Leben in Zeiten der Gefahr

Seite 4: Rezept für Verschwörungen

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"In Zeiten des Terrors", schrieb Walter Benjamin am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, "wo jedermann etwas vom Konspirateur an sich hat, wird auch jedermann in die Lage kommen, den Detektiv zu spielen." Aber was wird dann aus einem? James Compton, der Held von Binghams A Fragment of Fear, formuliert es so:

Es ist alles schön und gut, wenn man diese Dinge in Filmen oder im Fernsehen sieht, aber wenn sie einem persönlich widerfahren, hat man dasselbe Gefühl, wie wenn man etwas, das man vor ein paar Minuten noch gesehen hat, überhaupt nicht mehr finden kann. Man fragt sich dann, ob man verrückt wird, oder ob man träumt, oder ob man sogar tot ist.

Compton haben wir verlassen, als er entdeckte, dass jemand in seine Wohnung eingebrochen ist, um auf seiner eigenen Maschine den Drohbrief zu schreiben, den ihm die lesbische Katholikin im Zug übergeben hat. Dazu muss man wissen, dass es in England seit der kurzen Herrschaft von "Bloody Queen Mary" das über Jahrhunderte gepflegte Feindbild von den katholischen Konspirateuren gibt. Das geht auf die Tochter von Heinrich VIII. zurück, die den Katholizismus wieder als Staatsreligion einführte (Marys Nachfolgerin, ihre Halbschwester Elizabeth I., machte es rückgängig) und Andersgläubige verbrennen ließ. Bis heute liefert das den Stoff für eine unüberschaubare Menge von Romanzen und historischen Romanen. Jemand sollte mal überprüfen, inwieweit die dort eingeübten Erzählmuster auf die Darstellung der islamistischen Gefahr (nicht nur in der Unterhaltungsliteratur) übertragen wurden. Das könnte interessant werden.

A Fragment of Fear

Als uns Compton auch noch mitteilt, dass seine Verlobte mit einer Regierungsdelegation nach Washington geflogen ist, hat Bingham alles bereitgestellt, was man braucht, um eine gute Verschwörungsgeschichte anzurühren: internationale Politik, Spionage, heimliches Eindringen in fremde Wohnungen, einen Religionskonflikt (die ermordete Mrs. Dawson war Protestantin), das organisierte Verbrechen (Mrs. Dawson wurde im Stammland der Mafia stranguliert), anonyme Botschaften, Codes, falsche Identitäten (Sergeant Matthews heißt nicht Matthews und ist kein Polizist), von der Norm abweichende Sexualpraktiken, den Tod einer potentiellen Mitwisserin (auch die Lesbe wird ermordet), eine als bedrohlich empfundene Subkultur (der Name der Gruppe, die den Kranz zu Mrs. Dawsons Beerdigung geschickt hat, erinnert Compton an die Rolling Stones). Diese Zutaten zum Verschwörungscocktail erfreuen sich bis heute einer großen Beliebtheit.

David Hemmings, der sich zuvor schon im Graubereich zwischen Fiktion und Wirklichkeit verloren hatte (in Antonionis Blowup ist er grün) und in Profondo rosso als Spiegelbild in einer Blutlache enden würde, spielt in der Verfilmung von A Fragment of Fear den Autor Tim Brett, wie James Compton jetzt heißt. Durch anonyme Drohungen lässt er sich so wenig abschrecken wie sein Pendant im Roman. Auf der Suche nach dem Mörder von Lucy Dawson (im Film ist sie seine Tante) findet er heraus, dass die "Stepping Stones" eine von der alten Dame gegründete Organisation sind, die entlassenen Straftätern den Rückweg in ein bürgerliches Dasein erleichtert.

A Fragment of Fear

Dahinter steckte ein teuflischer Plan. Wer beruflich erfolgreich war, wurde später von Mrs. Dawson erpresst. Eines ihrer Opfer, denkt Tim zunächst, hat sie schließlich umgebracht. Da irrt er sich. Lucy Dawson wurde von Leuten ermordet, die ihre Organisation übernehmen wollten. Und diese Leute verstehen keinen Spaß. Tim wird nachts überfallen und verprügelt. Seine Wohnung steht unter Beobachtung. Wie verhält man sich in einer solchen Lage? Eine Trotzreaktion ist wahrscheinlich das Falsche, weil man sich leicht lächerlich macht. Tim zieht nachts die Vorhänge nicht zu, um den Beobachtern zu zeigen, dass es ihm nichts ausmacht, beobachtet zu werden, schaltet aber auch das Licht nicht mehr ein, damit man ihn in seiner Wohnung nicht beobachten kann.

