Lichtecho einer kosmischen Einbahnstraße entdeckt

Deutschen Forschern gelingt bisher beste Synchronmessung von Röntgenstrahlung und optischem Licht bei einem Schwarzen Loch

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Normalerweise sind Schwarze Löcher poststellare Staubsauger, die Materie und Energie restlos schlucken. Früher sagte man diesen nimmersatten Monstern nach, sie würden nichts, aber auch absolut gar nichts mehr wieder freigeben, was einmal in ihre Nähe geraten ist. Doch weit gefehlt - Schwarze Löcher senden immerfort energiereiche Strahlung aus, vor allem dann, wenn sie ihren unbändigen Hunger stillen. Beim Verspeisen ihrer Opfer "rülpsen" sie dabei mit Vorliebe in Form von Röntgenstrahlen. Wie deutsche und internationale Wissenschaftlerteams jüngst herausgefunden haben, geben sie sich aber auch noch anders zu erkennen.

Illustration der Strahlungsprozesse in der Umgebung des Schwarzen Loches XTE J1118+480. Gasströme von einem Begleitstern (außerhalb des Bildes) bilden eine Scheibe um das Loch (dunkelrot und braun dargestellt). Gaswolken stürzen von dort in das Schwarze Loch, das selbst unsichtbar bleibt, und senden dabei Röntgenstrahlung aus (weiß). Gleichzeitig strömt Gas in Form eines sehr schnellen "Jets" (blau) ins All. Ein langsamerer Gasstrom strahlt kurz nach dem Röntgenblitz im sichtbaren Licht (grün).

Schwarze Löcher machen ihrem exotischen Namen keine Ehre: Sie sind weder schwarz noch haben sie ein Loch. Und dennoch zählen diese kompakten Gebilde, die aus toten massereichen Sternen geboren werden, zu den spektakulärsten Objekten im Universum, absorbieren sie doch wie kein anderes jegliche Form von Materie und Energie. Alles, was ihnen zu nahe kommt und den Ereignishorizont überschreitet, verschwindet auf Nimmerwiedersehen in einem gewaltigen kosmischen Raum-Zeit-Strudel in eine Singularität - auch Licht, Raum und Zeit.

Derlei Objekte offenbaren sich dem Betrachter selbst mit dem leistungsstärksten Fernrohr lediglich als dunkle Schattierungen, die eigentlich nur dadurch "sichtbar" werden, dass sie Röntgenstrahlung abgeben und das Licht in ihrer Umgebung stark verzerren. Wenn Schwarze Löcher mithilfe ihrer gigantischen Masse und Anziehungskraft Materie an sich ziehen, sammelt diese sich auf der so genannten Akkretionsscheibe und spiralt von dort Bahn für Bahn - ähnlich einem Wasserstrudel - langsam ins Innere des Zentrums. Die dabei abgegebene Röntgenstrahlen ist derart intensiv, dass das lichtschluckende unsichtbare Etwas für einen kurzen Moment aufflackert und "sichtbar" wird. Dabei sollten die Röntgenblitze der gängigen Theorie zufolge auch die umgebende Materie aufheizen und diese zeitgleich zum Leuchten im sichtbaren Licht anregen.

XTE J1118+480

Just dieses "Lichtecho" haben jetzt deutsche Forscher der Garchinger Max-Planck-Institute für extraterrestrische Physik (MPE) und für Astrophysik (MPA) durch die gleichzeitige Messung von Röntgenstrahlung und sichtbarem Licht "gesehen". Wie die Forscher in der aktuellen Nature-Ausgabe (8. November 2001) berichten, gelangten sie dabei aber überraschenderweise zu einem Ergebnis, das keineswegs mit der aktuellen "Echotheorie" korrespondiert.

Ins Visier genommen hatten das Garchinger Team um Gottfried Kanbach und Henk Spruit einen etwa 6000 Lichtjahre entfernten Himmelskörper mit der Bezeichnung XTE J1118+480 (auch KV Ursa Majoris genannt), wo ein Schwarzes Loch mit der sechsfachen Masse der Sonne sein Dasein fristet, das Ende März 2000 von dem amerikanischen Weltraumteleskop Rossi XTE aufgespürt wurde. Es ist ein so genannter Mikroquasar, also ein Schwarzes Loch, das von einem normalen Stern umkreist wird. Dieser Begleitstern wird von dem Schwarzen Loch ständig kannibalisiert und durch überströmende Materie kommt es zur beobachteten Röntgenstrahlung und Radiostrahlung.

Als Kanbach und sein Team bereits im Juli vergangenen Jahres gleichzeitig im Röntgenbereich mit dem Röntgensatelliten Rossi und im sichtbaren Licht mit einem Teleskop auf Kreta das Zielobjekt XTE J1118+480 observierten, setzten sie für ihre Messungen das am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik entwickelte OPTIMA-Instrument ein. Diese Apparatur erlaubt die Messung sehr rascher Helligkeitsänderungen. Dank ihres Einsatzes und mithilfe der synchronen Observationseinheiten konnten die Forscher schnelle Variationen der Röntgenstrahlung und des optischen Lichts auf Zeitskalen von Millisekunden miteinander korrelieren. "Zu unserer Überraschung zeigte sich jedoch, dass die optische Strahlung viel schneller auf Variationen der Röntgenstrahlung reagiert als wir es auf Grund des bisherigen Modells erwartet hatten", verdeutlicht Henk Spruit.

