"Leider müssen wir mit einem kriegerischen Jahrhundert rechnen"
Seite 4: Deutschland als pazifische Macht
Kürzlich drohten die USA den Salomon-Inseln mit Konsequenzen, sollten sie es China erlauben, einen Militärstützpunkt auf ihrem Gebiet zu errichten. Australien bezeichnete es sogar als "rote Linie". Welche Konflikte gibt es in der Region?
Jörg Kronauer: Da vermischen sich Konflikte, die den gesamten Pazifik betreffen, und innere Konflikte auf den Salomonen. Was die inneren Konflikte angeht: Die Regierung der Salomonen hat 2019 diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik aufgenommen und dafür – anders geht das ja nicht – die Beziehungen zu Taiwan abgebrochen.
Dagegen gibt es Protest vor allem auf einer der Salomonen-Inseln, die der Hauptstadtinsel gegenüberliegt. Diese innersalomonischen Konflikte sind im vergangenen Herbst zu gewalttätigen Unruhen eskaliert.
Äußere Konflikte spielen dabei eine Rolle, weil sich die Regierung der Salomonen nun stärker auf China zu stützen beginnt und deshalb ein Sicherheitsabkommen mit der Volksrepublik geschlossen hat. Die Regierungsgegner auf den Salomonen machen dagegen mobil und lassen sich dabei von den Vereinigten Staaten unterstützen.
Diese wiederum würden am liebsten das Rad der Geschichte zurückdrehen, die diplomatischen Beziehungen der Salomonen zu ihrem Verbündeten Taiwan wieder herstellen und die Volksrepublik ganz aus dem Südpazifik abdrängen. Für sie wäre es ein GAU, sollte China sich auf den Salomonen nicht nur festsetzen, sondern dort auch noch einen Militärstützpunkt errichten und damit militärisch im Südpazifik Fuß fassen. Allerdings streitet Beijing kategorisch ab, dass es das überhaupt vorhat.
Die USA propagierten in den letzten Jahren einen Schwenk zum Pazifik und riefen das pazifische Jahrhundert aus. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass sich neben Großbritannien und Frankreich auch Deutschland als pazifische Macht begreift. Welche Interessen verfolgen die europäischen Staaten?
Jörg Kronauer: Frankreich hat Kolonien im Pazifik – vor allem Neukaledonien und Französisch-Polynesien – und begreift sich, auf sie gestützt, als pazifische Macht. Es unterhält dort sogar eine dauerhafte Militärpräsenz. Sein Ziel ist es, im Pazifischen Ozean eine eigenständige Politik zu verfolgen, nicht abhängig von den USA. Neben dem machtpolitischen Anspruch geht es auch darum, ökonomisch Vorteile zu erzielen.
Großbritannien hat mit dem Brexit darauf gesetzt, seinerseits eine eigenständige Weltpolitik treiben zu können, tritt allerdings im Pazifik jetzt weitgehend an der Seite der Vereinigten Staaten auf, etwa im AUKUS-Pakt (Australia, United Kingdom, United States). Es setzt ebenfalls darauf, sein Asien- Pazifik-Geschäft auszuweiten, schon allein deshalb, weil in der Region in den kommenden Jahrzehnten aller Voraussicht nach die lukrativsten Geschäfte zu machen sind.
Die Bundesrepublik hat im vergangenen Jahr begonnen, mit der Entsendung der Fregatte Bayern in die Asien-Pazifik-Region ihrerseits im Pazifischen Ozean Flagge zu zeigen. Auch Deutschland geht es dabei darum, in der künftig zentralen Region der Weltwirtschaft als eigener Machtfaktor aufzutreten. Alle drei europäischen Mächte verfolgen zudem das Ziel, dem weiteren Erstarken Chinas etwas entgegenzusetzen, um zu verhindern, dass die Volksrepublik so stark wird, dass die EU nicht mehr ernsthaft mit ihr konkurrieren kann.
Aktuell erleben wir in Europa einen Krieg, in dem sich die Länder der Europäischen Union sehr engagieren. Müssen wir mit einem kriegerischen Jahrhundert rechnen?
Jörg Kronauer: Leider sieht alles danach aus. Im Ukraine-Krieg sind die europäischen Staaten mit ihrer Unterstützung für Kiew längst de facto Kriegspartei. Was den Konflikt mit China anbelangt, warnen vor allem US-Militärs davor, er könne in einen großen Krieg zwischen Washington und Beijing münden – und das womöglich schon in wenigen Jahren. Mit ihren militärischen Aktivitäten im Pazifik wären die europäischen Staaten auch in diesem Fall ganz rasch Kriegspartei.
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