A Fragment of Fear

Die Polizei glaubt ihm nicht. Er ist ein Ex-Junkie, der ein Buch über seine Suchterfahrungen geschrieben hat (Binghams Romanheld schreibt Krimis und hatte, wie bereits gesagt, einen Autounfall mit möglichen Folgen für die Psyche). Deshalb denken die Beamten, dass er wieder Drogen nimmt, sich die verwickelte Geschichte nur einbildet und unter Verfolgungswahn leidet. Tim zweifelt inzwischen selbst an seinem Verstand. Aber dann betritt Major Ricketts vom Geheimdienst die Bühne. Von ihm erfährt er, dass die Verschwörer Agenten einer fremden Macht sind und nun Personen in wichtiger Position, die auf Lucy Dawsons Liste standen, erpressen. Dabei gehen sie über Leichen. Tim muss erkennen, dass er sich und Juliet durch seine Nachforschungen in höchste Gefahr gebracht hat …

Intrige mit Pelargonie

Wenn man Romane liest oder Filme sieht, nimmt man dabei eine Haltung ein, die der englische Dichter Samuel Taylor Coleridge als "willing suspension of disbelief" bezeichnet hat: man ist bereit, Dinge zu glauben, die man in der realen Welt in Frage stellen würde. Aber irgendwann wundert man sich vielleicht doch. Mir kamen beim Lesen von Binghams Roman erste Zweifel am Erzähler James Compton, als er anfing, Sachen mitzuteilen wie etwa, dass er nachts immer ein Glas Wasser am Bett stehen hat, nicht Wasser in einem Zahnputzbecher aus Plastik, sondern Wasser in einem richtigen Glas, weil es daraus besser schmeckt. Was fängt man an mit so einer Information, wenn es eigentlich um eine mörderische Verschwörung geht? Und was macht man mit Stellen wie dieser:

Am nächsten Morgen stand ich etwa um viertel nach acht auf, wie es bei mir die Regel ist. Ich brauche ungefähr eineinhalb Stunden, um ein Bad zu nehmen, mich zu rasieren, mich anzuziehen und ein leichtes Frühstück zu essen. Das ist ziemlich lang, aber während dieser Zeit lese ich eine Morgenzeitung in der Badewanne und eine andere beim Frühstück. Und gegen zehn Uhr habe ich dann sozusagen das Deck geschrubbt und so viel von den Nachrichten des Tages aufgenommen, wie ich möchte und bin bereit zur Arbeit.

Wer will das wissen? Und wer kennt nicht diese Leute aus der Nachbarschaft, die einen mit Informationen über ihre täglich wiederkehrenden Verrichtungen quälen, wenn man ihnen nicht mehr aus dem Weg gehen konnte? Wenn schließlich der Drohbrief kommt, in dem Compton dazu aufgefordert wird, zum Zeichen dafür, dass er die Forderungen der Agenten erfüllen wird, seine rote Pelargonie ins Fenster zu stellen, kennen wir auch jemanden, der einen so pedantischen Brief abfassen und uns bei der Gelegenheit noch darüber aufklären würde, dass nur ungebildete Leute die Blume mit einer Geranie verwechseln: es ist James Compton selbst. Während wir Stück für Stück die Hintergründe von Lucy Dawsons Ermordung erfahren, wird parallel dazu das Psychogramm einer zwanghaften Persönlichkeit entworfen, die beim Psychotherapeuten besser aufgehoben wäre als bei der Polizei oder beim MI5. Bingham hat einen spannenden Kriminalroman über das Verhältnis von Fiktion und Realität geschrieben und fragt wie nebenbei (darin ist er ein Meister), wo die Normalität aufhört und wo die Art, wie wir unser Leben organisieren, verrückt zu werden droht.

Das Buch wirkt einfach und ist doch sehr komplex. Viele Regisseure, die damals für das Projekt in Frage kamen, hätten die Verfilmung in den Sand gesetzt. Bingham hatte Glück, dass die Produzenten im richtigen Moment Richard C. Sarafian engagierten. Sarafian waren ein paar gute Jahre vergönnt, bevor er aus irgendwelchen Gründen vom Kurs abkam und ihm nichts mehr gelang. Man in the Wilderness (1971) und The Man Who Loved Cat Dancing (1973) sind zwei sehr sehenswerte Western. Vanishing Point (1971) ist ein existentialistisches Road Movie und viel mehr als eine Verfolgungsjagd mit Autos (wer so etwas will, sollte es lieber mit Death Proof probieren, für den Quentin Tarantino Vanishing Point nach Kräften geplündert hat). Und Fragment of Fear ist einer der ersten und besten jener Paranoia-Filme, die entstanden, als sich die Swinging Sixties in einen Albtraum verwandelt hatten.

