Laufen macht schlau: Was Joggen mit unserem Gehirn macht

Joggen macht den Kopf frei. Bild: Acid Pix/ CC BY 2.0

Laufen verändert auch unser Gehirn. Schon nach sechs Wochen Training verbessert sich das Denkvermögen. Wie genau funktioniert das?

Wer kennt es nicht – das befreiende Gefühl, nach einer Joggingrunde oder auch nur einem Spaziergang einen klaren Kopf zu haben und sich besser konzentrieren zu können? Doch was zunächst nach einem rein subjektiven Eindruck klingt, wurde in den vergangenen Jahren durch Forschungsergebnisse bestätigt: Laufen macht tatsächlich schlauer.

Insbesondere deutsche Wissenschaftler haben maßgeblich dazu beigetragen, die positiven Effekte von Ausdauersport auf das Gehirn genauer zu verstehen. Die Erkenntnisse eröffnen spannende Möglichkeiten für Bildung, Gesundheit und Arbeitsalltag.

Eine Studie von Sportwissenschaftler Ralf K. Reinhardt und seinem Team zeigte bereits 2009 erstaunliche Ergebnisse: Bereits nach einem sechswöchigen Laufprogramm verbesserten sich junge, gesunde Probanden deutlich in Tests zum räumlichen Vorstellungsvermögen und zu exekutiven Funktionen wie Impulskontrolle und Konzentration.

Die Kontrollgruppe ohne Training erzielte keine derartigen Fortschritte. Die Forscher erklären die Leistungssteigerung unter anderem mit Veränderungen im Dopamin-Stoffwechsel des Gehirns.

Dopamin – Schlüssel zur geistigen Fitness?

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff, der im präfrontalen Kortex des Vorderhirns eine zentrale Rolle für kognitive Prozesse spielt. Das Enzym Catechol-O-Methyltransferase (COMT) baut Dopamin ab.

Durch einen genetischen Polymorphismus existieren von der COMT zwei Varianten, die unterschiedlich schnell arbeiten. Menschen mit der langsameren Variante zeigen tendenziell bessere Leistungen bei Aufgaben der exekutiven Kontrolle.

Reinhardt und Kollegen stellten fest: Lauftraining scheint den Nachteil eines schnellen COMT-Typs auszugleichen, vermutlich durch eine erhöhte Dopaminausschüttung. Ein langsamer COMT-Typ profitierte weniger, da er bereits mit einer optimalen Dopaminkonzentration arbeitet.

BDNF – Wachstumselixier für Nervenzellen

Ausdauersport kurbelt aber nicht nur den Dopaminspiegel an. Auch die Ausschüttung von BDNF, eines Wachstumsfaktors, der die Bildung neuer Nervenzellen und Verknüpfungen fördert, wird angekurbelt.

Eine Metaanalyse zeigte: Schon nach einer einzelnen Trainingseinheit steigt die BDNF-Konzentration im Blut um etwa 60 Prozent. Je länger die Einheit, desto stärker der Anstieg. Überraschenderweise fanden Forscher bei Marathonläufern jedoch keinen solchen Effekt – im Gegenteil sanken die BDNF-Werte zunächst ab.

Möglicherweise ist ein Marathonlauf eine zu hohe Belastung, von der sich das Gehirn erst mal erholen muss.

Laufen lässt das Gehirn verstummen

Eine weitere faszinierende Beobachtung machten Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln: Im Ruhezustand erzeugt das Gehirn ein gewisses Grundrauschen, ein Anzeichen für ineffiziente Kommunikation zwischen Nervenzellen.

Nach 30 Minuten Laufen nahm dieses Rauschen ab – ein Effekt, der mindestens 25 Minuten anhielt. Parallel verbesserte sich die Konzentrationsleistung. Das Gehirn arbeitet also sozusagen ruhiger und fokussierter.

Interessanterweise zeigte sich diese "Verstummung" nicht in gleichem Maße nach anderen Sportarten wie Radfahren. Laufen, als natürlichste Fortbewegungsart des Menschen, scheint eine besonders direkte Wirkung auf das Gehirn zu haben.

Optimale Dosis und Intensität

Wie viel Laufen ist nötig, um geistig zu profitieren? Die Studienlage deutet darauf hin, dass bereits moderate Einheiten positive Effekte haben. Je nach Trainingszustand können auch zügiges Gehen oder Wandern ausreichen. Entscheidend ist, dass ein gewisser Trainingsreiz gesetzt wird, um Anpassungen auszulösen.

Zugleich legen die Marathonstudie und das Phänomen der BDNF-Reduktion nahe, dass ein Zuviel des Guten auch kontraproduktiv sein kann. Die optimale Dosis scheint im mittleren Intensitätsbereich zu liegen – genug, um das Gehirn zu stimulieren, aber nicht zu überlasten.

Potenzial für Bildung und Beruf

Die Erkenntnisse eröffnen spannende Möglichkeiten für die Praxis. In Schulen und Universitäten könnte gezieltes Bewegungstraining die Lernfähigkeit verbessern. Gerade im Kindesalter, wenn das Gehirn besonders formbar ist, verspricht regelmäßige Aktivität große Vorteile für die kognitive Entwicklung.

Auch im Berufsleben ließe sich durch aktive Pausen oder "Walking Meetings" die Produktivität und Kreativität steigern. Firmen könnten durch Bewegungsangebote die geistige Fitness ihrer Mitarbeiter fördern.

Ausblick auf die Alzheimer-Prävention

Höchst relevant sind die Befunde auch für die Gesundheitsvorsorge. Studien zeigen, dass mangelnde körperliche Aktivität einer der größten beeinflussbaren Risikofaktoren für Demenzerkrankungen wie Alzheimer ist.

Regelmäßiges Laufen, auch im Alter, könnte helfen, geistige Fähigkeiten zu erhalten und neurodegenerativen Prozessen vorzubeugen. Bewegungsförderung hat somit das Potenzial, Lebensqualität zu steigern und Gesundheitskosten zu senken.

In den Alltag integrieren

Um in den Genuss der kognitiven Vorteile zu kommen, muss man nicht gleich zum Marathonläufer werden. Schon kleine Änderungen im Alltag summieren sich: Öfter mal zu Fuß gehen, statt Auto oder Aufzug zu nutzen, in der Mittagspause eine Runde um den Block drehen, am Wochenende eine Wanderung unternehmen.

Wichtig ist, Freude an der Bewegung zu entwickeln, statt sie als lästige Pflicht zu sehen. Wer Spaß daran hat, bleibt eher dauerhaft dabei.