Libyen: Christlich-abendländische Staatsvernunft gegen NGOs
Seite 2: Die Wahrheitsfindung
Solche Möglichkeits- und Verdachts-Formulierungen werden z.B. im Ukraine- oder Syrienkonflikt gerne angemahnt, wenn es um Anschuldigungen gegen Putin oder al-Assad ging. Dieser grundlegende Zweifel ist auch hier angebracht, zumal bei dieser Situation, wie in den Berichten abzulesen, der "Fotobeweis", der sonst auch gerne zerpflückt wird, eine Rolle spielt.
Es gibt noch zwei weitere Vorfälle, die in der sizilianischen Anklageschrift der NGO "Jugend Rettet" zum Vorwurf gemacht werden. Auch sie laufen wie die seltsame Geschichte der Annäherung oder mutmaßlichen Kontaktaufnahme der Iuventa mit dem alten Schmuggelkahn "Shada", dem "Phantomschiff", darauf hinaus, dass der Verdacht, die Iuventa war "auf dem Meer mit Schleppern in Kontakt war", erhärtet wird, wie das Recherchezentrum Correctiv folgert.
Ganz sicher haben die Crew-Mitglieder der Iuventa wie auch die identitären Mitfahrer auf der C-Star später ihren Enkeln einiges von ihren Abenteuern zu erzählen, was wir anderen auf unseren kleinen Internet-Fenstern zur großen Welt da draußen nicht mitbekommen.
Die Wahrheitsfindung, die um Distanz zu den Lagern bemüht ist, tut sich allerdings schwer. Denn Quellen, worauf sich große Teile der Beobachtungen der Anklageschrift stützen, sind allem Anschein nach, was ihr Erkenntnisinteresse betrifft, nicht besonders belastbar:
Die Aussagen dieser Zeugen und ihre Glaubwürdigkeit lassen sich kaum überprüfen. Die Firma, für die die beiden Sicherheitsleute arbeiteten, könnte zumindest sehr lose Verbindungen zu Rechtsextremen haben. Laut einem Bericht der italienischen Zeitschrift "Familia Cristiana" ist Gian Marco Concas, ein Sprecher der rechtsextremen Gruppe Generazione Identitaria, Mitglied der geschlossenen Facebook-Gruppe der Sicherheitsfirma.
Rendezvous auf dem Mittelmeer, Correctiv
Il Commandante verteidigt Europa
Gian Marco Concas sei Kapitän der Mission "Defend Europe", mit der die Identitären die Arbeit der Hilfsorganisationen stören wollen, erfährt man bei der Frankfurter Rundschau oder dem BR. Die Facebook-Seite von "Defend Europe" bestätigt dies: Gian Marco Concas wird dort als "il comandante delle operazioni 'Defend Europe' dargestellt. Die Ermittler stützen sich nicht wenig auf Aussagen der Sicherheitsfirma, wie aus dem Correctiv-Bericht in ziemlicher Redundanz hervorgeht.
Die Ermittlungen der italienischen Ermittler stützen sich auf Zeugenaussagen der Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste, die sich an Bord anderer Rettungsschiffe befinden, abgehörte Telefonate sowie den Einsatz verdeckter Ermittler an Bord der Schiffe
Rendezvous auf dem Mittelmeer, Correctiv
Die verdeckten Ermittler waren zum Beispiel an Bord eines anderen NGO-Schiffes "Save The Children", wo sie wiederum Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes gut zugehört haben:
Auch zwei Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, die an Bord des Schiffes von Save The Children waren, erzählten den Ermittlern, wie die Iuventa einmal Migranten direkt von Schleppern abgeholt habe.
Rendezvous auf dem Mittelmeer, Correctiv
Im oben erwähnten Bericht der Frankfurter Rundschau gibt es gleichwohl eine interessante Mitteilung, die den Gedanken stützt, dass sich Seenotretter sich in einem Auftrag sehen, der kürzlich vom Papst als Botschaft formuliert wurde: "Die Fürsorgepflicht gegenüber Flüchtlingen erstreckt sich auf alle Etappen vom Aufbruch über Reise und Ankunft 'bis zur Rückkehr'" (Domradio).
Zwischenspiel: Der Papst
Die Forderungen des Papstes haben es in sich, berichtet das Domradio: Es gehe um mehr Möglichkeiten einer sicheren und legalen Einreise, "Sondervisa für Menschen aus Konfliktgebieten, ja selbst eine Grundsicherung, Zugang zu persönlichen Bankkonten und zum Rentensystem", wolle der Papst. "Auch ein Mensch, der "das Landesgebiet ohne Genehmigung betreten" habe, behalte seine grundlegende Würde. Bei allem Interesse an nationaler Sicherheit sei "die Sicherheit der Personen stets der Sicherheit des Landes voranzustellen".
Don Mussies Telefonverbindungen unter Verdacht
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die deutsche Hilfsorganisation "Jugend Rettet" habe die Staatsanwaltschaft Trapani nämlich auch den katholischen Priester Don Mussie Zerai im Visier, berichtete die Frankfurter Rundschau am 11.August. Es gehe um Beihilfe zur illegalen Einwanderung.
Der Vorwurf: Don Mussie habe die Schiffe der Nichtregierungsorganisationen über die bevorstehende Ankunft und genaue Position von Flüchtlingsbooten informiert, "unter anderem in einem geheimen Chat". Der eritreische Priester bestreitet die Vorwürfe. Seiner Auffassung nach, handelt es sich um eine "Hexenjagd gegen Helfer", so die FR. Erwähnt wird aber auch Folgendes:
Dass eritreische Flüchtlinge Don Mussies Telefonnummer sozusagen als letzte Hoffnung bei sich tragen, ist seit vielen Jahren bekannt. Wenn Boote vor der nordafrikanischen Küste in Seenot geraten, klingelt sein Handy und verzweifelte Landsleute bitten um Hilfe. Er verständige immer zuerst die Einsatzzentralen der italienischen und maltesischen Küstenwache, versicherte der Priester jetzt.
Anschließend informiere er die Seenotretter von "Ärzte ohne Grenzen", "Sea Watch", "Moas" und "Watch the Med". Zu "Jugend Rettet" und deren Schiff "Juventa" dagegen habe er nie direkten Kontakt gehabt, ebenso wenig habe er geheime Chats genutzt. "Mein Ziel und meine Priorität war immer nur Menschenleben zu retten", schreibt er auf seinem Blog.
Frankfurter Rundschau
Die Grenzen zwischen Abholung auf Anruf aus Sicht der kalt kalkulierenden Schleppergeschäftsbetreiber und einer Nothilfe verschwimmen bei solchen Aussagen. Die Vorwürfe kommen aus einer bereits bekannten Richtung: "von zwei Mitarbeitern der privatem Sicherheitsfirma IMI Security Services, die auf einem NGO-Schiff arbeiteten".