Der Film ist bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt (Adolfo Celi, der Superbösewicht in Thunderball, sorgt als Signor Bardoni gleich für einen Hauch von James-Bond-Atmosphäre). Oswald Morris zeigt hier auf eine subtilere Weise als in manchen der John-Huston-Filme, die ihn berühmt gemacht haben, warum er einer der besten und innovativsten britischen Kameramänner war. Es gibt eine sehr gelungene, geschickt desorientierende Schnittstrategie. Der Jazz-Funk-Pionier Johnny Harris steuert eine leicht halluzinogene, bei Bedarf kriminalironische Musik bei (mit Harold McNair an der Flöte), die die Bilder geschickt ergänzt und akzentuiert, statt sie mit nachträglich zugegebener "Stimmung" zu verkleben (ein Remix war später in einer Levis-Reklame zu hören). Und Paul Dehn hat ein stringentes Drehbuch geschrieben.

A Fragment of Fear

Er und Sarafian machen nicht den Fehler, das narrative Verfahren Binghams direkt auf ihren Film zu übertragen. Sie berücksichtigen vielmehr, dass sich das Medium geändert hat und arbeiten mit den Mitteln des Kinos, nicht der Literatur. Die auffälligste Änderung gegenüber dem Roman betrifft Juliet, die Verlobte des Helden. Im Film macht sie ebenfalls Urlaub im Hotel von Signor Bardoni, Tim Brett (Alias James Compton) ist ihr da noch fremd. Juliet (Gayle Hunnicutt, damals im echten Leben mit David Hemmings verheiratet) findet die Leiche von Mrs. Dawson. Nach der Beerdigung überrascht Sarafian mit einer Einstellung, die uns zurück zu den Photos aus dem Park in Blowup bringt.

Zu sehen sind die nackten Beine einer Frau am Strand (ein Blowup-Zitat). Daneben liegt Tim, mit dem Gesicht nach unten. Es sieht aus, als sei auch er getötet worden. Gleich danach steht er auf, die Frauenbeine sind die von Juliet, sie und Tim sind jetzt ein Paar. Die Bedeutung der Einstellung hängt wieder vom Kontext ab, von ihrem Platz in der Geschichte, die vor uns abläuft, 24 Bilder pro Sekunde. Sarafian demonstriert wie vor ihm Antonioni, wie leicht wir durch das Medium zu manipulieren sind und was ein simpler Filmschnitt alles bedeuten, was zwischen der einen und der ihr folgenden Einstellung alles passieren kann. Offenbar ist Zeit vergangen. Zeit genug, um aus Juliet und Tim, die bisher nur gemeinsam hatten, dass Tim in Pompeji war, als Juliet seine tote Tante fand, ein Liebespaar zu machen.

A Fragment of Fear

Kaum zurück in England, steht der Hochzeitstermin schon fest. Kann das sein? Wer ist die schöne Juliet? Eine auf Tim angesetzte Agentin? Binghams Romanheld muss sich mit seinen schrecklichen Schwiegereltern herumplagen, die ihren ganz eigenen Grund hatten, ihm das Hotel von Signor Bardoni zu empfehlen (unter vielen aberwitzigen Entwicklungen ist das vielleicht die aberwitzigste, und man braucht gar keine Spione dafür). Tim hatte nur eine alte Tante, so wie Juliet, die er durch deren Tod kennengelernt hat, nur einen alten Onkel hat. Ist das Zufall oder Projektion? Haben wir, ohne es zu merken, eine Welt betreten, die nur in der Phantasie existiert? Als Zuschauer sind wir für paranoide Konstruktionen besonders anfällig, weil Filme erst in unserem Kopf entstehen, indem wir das, was vor uns über die Leinwand oder den Bildschirm läuft, zu einer Geschichte verbinden. Ohne unsere Mitarbeit geht es nicht.

