Lützerath: Schwarz-Grün will räumen lassen

Seite 2: Umso schlimmer für die Pariser Klimaübereinkunft

Begründet wird das übrigens hauptsächlich damit, dass Abraum zur Sicherung der Böschungen des Tagebaus benötigt wird. Nur unter ferner liefen und sehr unkonkret wird von Brennstoffbedarf geredet, der nötig sei, um die Gasverstromung zu vermindern.

Unerwähnt bleibt dabei, dass die hochflexiblen Gaskraftwerke vor allem schnell einsetzbare Lückenbüßer sind, wenn zum Beispiel im Tagesverlauf die Stromnachfrage steigt, aber wenig Windstrom vorhanden ist und auch die Sonne noch nicht genug liefert. Oder am Abend, wenn der Solarstrom zurückgeht, der Bedarf hingegen hoch ist. Braunkohlekraftwerke sind im Gegensatz dazu sehr träge und bedienen eher die Grundlast.

Dessen ungeachtet wird RWE es sich sicherlich nicht entgehen lassen, die mit massiven Polizeieinsätzen zugänglich gemachte Braunkohle abzubaggern und zu verbrennen, denn mit der lässt sich aufgrund des hohen Gaspreises und des unsäglichen Merit-Order-Prinzips der Strombörse derzeit hervorragend Geld verdienen. Dieses Prinzip sorgt dafür, dass alle Stromlieferanten für einen bestimmten Nachfrageblock den gleichen Preis bekommen, der sich am teuersten Anbieter – zurzeit meist ein Gaskraftwerk – orientiert.

Mit dem Verbrennen der Lützerather Braunkohle macht Deutschland allerdings klar, dass man in Berlin, Düsseldorf und in der RWE-Zentrale nicht gedenkt, sich an die Pariser Klimaübereinkunft halten zu wollen. Gingen nämlich alle Staaten so vor, würden sie genauso rücksichtslos Kohle und andere fossile Energieträger verbrennen, dann wäre die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf keinen Fall zu schaffen und vermutlich nicht mal auf "deutlich unter zwei Grad Celsius". Beides war 2015 in Paris verabredet worden und ist eigentlich geltendes Völkerrecht.

Unterdessen weist die Anwohnerinitiative "Alle Dörfer bleiben" in einer Pressemitteilung darauf hin, dass die Rechtsgrundlage für einen Polizeieinsatz wieder einmal fraglich sein könnte. Der Hauptbetriebsplan, der die rechtliche Grundlage für den Abbau der Kohle unter Lützerath wäre, würde zum Ende des Jahres auslaufen. Damit habe Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur, die wie gesagt ein grünes Parteibuch besitzt, zumindest die Möglichkeit, ein Moratorium zu verhängen, ohne dass RWE dadurch Regressansprüche entstünden.

Doch die dafür notwendige Konfliktbereitschaft scheint den Grünen inzwischen – nach Beteiligung an Angriffskriegen, Aufrüstungsprogrammen, Autobahnbau durch den Dannenröder Wald, Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und LNG-Terminals für Frackinggas aus den USA – völlig abhandengekommen zu sein. Also steht der Republik wohl nach drei Dürrejahren, einem fast ausgetrocknetem Po und dem katastrophalen Juli-Hochwasser 2021 im Rheinland der nächste Polizeigroßeinsatz gegen die Klimaschutzbewegung bevor.

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