Lange Stoiber-Dämmerung

Die CSU befindet sich in der Nach-Stoiber-Krise

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Der Machtkampf in der CSU geht weiter. Das kann man als Fazit der Klausurtagung der CSU-Fraktion ziehen, die am gestrigen Dienstag im Wildbad Kreuth hinter verschlossenen Türen tagte. Die entscheidende Frage, ob der Ministerpräsident bei den Landtagswahlen 2008 noch einmal antritt, soll ein Sonderparteitag im Herbst entscheiden. Das heißt aber auch, der Machtkampf mit all seinen Begleiterscheinungen könnte noch einige Monate weitergehen. Keine erfreulichen Auseinandersetzungen für die CSU.

In einer Erklärung der CSU-Landtagsfraktion vom 16.Januar 2007 wird die Nicht-Entscheidung so formuliert: „Wir, die Mitglieder der CSU-Landtagsfraktion, sprechen unserem Ministerpräsidenten das Vertrauen aus. Wir stehen zu Edmund Stoiber und der von ihm zu verantworteten, überaus erfolgreichen und zukunftsweisenden Politik. Die Frage der Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2008 ist offen. Hierüber entscheidet der neu zu wählende CSU-Parteitag.“

Dabei steht ein Ergebnis schon fest. Die Ära Stoiber geht zu Ende. Früher als noch vor einer Woche absehbar (Glasnost in Bayern?), haben die Absatzbewegungen von Stoiber begonnen. Dabei waren selbst Stoiber-Kritiker gewillt, die Verantwortung für die nächste Wahl noch auf den Ministerpräsidenten abzuwälzen. Schließlich ist mit einer anderen Führungsfigur ein passables Wahlergebnis durchaus nicht gesichert. Und wer mag schon mit der Hypothek einer Wahlniederlage in die Post-Stoiber-Phase starten?

Eine fulminante Niederlage wäre es auf jeden Fall, wenn die CSU die absolute Mehrheit verfehlen und zur Bildung einer Koalitionsregierung in Bayern gezwungen würde. Die jüngsten Umfragen, die die CSU bei knapp 45 % sehen, deuten auf ein solches Szenario hin. Diese Prognosen mögen zur Absatzbewegung von Stoiber beigetragen haben. Die Ursache ist sie nicht.

Schon nach der überraschenden Rückkehr von seinem kurzen Ausflug in die Berliner Politik war der Unmut groß. Schließlich sollte Stoiber ja auch das Gewicht Bayerns in der großen Koalition erhöhen, wie es immer wieder hieß. Daher wurde sein Rückzug von vielen als persönlicher Affront gesehen. In den folgenden Monaten sah es so aus, als würde in Berlin noch einmal die Tradition siegen. Schließlich hat Franz Josef Strauß nach Affären in Bonn in München immer wieder einen willkommenen Rückzugsort gefunden.

Doch auch in der CSU scheint die Zeit der Patriarchen an ihr Ende gekommen zu sein Die CSU-Landrätin Gabriele Pauli war die erste, die das Fenster medienwirksam aufstieß. Es war die Arroganz de Macht, die Stoiber dahin brachte, wo er sich jetzt befindet. Seine lange Weigerung, sich mit der Kritikerin überhaupt nur zu treffen, war ebenso ein Indiz dafür, wie sein Versuch, die Bespitzelungsaffären gegen sie auszusitzen. Wie wenig Stoiber die Zeichen der Zeit erkannt hatte, zeigte sich erst in den letzten Tagen. Nachdem sich die CSU-Spitze scheinbar einstimmig hinter ihn gestellt hatte, erklärte er gleich, dass er nicht nur 2008 wieder zur Landtagswahl kandidieren, sondern auch bis 2013 im Amt bleiben wolle. Diese Äußerung hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Erstmals wagten sich Stoiber-Kritiker in der CSU-Fraktion aus der Deckung.

Schlammschlacht für die Nachfolge

Allerdings zeigte das Treffen in Kreuth eben auch, dass die Stoiber-Dämmerung länger als erwartet dauert. Das liegt sicher auch daran, dass die Nachfolgefrage nicht geregelt ist. Viele in der CSU-Basis haben auch etwas Positives an Stoibers frühzeitiger Heimkehr aus Berlin gefunden. Ein Machtkampf zwischen dem CSU-Wirtschaftsminister Erwin Huber und dem CSU-Innenminister Günther Beckstein blieb der Partei so erspart. Nun hatte sich mit dem Verbraucherminister Seehofer ein scheinbar vom Streit unbelasteter Nachfolger angeboten. Deshalb kann die von der Springer-Presse lancierte Kampagne um Seehofers Privatleben schon als Teil der Nachfolgerkämpfe in der CSU gedeutet werden.

Der Machtkampf in der CSU könnte sich jetzt bis zum Herbst hinziehen und die Partei weiter schwächen. Vielleicht kommt für Stoiber aber noch ungewohnte Rettung. Die bayerische SPD drängt auf Neuwahl und hat schon angekündigt, diese notfalls auch mit einem in Bayern möglichen Volksentscheides durchzusetzen zu wollen. Dann könnte mangels eines Nachfolgers Stoiber noch mal zum Zug kommen. Die SPD erhofft sich im Gegenzug eine sächsische Lösung als Ergebnis. Das heißt, eine geschwächte CSU müsste die SPD mit in die Regierung nehmen. Das würde allerdings nicht nur ihren Machtanspruch im Freistaat schmälern, sondern hätte auch bundesweite Konsequenzen. Ohne absolute Mehrheit wäre die CSU nur ein Landesverband der Union, egal ob die Partei das S weiter im Namen trägt oder nicht.

Die CDU-Spitze kann sich einstweilen entspannt zurücklehnen. Schon in der Frage der Gesundheitsreform hat der Druck aus Bayern erheblich nachgelassen. Dass mit Seehofer ausgerechnet der Unionspolitiker unter Beschuss geriet, der als Anhänger der Bürgerversicherung bei der Gesundheitsreform schon fast als Sozialdemokrat in der Union gilt, dürfte den Merkel-Flügel auch nicht sonderlich beunruhigen.