Lenkung von Menschenmassen

Forscher denken über Fußgängerbewegungen und Evakuierungssimulationen nach

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Auf der "Conference on Pedestrian and Evacuation Dynamics" (PED) an der Mercator-Universität, Duisburg, tauschen sich rund 100 Wissenschaftler darüber aus, wie man räumliche Engpässe verhindert und Menschenströme gelenkt werden können. Bei der Erforschung von Fußgängerbewegungen und der Entwicklung von Evakuierungssimulationen hat sich der Homo sapiens als größter "Risikofaktor" erwiesen.

Wäre der Mensch in seinen Bewegungsabläufen ein einfach zu kalkulierendes Wesen, wäre die Wissenschaft jetzt um ein Forschungsfeld ärmer. Das rätselhafte Verhalten von Menschenmassen in Normal- und Paniksituationen ruft aber immer mehr Wissenschaftler auf den Plan, wie die erste interdisziplinäre "Conference on Pedestrian and Evacuation Dynamics" in Duisburg zeigt. Vom 4. bis 6. April diskutieren immerhin an die 100 Teilnehmer aus 13 Nationen, wie es sich denn mit Fußgängerbewegungen nun tatsächlich verhält und wie man Menschenmassen besser berechnen beziehungsweise lenken kann.

"Es ist nicht nur das erste Expertentreffen dieser Art in Duisburg, sondern auch das erste weltweit, bei dem die Teilnehmer aus Wissenschaft, Forschung und Industrie den Risikofaktor "Mensch" besonders berücksichtigen, um Sicherheitsstandards zu verbessern", heißt es in einer Presseaussendung. Organisiert wird PED von zwei Duisburger Wissenschaftlern, dem bekannten "Stauforscher" Prof. Dr. Michael Schreckenberg, Fachgebiet Physik von Transport und Verkehr, und Prof. Dr. Som Deo Sharma vom Institut für Schiffstechnik.

"Einkaufszentren, Sportarenen, Bahnhöfe, aber auch Passagierschiffe, Flugzeuge oder Bahnen müssen Menschenmengen "vertragen" können. Sie müssen so konzipiert sein, dass bei Stoßzeiten und auf engem Raum ein Vorwärtskommen möglich ist und ein Fußgängerstau vermieden wird. Am Computer lassen sich solche Fußgängerbewegungen exakt kalkulieren, modellieren und auf Alltagstauglichkeit testen. Solche "Planspiele" können Leben retten", erklären die Organisatoren Sinn und Zweck der Veranstaltung.

Analysiert werden Unglücksfälle der Vergangenheit und mittels Computersimulationen verbesserte Krisenmodelle entwickelt. Verstärkt bindet man auch Erkenntnisse aus Psychologie und Soziologie zu Orientierungs- und Panikverhalten ein. Dominiert wird die Liste der Vortragenden allerdings von Technikern und Physikern. So spricht beispielsweise Dirk Helbing, der in theoretischer Physik habilitierte und heute an der TU Dresden über "Self-organized crowd dynamics in normal and panic situations" unterrichtet (Die Gleichung der Panik). Er kommt in ein einem vorab veröffentlichtem Abstract zu dem Schluss, dass es einen einzigen entscheidenden Parameter im Übergang von normalen zu panikartigem Verhalten gibt. Und zwar die Nervosität.

Also sollten Sie demnächst in einer panischen Menschmasse wieder einmal den Notausgang nicht sehen, atmen Sie tief durch und werfen Sie die Nerven nicht weg!