"Little Boy" und "Fat Man" – der verharmloste Terror des Atomkriegs

Seite 2: Technik der Massentötung jetzt "besser nutzbar"

Heute sind wir vier Jahrzehnte weiter, die Technik wurde perfektioniert, sodass aus der US-Generalität die Information kommt, die auch für Deutschland vorgesehenen B 61-12 mit Zielfindungstechnik seien "more usable", also "besser nutzbar".

Hinzu kommen neue technologische Fähigkeiten der US-Airforce, wenn sie die Hyperschallwaffen "Dark Eagle" in Europa stationieren, darunter eine Basis im Raum Wiesbaden, Das US-Medium Sun berichtete am 11. November 2021, dass die USA erstmals seit dem Kalten Krieg einen Block für nukleare Arsenale in Deutschland reaktiviert haben.

Dabei geht es um "Dark Eagle"-Hyperschallraketen. Sie erreichen Russland laut der Sun in 21,5 Minuten. Damit erhöhen sie durch ihre reine Fähigkeit zu einem derartig schnellen Angriff einerseits die Möglichkeit eines Überraschungs- und Enthauptungsschlages gegen die Atommacht Russland – und somit die Gefahr eines Atomkriegs "aus Versehen": Wenn in Russlands Luftraumkontrolle der Alarm ausgelöst wird, es läge ein Dark-Eagle-Angriff vom Westen her vor, dann haben die Überwachungskräfte nicht mehr genug Zeit, um sicher auszuschließen, dass es sich hier um einen Fehlalarm handelt.

Es gab diese Situation bereits einmal 1983, als der Rotarmist Stanislaw Petrow einen Atomalarm von seinem System angezeigt bekam. Sein gesunder Menschenverstand und seine Ehrfurcht vor dem Leben bewahrte die Menschheit vor dem Atomkrieg: Er folgte nicht den Regularien für diesen Fall und löste nicht die Befehlskette zum Gegenschlag aus, der in einem Atomkrieg geendet hätte und damit im Untergang der Zivilisation.

Von einem ähnlich umsichtigen Handeln in einem vergleichbaren Fall darf die Zukunft der Menschheit nicht abhängen. Das aber genau ist das unkalkulierbare Risiko, das die USA und die Nato eingehen. Bei derartig kurzen Zeiten zur Entscheidung über das Schicksal des Lebens auf diesem Planeten ist die Anfälligkeit für existenzielle Fehler intolerabel groß.

Warum die Militärs und die verantwortlichen Poliker:innen diese Situation herbeiführen, lässt sich am ehesten mit der in den 1980er-Jahren entwickelten Strategie des Militärexperten Colin S. Gray erklären, der damals den Text "Sieg ist möglich" ("Victory is possible") veröffentlichte.

Die Punkte, die einen Sieg auch dann noch eröffnen würden, wenn die eigene Seite einen Massenanfall an Toten zu beklagen hätte, baute auf drei Säulen auf: Erstschlag-/Enthauptungsfähigkeit der eigenen nuklearen Streitmacht, einen zuverlässigen Raketenabwehrschirm gegen mögliche Zweitschlag-Atomraketen, die vom getroffenen Gegner nicht kommen können und einen adäquaten Zivilschutz für die Folgen eines solchen Krieges.

Genau das ist das Rüstungs- und Militärprogramm der nuklearen Kräfte der Nato seither. Und dass sie das nicht nur insgeheim und doch bei genauem Blick so exerzieren, sondern auch verfolgen, das zeigen sie in ihren Essener Strategiekonferenzen, die seit 2015 jeden Herbst im Konferenzzentrum in der dortigen Messe durchführen.

2017 wurde im Zuge dieser Strategieberatung über den Krieg im 21. Jahrhundert gefordert, die nuklearen Kräfte müssten Doktrinen und Pläne für den Einsatz ihrer atomaren Arsenale bereitstellen, da derartige Waffen nur dann für die Abschreckung Sinn machen, wenn man auch bereit sei, sie einzusetzen.

"Wir sind die Guten"

Gleichzeitig wirft die Nato wiederholt Russland vor, mit dem Erstschlag zu drohen. Wieder das gleiche Narrativ der Strategischen Kommunikation der Nato: Wir sind die Guten, die Gefahr ist alleine im Osten, wir haben ja nur eine Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft.

2015 befasste sich die Essener Nato-(JAPCC-)Konferenz mit der "Strategischen Kommunikation", um ihre Instrumente zu optimieren, mit denen sie beim Nachrichten-Management die Öffentlichkeit für ihre teure und gefährliche Vorgehensweise beeinflussen können.

Wie man aktuell sieht, funktioniert das derzeit viel besser, als im Vietnam. Und Irak-Krieg, als die öffentliche Meinung gegen die Kriegsstrategie der USA und weiterer Nato-Kräfte stand. Aktuell gibt es fast nur noch Empörung über den Krieg Russlands, so als gäbe es auch heute keinen weiteren militärischen Brandherd weltweit.

Mit dem so generierten Eindruck vom guten Westen, dem Sherif, der für die regelbasierte Ordnung kippen die Nato und ihre Partner immer mehr Widerstand gegen die Hoch- und Atomrüstung. In Japan stellen sie die pazifistischen Elemente der Verfassung infrage. Wir gehen auf die höchste Alarmstufe im Ringen um eine zukunftsfähige, also friedliche Welt zu.