Lesen Sie den CIA-Bericht noch einmal!
Auch die britischen und amerikanischen Geheimdienste scheinen mit der Politik ihrer Regierungen und der Konstruktion von Beweisen für einen Irak-Krieg nicht mehr einverstanden zu sein
Die US-Regierung hat, seitdem Bush erklärte, dass das Spiel aus sei, also der Krieg vor der Türe steht (Das Spiel ist aus), das Angriffsrisiko auf die zweithöchste Stufe heraufgesetzt. Angeblich gebe es Hinweise auf mögliche Anschläge mit biologischen und chemischen Waffen. In Wirklichkeit zeigt sich daran, wie der Krieg gegen den Terrorismus, dessen nächstes Ziel der Irak ist, die Gefahren, die er bekämpfen will, nur weiter anschürt. Selbst ehemalige CIA-Angestellte warnen nun die US-Regierung vor den wahrscheinlichen Folgen ihres kurzsichtigen Tuns.
Es ist wahrscheinlich schon eine gewisse Premiere, dass Geheimdienste sich ihren kriegswilligen Regierungen mehr oder weniger offen entgegen setzen. In Großbritannien hat, sonst ein Vorrecht eher der politischen Instanzen, der Geheimdienst der BBC ein Dokument des Defence Intelligence Staff (DIS) zukommen lassen, in dem bekräftigt wird, dass es keine nachweisbaren Verbindungen zwischen dem Irak-Regime und al-Qaida gebe und solche auch aus ideologischen oder religiösen Gründen nahezu auszuschließen seien. Offenbar widersetzt man sich dem Ansinnen der Regierung, Fakten zu erfinden, um den Krieg gegen den Irak mit dem Krieg gegen den Terrorismus zu verbinden.
Die Regierung macht dies dann selbst und gibt einen Bericht heraus, der sich auch auf Geheimdienstinformationen stützen soll, aber weitgehend von Artikeln im Internet abgeschrieben wurde, ohne die Quellen des Dokuments zu nennen (Geheime Cut-and-Paste-Informationen). Mit dem schlampig zusammengestellten Plagiat hat die Glaubwürdigkeit der von den Pro-Kriegs-Regierungen beigebrachten "Beweise" gelitten - oder sollte dies zumindest.
Doch schon Ende des letzten Jahres hatte der amerikanische CIA sich ähnlichen Weisungen des Weißen Hauses eher widerwillig gebeugt und einen Bericht zur Lage im Irak verfasst, der zwar auf Drängen des demokratischen Senators Bob Graham, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, teilweise veröffentlicht, aber kaum von den patriotisch eingestellten Medien beachtet wurde (Sturz Husseins durch Oppositionelle unwahrscheinlich). Darin nämlich kamen die Behauptungen der Bush-Regierung schlecht weg, auch wenn in der Zusammenfassung der öffentlichen Version behauptet wird, dass der Irak weiterhin Massenvernichtungswaffen besitzt und entwickelt. Im Bericht werden diese Tatsachenbehauptungen aber nur als wahrscheinlich oder möglich bezeichnet. Von einer unmittelbaren Bedrohung ist jedenfalls nicht die Rede.
Senior members of Iraqi intelligence and al Qaeda have met at least eight times since the early 1990s. Iraq has sent bomb-making and document forgery experts to work with al Qaeda. Iraq has also provided al Qaeda with chemical and biological weapons training. And an al Qaeda operative was sent to Iraq several times in the late 1990s for help in acquiring poisons and gases. We also know that Iraq is harboring a terrorist network headed by a senior al Qaeda terrorist planner. This network runs a poison and explosives training camp in northeast Iraq, and many of its leaders are known to be in Baghdad.
