracht werden. Während der Film dazu läuft, sollten im richtigen Moment die auf dem Bildschirm angezeigten Buttons gedrückt werden. Gelingt dies nicht, beginnt der Kampf von vorn.
Auch der bewegungssensitive Controller der PlayStation 3, der Sixaxis, kommt an manchen Stellen des Spiels zum Einsatz. So werden Kanonenkugeln durch Ausbalancieren des Controllers in Geschütztürme gelenkt oder Pfeile auf anstürmende Feinde gejagt. Alles in allem ist „Heavenly Sword“ ein überdurchschnittlich starkes Argument für den Kauf von Sonys Highend-Konsole - ein kurzer, aber schmackhafter Genuss, dem hoffentlich bald weitere Kapitel als Download im PlayStation-Store folgen werden.