Allein wie ein Stein

Von jetzt an wird sich die Atmosphäre der Bedrohung ständig intensivieren. Die Fahrt auf der Rolltreppe in der Londoner U-Bahn wird unerträglich lang, weil überall die Gefahr lauern könnte. Ist der ältere Herr mit Bowler und Regenschirm, der beim Italiener am Nebentisch sitzt, ein Geheimagent, die realistischere Version von John Steed? In einer der stärksten Szenen sehen wir Tim dabei zu, wie er in Schweiß ausbricht und unter dem Druck verrückt zu werden droht. Er ist allein in seiner Wohnung. Draußen auf der Straße fährt ein Auto los. Ist das Zufall oder hat es etwas zu bedeuten? Kurz danach hört Tim auf seinem Tonband das unheimliche Lachen des anonymen Anrufers. Das ist nur dadurch zu erklären, dass der Mann in seiner Wohnung war. Warum ist inzwischen das Licht in den beiden Fenstern gegenüber ausgegangen, das da eben noch brannte? Sitzen dahinter die Leute, die ihn beobachten? Oder war er vorher schon verrückt und bildet sich alles nur ein? Sarafian hält perfekt die Balance zwischen alltäglichen Details (eine Milchflasche, Licht im Fenster, ein Automotor) und den Elementen einer Spionagegeschichte und lässt uns mit dem Problem, ob das eine in einem Zusammenhang zum anderen steht oder nicht, allein.

A Fragment of Fear

Blowup, Profondo rosso und Fragment of Fear haben den in einer Massengesellschaft isolierten Helden gemein. Alle sind allein wie ein Stein, wie es bei Bob Dylan heißt. Es gibt bedrückende Bilder der Einsamkeit wie die in Blowup, wo Marc durch den menschenleeren nächtlichen Park streift, in dem nur eine Leiche liegt und vielleicht nicht mal das, oder wo er ganz klein auf der grünen Wiese steht. In Fragment of Fear werden Leute in Rollstühlen über verlassene Uferpromenaden gefahren, als seien nur noch sie und ihre Begleitung auf der Welt. Argento zitiert in Profondo rosso die Gemälde von Edward Hopper an, der in seinen Bildern die Einsamkeit der Großstadt festgehalten hat. Beim nächtlichen Gespräch zwischen Marc und Carlo nutzt er die Leinwand ganz aus, um die Distanz zwischen den beiden zu zeigen. Zwischen ihnen ruht eine antike Skulptur wie ein gleichgültiger Gott.

Oben: Profondo rosso, Unten: A Fragment of Fear

Lucy Dawson wird stranguliert, der Mörder wirft die Leiche in eine Grube, Signor Bardoni geht zur Beerdigung und die Stepping Stones schicken einen Kranz. Sonst interessiert das keinen, auch nicht die Polizei. "So ist das mit dem modernen Leben", schreibt James Compton:

Ein Mord hat keine Bedeutung, so lange er einen nicht persönlich betrifft. Zur Zeit der Angelsachsen, als die Bauern noch dünn gesät waren, war ein Mord eine ernste Angelegenheit. Es hieß, dass der Gemeinschaft ein Paar Hände verloren ging. Ein großes Geschrei hob an, und jeder war gesetzlich verpflichtet, alles liegen und stehen zu lassen und den Übeltäter seiner gerechten Strafe zuzuführen. Jetzt ist das anders, weil es so viele von uns gibt. Wir können uns Verluste leisten.

James (Alias Tim) will das nicht hinnehmen. Er ermittelt selbst und kommt einer Verschwörung auf die Spur. Die Geschichte beginnt nicht ohne Grund mit einem Ausflug nach Pompeji. Während der Vorspann des Films läuft, sehen wir antike Fresken und Mosaike. Sind das Botschaften einer untergegangenen Kultur oder einfach nur Fragmente, die sich nicht mehr zusammenfügen lassen? Wurde die Stadt Opfer einer Naturkatastrophe oder war der Ausbruch des Vesuv Teil eines göttlichen Plans? Das erste Anzeichen, dass etwas nicht stimmt in Pompeji, ist der Fliegenschwarm (im Western wären das die Geier). Darunter liegt ein Schuh, und noch etwas tiefer, im ehemaligen Keller von Haus Nr. 27, Sektion 12 liegt die Ermordete. Das nimmt schon den Friedhof vorweg, auf dem wir, fein säuberlich eingeteilt und mit letzter Adresse, alle einmal enden - "aus dem Leben gerissen", wie es in Todesanzeigen heißt.