US-Präsident Bush wendet in seiner Rede vom 8.2. 2003 Vermutungen in Tatsachenbehauptungen
Der Sprengstoff aber lag im nicht-öffentlichen Teil des Berichts. Dort heißt es nicht nur, es sei unwahrscheinlich, dass jemand aus dem inneren Kreis um Hussein sich gegen ihn erheben würde. Darauf setzte damals noch die US-Regierung, wie sie jetzt offenbar noch immer hofft, dass Hussein ins Exil gehen könnte, wodurch man einen kampflosen Sieg erreichen würde. Dass die Gruppe mit angeblichen al-Qaida-Kontakten im von Kurden kontrollierten Nordirak das Regime direkt mit al-Qaida verbinden würde, sei unwahrscheinlich. Auch für die Lage einer Nach-Hussein-Regierung hält der Bericht fest, dass es sehr darauf ankommen wird, wie Saddam "die Bühne verlässt", aber dass die neue Regierung große Schwierigkeiten bewältigen müsse, um Stabilität zu erreichen. Nicht nur würden die vielen ethnischen Gruppen eine größere Autonomie fordern, die Jahrzehnte dauernde Diktatur hätte auch den Irakern jede Möglichkeit verwehrt, demokratische Traditionen der Konsensbildung aufzubauen.
Zudem schloss der deswegen offenbar sicherheitshalber verschlossen gehaltene Bericht damit, dass die CIA die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen durch Hussein, sollte er überhaupt welche besitzen, als "sehr gering" für die "vorhersehbare Zukunft" einschätzte. Nur wenn Hussein angegriffen würde, könne es sein, dass er als letzten Ausweg solche Waffen verwenden oder sie Terrorgruppen übergeben könnte.
"Nach unserer Ansicht würde eine Invasion des Irak die Ausbildungslager für Terroristen mit Rekruten für eine unbestimmte Zukunft überfluten. Weit entfernt davon, die Bedrohung auszulöschen, würde sie diese exponentiell vergrößern."
Dieser durchaus realistischen Einsicht in die US-Politik einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, die aber möglicherweise innen- und außenpolitisch ihren Zweck erfüllen könnte, die eigenen Bürger und die Regierungen der anderen Staaten durch Angst zusammen zu schmieden, haben sich jetzt ehemalige CIA-Mitarbeiter angeschlossen. Sie warnen in einem Memorandum an den Präsidenten davor, dass ein Krieg den Konflikt zwischen dem Westen und den islamischen Ländern nur noch vergrößern und auch die Terrorismusgefahr weiter fördern würde.
"Der Präsentation von Außenminister Powell bei den Vereinten Nationen fehlt der Kontext. Wir geben ihm eine 1 für das Sammeln und Aufzählen der Anklagepunkte gegen den Irak, aber nur eine 2- für die Darlegung von Kontext und Perspektive."
Die Bush-Regierung wird aufgefordert, den Bericht noch einmal zu lesen, da deren militärische Strategie nicht die Quellen des Hasses gegen die USA berücksichtige, weswegen die hinter dem Terrorismus liegenden Ursachen auch nach einem erfolgreichen Krieg weiter bestehen blieben. Schon der CIA-Bericht vom letzten Jahr verwies auf eine Umfrage unter Menschen vieler arabischen Länder, die zeigte, dass die Politik der US-Regierung weitgehend abgelehnt und als einseitig empfunden wird (Die meisten Menschen in den arabischen Ländern haben eine negative Meinung von den USA). Terrorismus gleiche der Malaria, so die ehemaligen CIA-Mitarbeiter ansteckend:
"Man kann Malaria nicht auslöschen, wenn man die Mücken tötet. Man muss den Sumpf trocken legen. Mit einer Invasion in den Irak kann die Welt erwarten, mit Schwärmen von brütenden Terroristen überschwemmt zu werden. Eure Töchter werden in den künftigen Jahren, um es mit anderen Worten zu sagen, nicht ohne eine Phalanx an Sicherheitspersonal ins Ausland reisen können."
