Luxusproblem: Große Verluste bei Lebensmitteln
Zu viele Lebensmittel werden nicht verzehrt, sondern entsorgt. Die Malaise beginnt schon bei der Tierhaltung, wo in Bayern jedes fünfte Tier nicht beim Schlachter ankommt, sondern beim Abdecker.
Mehr als 12 Millionen Tonnen Lebensmittel enden in Deutschland jedes Jahr im Müll, im Wert von 25 Milliarden Euro. Die Bundesregierung will diese Menge weggeworfener Nahrungsmittel bis 2030 stark reduzieren. Wie sie die Verbraucher dazu bewegen will, ihr Verhalten zu ändern, ist derzeit noch nicht bekannt.
Zuzeiten der Corona-Pandemie wurden aus Angst vor dem Verhungern mehr Nahrungsmittel gehortet als je zuvor. Während trockene Teigwaren eine lange Haltbarkeit haben, ist Hefe schnell verdorben und Mehl muss vor Mottenbefall geschützt werden, was bei angebrochenen Packungen nicht so einfach ist. Wer sich aus Angst, kein frisches Fleisch mehr zu ergattern, eine Tiefkühltruhe in die Wohnung gestellt hat, wird bald merken, dass auch Eingefrorenes nicht ewig hält.
Zudem wird der Stromverbrauch der Tiefkühlgeräte mit der nächsten Preiserhöhung, die auch Kunden mit Festpreistarifen treffen wird, für blankes Entsetzen sorgen. Und wenn es im nächsten Winter zu rollierenden Lockdowns in der Stromversorgung kommt, wird sich zeigen, dass die Lebenserwartung des Gefrierguts deutlich kürzer ist als erwartet. Was dann ziemlich schnell die Restmülltonnen mit in Plastik verpacktem Verdorbenen füllt.
Tatsache ist, dass mehr als die Hälfte aller Lebensmittel zu Hause verdirbt oder aussortiert wird. Grund ist vielfach nur das Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatums, was aber auf die Qualität der Lebensmittel kaum einen Einfluss hat.
Bei trockenen Teigwaren oder luftdicht verpacktem Kaffee ist das Mindesthaltbarkeitsdatum kein Grund, das Produkt bei Überschreiten des Datums zu wegzuwerfen. Bei frischen Fleisch- und Wurstwaren sowie bei gekühlten Fischkonserven, ist der Verzehr nach Ende des Haltbarkeitsdatums allerdings nicht mehr angebracht. Offene Fleisch- und Wurstwaren besitzen in Deutschland kein Mindesthaltbarkeitsdatum.
Nötig ist ein veränderter Umgang mit Nahrung
Was bislang fehlt, ist eine wirksame Strategie, zur Sensibilisierung der Verbraucher. Die Abfallmengen in privaten Haushalten müssen drastisch reduziert werden, um die Verschwendung von Lebensmitteln spürbar einzudämmen. Vernunft und Einsicht der Bürger funktionieren hier bislang nicht.
Es braucht mehr Aufklärung vor allem in der jüngeren Bevölkerung, der es offensichtlich an Informationen über Lebensmittel mangelt, die die früheren Hungerjahre nicht mal aus den Erzählungen ihrer Vorfahren kennen. Lebensmittel sind in Deutschland im Überfluss vorhanden und so billig wie selten zuvor.
Dabei hängt alles mit allem zusammen und jedes verworfene Nahrungsmittel ist eine zusätzliche und eigentlich unnötige Belastung für das Klima. Eine Reduzierung der weggeworfenen Lebensmittel um die Hälfte könnte die durch den Lebensmittelkonsum verursachten Treibhausgasemissionen um zehn Prozent senken.
Dass inzwischen Äpfel, die nicht den einschlägigen Handelsklassen entsprechen, ihren Weg in die Aldi-Märkte finden, ist zumindest ein kleiner Schritt und krumme Karotten sowie verwachsene Kartoffeln werden in Fertiggerichten genutzt, wo der Kunde ihre Fehlform nicht mehr entdecken kann.
Der Handel passt sich den Kundenwünschen offensichtlich an. Auch bei Eiern aus Käfighaltung hat das funktioniert, die kommen nicht mehr in den Läden an. Ausgelaugte Milchkühe finden ihren Weg in die Burgerbratereien und sorgen so für niedrige Preise bei Hamburgern.
Die Logistik im Lebensmittelhandel hat sich inzwischen deutlich verbessert und Ware, die kurz vor ihrem Ablaufdatum steht, wird günstiger verkauft. In der Folge sollen heute nur noch vier Prozent der Nahrungsmittel im Handel verloren gehen, während ein Drittel der Lebensmittel bereits auf dem Acker oder in der Verarbeitung verloren gehen.
Wenn die Kuh nicht zum Schlachter, sondern zum Abdecker gebracht wird
Während die Lebensmittelverluste im Handel durch verbesserte Logistik reduziert werden konnten, sind die Verluste in der Viehzucht offensichtlich deutlich höher als allgemein erwartet. Christoph Süß meldete kürzlich in der BR-Sendung Quer, dass wohl jedes fünfte Nutztier in Bayern vor der Schlachtung durch Krankheit, Schwäche oder Unfall zu Tode gekommen und in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt gelandet ist.
In absoluten Zahlen waren dies im vergangenen Jahr fast eine Million Schweine, etwa 220.000 Rinder und zwei Millionen Hühner, die nicht geschlachtet wurden, sondern vor der Schlachtung verendet oder anderweitig ums Leben gekommen sind. Paul Knoblach, Sprecher für Tierwohl der Grünen im Münchener Landtag, hatte die Zahlen auf der Basis einer Antwort des dortigen Umweltministeriums ermittelt.
In der parlamentarischen Anfrage beruft sich das Ministerium auf aktuelle Zahlen aus den Jahren 2019 bis 2021, wonach im Freistaat etwa 4,7 Millionen Schweine und 955.000 Rinder pro Jahr geschlachtet wurden. Die Kosten für die verendeten Tiere stellen einen kaum zu überschätzenden wirtschaftlichen Verlust für die Landwirte dar, dennoch halten diese in ihrer Mehrheit an einer Haltungspraxis fest, bei der Tiere verletzt würden oder die Hygiene schlecht sei.
Eine deutlich extensivere Nutztierhaltung mit ausreichend Platz, adäquaten Liegeflächen und artgerechtem Futter könnte den Leistungsdruck und das Risiko eines ungeplanten Todes mindern.
Höhere Preise für Lebensmittel aus Tieren könnte zudem zu einer Reduzierung des Tierbestandes führen. Das könnte mehr Ackerflächen für den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln für den menschlichen Genuss freimachen, die Deutschland derzeit zu zwei Drittel importieren muss.
Dagegen besteht bei tierischen Produkten ein gewaltiger Exportdruck, weil die erzeugten Mengen in Deutschland nicht mehr absetzbar sind.