Licht als Gift für Mensch und Umwelt

Nächtliche Satellitenaufnahme Europas. Bild: Nasa

Das Anthropozän muss Schäden beheben, die es fortwährend verursacht. Was heißt es etwa, die Welt mit Licht zu verschmutzen?

Sterne zu sehen hat selten, womöglich nie als ästhetische Beiläufigkeit gegolten. Vor allem dann, wenn die Philosophie sich des Themas annahm, war oftmals ein existenzielles Pathos im Spiel. Bei Hans Blumenberg etwa wird der Augenblick erstmaliger Himmelsbetrachtung zur Eröffnung eines bewusstseinsgeschichtlichen Abenteuers und damit zum anthropologischen Schlüsselmoment eines Erdenbewohners, der sich anschickt – wie es im Eröffnungskapitel der Genesis der kopernikanischen Welt heißt –, "den Blick aus der Sphäre der biologischen Signale herauszuheben und das Unerreichbare in die Aufmerksamkeit hineinzuziehen".

Georg Simmel hat die Vermutung geäußert, dass unter dem Eindruck der Gestirne nichts weniger als die Vorstellung von Transzendenz ihren Ursprung haben könnte. Und auch für Platon gäbe es ohne die Himmelsbetrachtung gar keine Philosophie.

Ein einsames Objekt

Zwischen dem Ursprungsrätsel der Erstbetrachtung und dem Eintritt der Himmelsbeobachtung in die geschichtlich fassbare Zeit liegen Jahrtausende der Anschauung und Überlieferung. Die allmähliche Durchsetzung rationaler Leistungen gegen mythische Erzählungen hat den Himmel schließlich zum Gegenstand der Wissenschaften werden lassen. Heutigen Astronomen zeigt sich eine Vielzahl von Objekten und Strukturen verschiedener Aggregatzustände.

Doch die Systematik der astronomischen Objekte weist eine Leerstelle auf: Ausgerechnet jener Gegenstand, von dem die Beobachtungen ihren Ausgang nehmen, will in diese Ordnung nicht recht hineinpassen. Zwar wirkt die Erde unter der Rubrik "Gesteinsplanet" zunächst gut einsortiert. Der besonderen Tatsache jedoch, dass dieses seit Langem erkaltete Objekt durch die planvolle Kunstfertigkeit einiger auf ihm existierender Lebewesen in einen selbstleuchtenden Zustand versetzt wird, ist damit keinesfalls Rechnung getragen. Für die Eigenheiten von Kulturphänomenen ist die Sternenkunde aus historischen und systematischen Gründen blind.

Doch die technischen Leistungen moderner Zivilisation haben dazu geführt, dass die Welt des Menschen als empirischer Gegenstand in die Themenkreise der Astronomie hineinragt. In Zeiten totalen Engineerings verdankt die Erde ihre Leuchtkraft nicht mehr allein der Rückstrahlung solarer Energien. Als "Kunststern" glüht sie in die planetarische Nachbarschaft hinaus und bildet – nach allem, was wir wissen – den kosmischen Sonderfall inmitten geistloser Wüsten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.