Nach jedem Röntgenausbruch sei nach einer Zehntelsekunde ein Helligkeitsanstieg im sichtbaren Bereich festgestellt worden; für die Astronomen ein klarer Hinweis auf einen Materieausfluss vom Schwarzen Loch. Hierzu kommt es, wenn Magnetfelder einen Teil des Gases, das auf das Schwarze Loch zustürzt, umlenken und dieses sogleich senkrecht zur Scheibe beschleunigt. Wenn eine Gaswolke in Richtung des Schwarzen Lochs fällt, geraten Materie in den abströmenden Gasstrom. In ihm bilden sich dann Wellen, die den beobachteten Lichtblitz aussenden. Die Forscher schätzen, dass dieser Ausstrom mit weniger als zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit erfolgt. Die optische Emission käme dann aus einer Region in etwa 20.000 Kilometern Entfernung vom Schwarzen Loch. Ein solcher relativ langsamer Ausstrom in der Umgebung eines Schwarzen Lochs ist atypisch, da dort bisher nur stark gebündelte Gasstrahlen (Radiojets) beobachtet wurden, in denen sich die Teilchen mit bis zu 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit vom Schwarzen Loch fortbewegen.

Schwarze Löcher sind "in"

Schwarze Löcher sind schon seit Jahren "in". Sowohl im "Nature" als auch in anderen angesehenen Publikationen werden sie deswegen so oft thematisiert, weil infolge der immer besser werdenden Teleskope und astronomischen Untersuchungsmethoden der Wissensschatz über diese bizarren Vielfrasse dramatisch zunimmt.

Chandra-Aufnahme von Sagittarius A* - Das Monster im Zentrum unserer Galaxis

So berichtete im Sommer das renommierte britische Nature-Fachjournal (Bd. 413, S. 45) von neuen Indizien für die Existenz eines Schwarzes Loches im Zentrum unserer Galaxis. Ein 11-köpfiges Astrophysikerteam aus den USA und Japan hatte mit dem NASA-Röntgensatelliten CHANDRA in der unmittelbaren Umgebung von Sagittarius A* (Sternbild Schütze), einer Quelle intensiver Radiostrahlung, ein kurzes, aber heftiges Aufflackern im Röntgenbereich detektiert, für das offensichtlich ein Schwarzes Loch verantwortlich war, das wohl "gerade" ein kleineres Objekt verspeiste, höchstwahrscheinlich einen Asteroiden. Wie Frederick K. Baganoff vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge erläuterte, hatten sich die Helligkeitsänderungen der hochenergetischen Röntgenstrahlung innerhalb von fünf bis zehn Minuten vollzogen. In diesem Zeitraum war Sagittarius A* im Röntgenbereich über 45 Mal heller geworden, bevor die Strahlungsintensität binnen weniger Minuten wieder drastisch abfiel. "Es ist, als ob uns die Materie noch eine Abschiedskarte schickt, bevor sie hineinfällt", schrieb Baganoff in Nature.

Hochenergetische Strahlung wieder rausgespuckt

Bei alledem konnte ein internationales Astronomenteam unlängst mit dem Satelliten-Röntgenteleskop XMM-Newton der Europäischen Raumfahrtagentur ESA im Zentrum der rund 100 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie MCG-6-30-15 im Sternbild Centaurus ein Schwarzes Loch "observieren", das wider Erwarten nicht nur Energie verschlang, sondern dieselbige kontinuierlich wieder aus seinem Schlund rausschleuderte. Dies wurde bisher niemals bei einem Schwarzen Loch beobachtet", so der zuständige Projektleiter Jörn Wilms vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Eberhard-Karls Universität in Tübingen.

Die dabei abgegebene Röntgenstrahlung war derart intensiv, dass das lichtschluckende unsichtbare Etwas für einen kurzen Moment aufflackerte und "sichtbar" wurde. Dabei spuckte das beobachtete supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Spiralgalaxie, in dem rund 100 Millionen Sonnen-Massen zusammengepresst sind, überraschenderweise hochenergetische Strahlung wieder aus, indem es wie eine Art Dynamo in einem starken Magnetfeld rotierte und dabei die umgebene Materiewolke aufheizte.

Übrigens müssen die MPI-Forscher auf der Suche nach neuen Indizien für die bisherigen Beobachtungen nunmehr nach einem neuen Schwarzen Loch Ausschau halten: Denn XTE J1118+480 ist nach seinem siebenmonatigen Ausbruch im Jahr 2000 "derweil" erloschen. Das Schwarze Loch muss vorerst mit einer Diät vorliebnehmen - aber bestimmt nicht mehr lange.