A Fragment of Fear

Aber warum? Durch Tims Nachforschungen bekommt der Tod der alten Dame einen Sinn. Sie wurde nicht das zufällige Opfer eines Triebtäters, der auch jede andere hätte umbringen können, wenn sie ihm über den Weg gelaufen wäre, man hat sie im Rahmen einer internationalen Intrige getötet (das wäre die Entsprechung zum göttlichen Plan, an den die Leute früher glaubten). Die Sicherheit des Landes ist tangiert. Davon profitiert auch Tim. Am Anfang verliert er seine Tante, an die er sich soeben angeschlossen hat, aber dafür bekommt er die schöne, stets verständnisvolle Juliet als Braut. Er, der in einer tristen, spärlich möblierten Wohnung lebt, wo ihm fünf Exemplare seines Buches über die Drogensucht Gesellschaft leisten, ist jetzt selbst im Zentrum der Intrige. Eine fremde Macht scheut weder Zeit noch Geld, um ihn zu isolieren und zum Schweigen zu bringen (man könnte ihn schlicht umbringen wie Lucy Dawson, das wäre einfacher und billiger). Tim ist ein wichtiger Mann.

A Fragment of Fear

Als er während der Hochzeitszeremonie auf der Hand eines Priesters eine Fliege entdeckt, rastet er aus. Er sieht überall Spione und Attentäter und ergreift mit seiner Braut die Flucht. Hat also der Tod von Lucy Dawson (der Fliegenschwarm) bei Tim eine Nervenkrise ausgelöst und war alles, was wir danach gesehen haben, die Ausgeburt eines kranken Geistes? Ist er schlicht panisch, weil er heiraten soll? Wenn man erst Stanley Bristow erlebt hat, seinen zukünftigen Schwiegervater (nur im Roman), wäre das nur zu verständlich. Oder ist es so, wie Major Ricketts sagt: Wurde Tim das Opfer einer jener Zerrüttungsaktionen, die man von Geheimdiensten sehr wohl kennt? Gibt es einen perfiden Plan, ihn als verrückten Paranoiker dastehen zu lassen, damit ihm die Polizei nicht glaubt? Wer möchte das entscheiden in einer Welt, in der sich Fiktion und Realität immer mehr vermischen? Erinnern wir uns an John le Carré: Ein Geheimagent ist einer, der Geschichten anprobiert wie neue Kleider (oder sie wegwirft wie Thomas in Blowup, wenn sie schlecht riechen). A Fragment of Fear liefert Aufschluss darüber, was uns an solchen Geschichten fasziniert, was sie für unser Leben bedeuten.

A Fragment of Fear

Wer den Roman gelesen und den Film gesehen hat, darf sich am Schluss aussuchen, was ihm lieber ist. Tim Brett (Film) kann den Spionen nicht das Zeichen geben, dass er jetzt doch bereit wäre, auf ihre Forderungen einzugehen, weil die Putzfrau die Geranie - pardon: Pelargonie -, die er ins Fenster stellen soll, weggeworfen hat. Damit muss er fortan leben. Das Buch endet so:

Mein Stück vom Terror, und mehr war es nicht, lag in der Dicke dieses Stücks: der Bauer ist von mehr umgeben, als er sich vorstellen kann. Hinter den Augen, die ihn beobachten, sind wieder andere, die ihrerseits diese Augen beobachten, und hinter den durch das Dickicht gleitenden Raubtieren sind wiederum andere, die Jagd auf die Raubtiere machen.
Wir leben in gefährlichen Zeiten. Alles, was man tun kann, ist den Speer bereit zu halten, und was für ein schwaches Ding das doch ist, und das Amulett berühren und auf das Beste hoffen und sich darauf verlassen, dass der Stamm, wie in meinem Fall, nicht nur den Stamm beschützen kann, sondern auch das Individuum. Es schadet nichts, zu hoffen.
Um auf der sicheren Seite zu sein, habe ich jetzt immer, auch gerade eben, eine rote Geranie auf dem Fensterbrett stehen.

Na dann …

Fragment of Fear auf DVD: Statt endlich Filme, auf die man seit Jahren gewartet hat, in sorgfältig gemachten DVD-Editionen herauszubringen, gehen die großen Anbieter immer mehr dazu über, bereits Vorhandenes auf BluRay zu recyceln. Also muss man froh sein, dass Sarafians Fragment of Fear in den USA inzwischen wenigstens als DVD-R erschienen ist, in der "Columbia Classics by Request"-Reihe von Sony (codefree, sehr passabler Transfer, mit Trailer).

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