Maas pocht auf Einwanderungsgesetz

Bundesjustizminister kritisiert Abschreckungspolitik der CSU

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Dass sich die CSU, wenn es um Migranten geht, angstauslösender Bilder bedient, dafür bedurfte es eigentlich keines weiteren Beweises mehr. Ihr Generalsekretär Scheurer legte trotzdem nach: Übergroß sei der Druck durch den nicht abreißenden Zuzug von Flüchtlingen "und kaum noch auszuhalten", sagte Scheuer der Passauer Neuen Presse und illustrierte den nicht mehr zu tolerierenden Druck mit gigantischem Kino:

An den Grenzen stehen 60 Millionen Flüchtlinge. Wie sollen wir dieser Massen Herr werden? Wir können nicht die ganze Welt retten."

Die Zahl stammt vom UNHCR. Sie ist eine Schätzung der Flüchtinge, die weltweit im Jahre 2014 Kriegen und Verfolgung zu entkommen suchten. Ungefähr Hälfte der 60 Millionen Flüchtlinge seien Kinder und nur ein Bruchteil der Flüchtlinge schaffe es nach Europa, heißt es dazu in der konservativen Zeitung Die Welt. Scheuers Bild suggeriert, dass sie alle bald an bayerischen Grenzen ankommen.

Die Flüchtlingspolitik der CSU kleidet sich als administrativ notwendige Ordnungspolitik, Nüchternheit ist aber nicht das Formprinzip. Sie folgt in der Migrationsfrage, für die niemand eine gute Antwort hat, zwei Prinzipien, die dem Gemüt von Eigenheimbesitzern sofort einleuchten: Abschreckung ungebetener Gäste und Abschiebung. Getragen wird dies von einem "Sound", nicht so sehr von Argumenten, sondern von Stichworten wie "Asylmissbrauch".

Man muss nur Kommentare unter entsprechenden Artikel zur Flüchtlingspolitik der CSU lesen, um sich zu vergewissern, dass die Musik ankommt. Die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterbringungen sind keine Zufälle, wie auch Medien auffällt, die nicht dem "Multi-Kulti-Lager" zuzuordnen sind. Wer nicht anerkenne, dass bei der Aufnahme von Flüchtlingen die Belastungsgrenze bereits "überschritten" sei, ignoriere die Realität, so Scheuer. Das würde man von dem Katastrophenbildermaler gerne in Einzelheiten wissen, es gibt zur Aufnahmefähigkeit von Gemeinden auch andere Bilder aus Bayern.

Bei der Kabinettssitzung der CSU am Tegernsee dominierte die Vorgabe, keine Anreize zu schaffen und das "Balkanproblem" (De Maizière: Zahl der Migranten aus dem Balkan drastisch verringern) möglichst entschieden und schnell zu lösen. So wird zwischen "Asylbewerber ohne Bleibeperspektive" und "Flüchtlingen mit Schutzbedarf" unterschieden. Dafür sollen in Grenznähe an den "Hauptbalkanrouten" zwei unterschiedliche Flüchtlingseinrichtungen geschaffen werden, um die politische Vorgabe - "mehr Tempo und Inhalt" - bei der Bewältigung des Zustroms umzusetzen.

Binnen zwei Wochen sollen Asylanträge aus sicheren Herkunftsstaaten, aus Albanien, dem Kosovo und Montenegro bearbeitet werden, damit abgelehnte Bewerber sollten "unmittelbar und kontinuierlich" (Seehofer) abgeschoben werden.

"Die Ausgestaltung von Unterkünften muss menschenwürdig sein, darf aber keinen zusätzlichen Anreiz schaffen, nach Deutschland zu kommen", zitiert der Tagesspiegel aus dem Bericht der bayerischen Staatskanzlei zum "Maßnahmenpaket zur Bewältigung und Eindämmung des anhaltenden Asylzustroms".

Bundesjustizminister Maas kritisiertdie bayerischen Töne als schrill und unverantwortlich, weil Flüchtlingen damit massenhaft Asylmissbrauch unterstellt werde, was mit einer Verschärfung der Stimmung einhergehe. Er drängt erneut auf ein Einwanderungsgesetz. Die Union solle ihren Widerstand dagegen aufgeben.

Dafür wäre eine Offenheit nötig, eine Ausweitung der Perspektiven auf Migration, statt auf Abschreckung fixiert zu sein. Eine genaue Übersicht über Zahlen, Vorschriften, alte und neue, bessere Bestimmungen gehören zur Grundlage einer solchen Diskussion - möglicherweise wäre das ein Schritt, um mehr Nüchternheit in die Migrationsdebatte zu bringen.

Ergänzung: Für Ulla Jelpke von den Linken wird mit der Einwanderungsgesetz allerdings ein bedenklicher Pfad eingeschlagen, wie sie der SPD entgegenhält: "Die Debatte um die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen darf nicht in eine Debatte um ein Einwanderungsgesetz umschlagen, welches nur solche Flüchtlinge nach Deutschland holen soll, die als wirtschaftlich nützlich gelten."