Machtkampf im Kongo

Seit 1998 tobt in der Demokratischen Republik Kongo ein blutiger Bürgerkrieg. Im Nordosten des krisengeplagten Landes treffen mehrere Interessen aufeinander

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1997 war ein Hoffnungsjahr für die Menschen im damaligen Zaire. Nach Jahrzehnten Gewaltherrschaft wurde der Diktator Joseph Désiré Mobuto gestürzt. Laurent Désiré Kabila, dem Anführer der "Allianz der Demokratischen Kräfte für die Befreiung" (ADFL) gelang damit, was viele sich jahrelang ersehnt hatten. Doch der Sturz des Machthabers, dessen Markenzeichen eine Schiffsmütze aus Leopardenfell war, brachte dem Land keine Ruhe. Der offensichtlichste Wechsel war der des Namen: Zaire wurde wieder zur Demokratischen Republik Kongo und erhielt damit den Namen zurück, den das Land nach der Unabhängigkeit von den belgischen Kolonialherren unter dem sozialistischen Präsidenten Patrice Lumumba verliehen bekam.

Lumumbas Schicksal war so tragisch wie das seines Landes (Der Castro Afrikas). Nachdem Mobuto den afrikanischen Hoffnungsträger Lumumba stürzen und ermorden ließ, beseitigte er am 25. November 1965 schließlich die Regierung Kasawubu und beherrschte das Land mit brutaler Repression. Seine Politik der Afrikanisierung war Schein. Mit Hilfe weißer Söldner und ausländischer Konzerne bereicherte er sich, Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Im Mai 2003 sind die Protagonisten der postkolonialen Geschichte selber Geschichte. Lumumba wurde von Mobuto ermordet. Mobuto wurde von Kabila gestürzt und starb 1997 im marokkanischen Exil. Kabila wurde 2001 schließlich von politischen Gegnern erschossen. Seitdem regiert sein Sohn Joseph Kabila. Bis in die Bürgerkriegsprovinz Ituri im Nordosten des Landes reicht seine Macht nicht.

Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges 1998 haben in Ituri schätzungsweise 50.000 Menschen ihr Leben verloren. Im gesamten Land haben seit 1998 wohl gut 3,3 Millionen Kongolesen einen gewaltsamen Tod gefunden. Die Toten aus Ituri gehören den Volksgruppen der Lendu und Hema an. Doch was steht hinter dem Konflikt? Wie so oft auf dem schwarzen Kontinent, der sich von der Kolonialen Herrschaft und den willkürlichen Grenzziehungen nie erholt hat, sind es ausländische Interessen. Direkten Einfluss auf den Konflikt haben die Nachbarstaaten Ruanda und Uganda. Während die Lendu von Uganda unterstützt werden, erhalten die Hema aus Ruanda Unterstützung. Aus eigener Kraft, so scheint es, kann die Region den Konflikt nicht bewältigen.

Nun wollen die Vereinten Nationen die Gewaltspirale aufhalten. Bereits vor zwei Monaten soll UN-Generalsekretär Kofi Annan die französische Regierung um eine sogenannte friedenssichernde Mission gebeten haben. Paris hat angenommen. Wie Jean-Marc de la Sabliére, der französische Botschafter vor den UN, am vergangenen Mittwoch ankündigte, soll bis zum heutigen Freitag eine entsprechende Resolution zur Entsendung einer multinationalen Blauhelmtruppe in den Sicherheitsrat eingebracht werden. Die Armee unter französischem Oberkommando soll 700 bis 1000 Mann aus mehreren europäischen Ländern umfassen. Engagieren sollen sich zudem Soldaten aus Pakistan, Südafrika und Nigeria. Bislang sind in der Provinzhauptstadt Bunia gut 700 Soldaten der UN-Mission MONUC stationiert. Sie kommen fast ausschließlich aus dem südamerikanischen Uruguay. Und sie konnten nichts ausrichten. Die Zahl der Menschen, die in den vergangenen Wochen vor den schweren Kämpfen aus der Unruheprovinz flohen, wird auf knapp 500.000 geschätzt.

Fraglich, ob die UN-Blauhelme der Gewalt etwas entgegensetzen können. Noch zu frisch ist die gescheiterte Mission in Ruanda 1994. Vor, während und nach der Präsenz der "Friedenstruppe" nahm der Völkermord dort seinen ungehinderten Lauf. Beobachter gehen nun sogar davon aus, dass eine UN-Mission unter französischem Kommando Öl ins Feuer gießen könnte. Nach heiklen Verhandlungen und diplomatischen Missionen hinter verschlossenen Türen konnte in den vergangenen Monaten ein vorsichtiger Rückzug der ugandischen Truppen erwirkt werden. Mit einer verstärkten französischen Präsenz in der Region würde jedoch das verfehdete Kigali bevorteilt. Die Reaktion der Kampala dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

In Brüssel kam inzwischen auch der Militärausschuss der Europäischen Union zusammen. Das Gremium soll den Einsatz der beteiligten EU-Truppen in der Krisenregion vorbereiten und ein Risikogutachten erstellen. Eine heikle Aufgabe. Einen Ausblick auf die Entwicklung in den kommenden Wochen gab die Stellungnahme eine ungenannten EU-Vertreters. Notwendig sei ein robustes Mandat, zitiert die Nachrichtenagentur AP den Mann. Bei einem Einsatz im Kongo müssten sich die Soldaten schließlich auch verteidigen können.