Außenminister Powell habe in seiner UN-Präsentation (Nichts als die Wahrheit oder Onkel Powells Märchenstunde?) zwar gezeigt, dass der Irak nicht gemäß der Resolution 1441 voll kooperiert, doch der starre Blick auf ihren Wortlaut habe die Aufmerksamkeit vom großen Bild abgelenkt. Powell habe die Kernfrage nicht beantwortet, ob die Resolution einen Krieg rechtfertigt. Schließlich hätte nicht nur der Irak Resolutionen der UN verletzt oder nicht beachtet. Verwiesen wird beispielsweise auf Israel, das etwa die Resolution 242 aus dem Jahr 1967, die einen Rückzug aus den besetzten Gebieten verlangt hatte, nicht eingehalten hat. Und natürlich wird darauf auch von arabischen Kommentatoren, wie beispielsweise in Axis of Evil: What about evil itself?, als doppelter Maßstab verwiesen. Die von der US-Regierung unterstützte Politik gegenüber den Palästinensern, die Besetzung arabischer Gebiete und der präventive Angriff auf den Irak 1981 seien nicht nur eine der Wurzeln des Terrorismus, sondern auch "des von Saddam Hussein empfundenen Bedürfnisses, Mittel zu entwickeln, um weitere Angriffe Israels abzuwehren."
Die ehemaligen CIA-Mitarbeiter bemerken überdies, dass dann, wenn es zutrifft, was Powell gesagt hat, nämlich dass Hussein angeblich seine Kommandeure ermächtigt haben soll, Massenvernichtungswaffen einzusetzen, die Invasion für die schlecht ausgerüsteten Soldaten kein Spaziergang werden dürfte. Als Wink mit dem Zaunpfahl erwähnen sie, dass ein Drittel der 600.000 Soldaten, die am ersten Krieg gegen den Irak beteiligt waren, mit Beschwerden zurückgekehrt seien, und dass die vorangegangenen Regierungen mit diesen Golfkriegskrankheiten nicht gut umgegangen sind. Wenn es jetzt zu einem Krieg käme, wäre die Gefahr aber noch größer, weil wahrscheinlich noch mehr chemische Substanzen im Schlachtfeld enthalten seien.
Die Times zitiert einen veärgerten Geheimdienstmitarbeiter aus den USA, der sagte, dass man bei einer Nullposition angefangen habe, "auf der Präsidenten sich geweigert haben, genaue Geheimdienstinformationen zu zitieren, und man jetzt zu dem Punkt gekommen ist, dass parteipolitische Inhalte offiziell den Geheimdiensten zugeschrieben werden". Ähnlich verärgert scheint man bei den britischen Geheimdiensten zu sein. Die Times spricht schon von einer "noch nie dagewesenen verdeckten Rebellion" der Geheimdienstchefs gegen Tony Blair. Anders sei nicht zu erklären, wie der DIS-Bericht in die Hände von BBC hätte gelangen sollen.
Kritisiert wird auch die Haltung der US-Regierung, weil sie nichts gegen das Lager Khurmai der Ansar al-Islam-Terroristen im Nordirak unternommen hat, obwohl bereits Soldaten im Irak sein sollen und die britischen und amerikanischen Flugzeuge, die die Flugverbotszone kontrollieren, es leicht bombardieren könnten. Powell wies in seiner UN-Präsentation wieder darauf hin, dass diese Gruppe, die sich seit 2001 hier angesiedelt hat und gegen die Kurden kämpft, nicht nur Verbindungen zu al-Qaida haben, sondern auch die Verbindung zwischen al-Qaida und Bagdad sein soll. In ihrem Lager würden sie den Umgang mit Sprengstoffen und Giften wie Rizin lehren.
Während einer Sitzung des Ausschusses für auswärtige Beziehungen wurde Powell nach seiner UN-Präsentation gefragt, warum man gegen diese Bedrohung nichts unternehme und die Terroristen weiter Gifte herstellen lassen. Powell entgegnete, er könne nicht in einem öffentlichen Ausschuss darüber sprechen. Ein Geheimdienstmitglied, der laut der Los Angeles Times nicht genannt werden wollte, kommentierte: "Das ist ihr zwingender Beweis für den Einsatz von Gewalt. Wenn sie es zerstören, dann können sie es nicht mehr als Rechtfertigung für einen Krieg verwenden."