Live-Bilder von Drohnen: Unterhaltung für die hohen Offiziere

Der neue Fernblick aufs Kampfgebiet stößt nicht nur bei Gegnern auf Missfallen

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Kriege sind bekanntlich auch immer Möglichkeiten, neue Strategien und Techniken auszuprobieren. Das ist besonders in Situationen einer überwältigenden Übermacht wie im Fall des Kriegs gegen die Taliban/al-Qaida in Afghanistan attraktiv, da dann auch bei Fehlschlägen nicht viel geschehen kann. In Afghanistan kam es zu mehreren Premieren: dem engen Zusammenspiel zwischen Spezialeinheiten auf dem Boden und Bombern, dem Abwurf einer thermobarischen Bombe und einem bislang einmaligen Einsatz der Informationstechnik, mit der es möglich war, das Hauptkommando in den USA zu lassen oder bewaffnete Drohnen zu steuern. Die größere Transparenz des Kampfgebietes durch alle möglichen Sensoren ist für die Überlegenen ein gewaltiger Vorteil, dafür wird auch eine größere Kontrollmöglichkeit der Truppen durch die Führung möglich, die - wie auch sonst in der Erweiterung der Überwachung - bei den Betroffenen nicht nur auf Gegenliebe stößt.

Für die Gegner war die technische Überlegenheit der Amerikaner schrecklich. Mit einer bislang unbekannten Genauigkeit und Schnelligkeit konnten mit der Hilfe von kleinen Gruppen auf dem Boden oder Aufklärungsflugzeugen feindliche Stellungen ausgemacht, mit Viper, bei dem man mit einem Laser Angriffsziele mit GPS auf einer digitalen Karte markiert) gekennzeichnet und dann von Flugzeugen wie den B-52 aus mit Präzisionsbomben oder anderen Bomben zerstört werden.

Dabei verwandelt sich der Krieg noch stärker als bislang in ein Unternehmen, in dem gezielt bestimmte Personen getötet werden. Die Scharfschützen, die bislang nur einen begrenzten Bereich kontrollieren konnten, werden im neuen Krieg gegen den Terrorismus, also gegen kleine und mobile Verbände der Gegner, zum Modell mit einer globalen Reichweite. Durch gezielte Ermordung von einzelnen Gegnern werden zwar "Kollateralschäden" vermindert, aber dadurch nähern sich militärische Aktionen auch Exekutionen an, wie dies die israelische Armee schon länger praktiziert und wie man es vom Vorgehen von Geheimdiensten kennt. Ein gerichtlicher Schuldnachweis wird dabei nicht erbracht, was die Gefahr der Willkür bei diesem Vorgehen demonstriert, bei dem militärische Aktionen, Strafverfolgung und heimliche Exekutierung verschwimmen.

Erstmals wurden in Afghanistan aber auch vom CIA bewaffnete Drohnen eingesetzt, mit denen aus der Ferne und damit geschützt Gegner aus der Luft überwacht und getötet werden können. Vor allem diese Verbindung von Fernaufklärung, Fernsteuerung und Fernabschuss markiert eine wirklich neue Dimension des Kriegs. Dabei wurden möglicherweise aber auch bereits im Februar unschuldige Menschen getötet (Ferngesteuerte Waffensysteme senken die Angriffsschwelle). Ob sich inzwischen weitere Einzelheiten aus der Untersuchung des Vorfalls ergeben haben, wurde bislang vom Pentagon nicht mitgeteilt. Die Begründung für den Angriff nährt allerdings Bedenken gegenüber solchen Einsätzen. Man habe Verdächtige über längere Zeit verfolgt und vermutet, es könne sich um hohe al-Qaida-Mitglieder handeln. Um diesen nicht entkommen zu lassen, habe man schließlich eine Hellfire-Rakete abgeschossen, ohne die Angegriffenen wirklich wegen des schlechten Wetters identifizieren zu können.

Kritik an den UCAVs, an den unbemannten bewaffneten Flugzeugen, kommt aber auch, wie die Washington Post berichtet, aus dem Militär vor Ort. Mit den Predators, die vom CIA und vom Militär in Afghanistan eingesetzt wurden, konnten auch hohe Offiziere und Politiker aus den USA erstmals Live-Bilder aus den Kampfgebieten sehen. So seien etwa die Kämpfe um Schah-i-Kot, des seit dem Golfkrieg größten Kampfeinsatzes von US-Bodentruppen, vor den Augen der Fernsehenden abgelaufen, die auch den Abschuss der Hubschrauber verfolgen konnten (Operation Anaconda: Kriegspropaganda). Bilder der vom Militär betriebenen Drohnen konnten live etwa in der Kommandozentrale in Saudi-Arabien, im Hauptkommando in Florida und im Pentagon gesehen werden.

Nach einer Analyse des dabei erfolgten Predator-Einsatzes äußerten Soldaten, die am Kampf beteiligt waren, dass ihnen selbst die Bilder wenig geholfen hätten. Sie wären eher ablenkend gewesen, zumal die Offiziere aus der Ferne versucht hätten, die Kampfhandlungen auch noch im Einzelnen zu steuern. Der für den Einsatz vor Ort verantwortliche Offizier sagte, dass er die Bilder kaum gesehen hätte, da "der Predator so mesmerisierend sein kann - wie Fernsehschauen". Ein anderer Offizier meinte, dass der Predator nur als "Unterhaltung" für die Leute in der Kommandozentrale diene.

Franklin Hagenbeck, der Oberkommandierende für die Bodentruppen in Afghanistan, sieht vor allem in der Einmischung von Kommandostäben aus der Ferne in die konkreten Kampfhandlungen ein Problem. Da die Live-Bilder einen guten Überblick gewähren, stellten offenbar viele Fragen oder wollten Anweisungen für die Truppen am Boden geben. Das sei störend gewesen, meinte Hagenbeck. Man habe dann versucht, die Fragen antizipierend zu beantworten und diese mehrmals am Tag aktualisierten Berichte in das interne Netz zu stellen. Daraufhin hätten sich die höheren Offiziere wieder zurückgezogen.

Empfohlen wird der Einsatz von Drohnen also nicht zur Fernsteuerung der Soldaten im Kampf, sondern zur Vorbereitung von Angriffen durch Aufklärung oder zur Verfolgung und Tötung von Gegnern in entfernten Gebieten. Ein Soldat sagte aber auch, es sei beruhigend, wenn man beim Einschlafen das Geräusch eines Predators über sich hört, weil man sich dann beschützt fühle.