"Maidan-Helden" wittern Verrat
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Bei Protesten von Ultranationalisten gegen die Dezentralisierung der Ukraine starben in Kiew drei Menschen. Regierungslager ringt um Stimmen für zweite Lesung der umstrittenen Verfassungsänderung
Am Montag wurden bei den Angriffen hunderter Ultra-Nationalisten auf Soldaten des Innenministeriums und Mitglieder der Nationalgarde, welche das ukrainische Parlament schützten, zwei Nationalgardisten und ein Jugendlicher getötet. 120 Mitglieder der Sicherheitskräfte wurden verletzt.
Auslöser der gewalttägigen Angriffe vor und der Tumulte im Parlament war die Verfassungsänderung zur Dezentralisierung der Ukraine, welche die Werchowna Rada am Montag in der ersten Lesung mit 265 Stimmen - bei 368 registrierten Abgeordneten - billigte. 226 Stimmen für die Verfassungsänderung waren in der ersten Lesung nötig gewesen. 38 Abgeordnete des Russland-freundlichen "Oppositionsblockes" kamen Präsident Poroschenko zu Hilfe und stimmten für die Verfassungsänderung. Im Oppositionsblock haben sich ehemalige Mitglieder der von ex-Präsident Viktor Janukowitsch geführten Partei der Regionen zusammengeschlossen (Ukraine: Militante Nationalisten proben den Aufstand).
Für die zweite Lesung braucht das Regierungslager 300 Stimmen, was nicht einfach wird, denn im Parlament hat sich eine starke ultra-nationalistische Opposition gebildet, die mit 72 Stimmen gegen die Verfassungsänderung stimmte. Zur neuen Opposition gehören auch Parteien, die bisher zur Regierungskoalition gehörten, wie Julia Timoschenkos Partei Vaterland und die rechtsnationale Partei Samopomitsch. Zur Opposition gehören außerdem die Radikale Partei von Oleh Ljaschko sowie Abgeordnete des Rechten Sektors, die als Direktkandidaten ins Parlament gelangten. Gegen die Verfassungsänderung stimmten sogar sechs Abgeordnete der Regierungsparteien "Block Petro Poroschenko" und "Volksfront", die von Arseni Jazenjuk geführt wird.
Die blutigen Auseinandersetzungen vor dem ukrainischen Parlament am Montag zeigen, dass die Macht von Präsident Poroschenko auf wackeligen Beinen steht. Das Lager der ehemaligen Opposition gegen den Präsidenten Viktor Janukowitsch ist tief gespalten und verfeindet.
In Russland gibt es allerdings Stimmen, die meinen, was in Kiew passiere, sei ein abgekartetes Spiel. Der ukrainische Präsident Poroschenko könne sich gegenüber dem Westen nun endlich als "Anti-Nazist" profilieren ohne seine Russland-feindliche Politik zu ändern, meint etwa der bekannte russische Kommentator Vitali Tretjakow. Der Kommentator gibt auch zu bedenken, dass Poroschenko zur Sicherung seiner Macht auf die Ultra-Nationalisten und Rechtsradikalen angewiesen sei.
Die Partei Swoboda (Freiheit), die mit den ultra-nationalistischen und rechtsradikalen Parteien, Ukrop, Radikale Partei und Rechter Sektor, zu den Protesten gegen eine Dezentralisierung der Ukraine vor der Werchowna Rada mobilisiert hatte, kämpfte während der Maidan-Proteste im Winter 2013/14 noch zusammen mit Petro Poroschenko, Arseni Janzenjuk und Vitali Klitschko in einer Front gegen den gewählten Präsidenten Viktor Janukowitsch, der das EU-Assoziierungsabkommen nicht unterschreiben wollte und gegen eine einseitige Hinwendung zur Nato war.
Für den Einsatz von Swoboda-Militanten gegen die ukrainische Sicherheitskräften (westliche Medien sprachen von den "Schergen des Regimes") wurde die Partei Swoboda im Februar 2014, in der ersten Regierung nach dem Staatsstreich, mit hohen Posten (Vizepremier, Generalstaatsanwalt, Landwirtschaftsminister) belohnt. Parubij, ein Mitglied der Swoboda-Vorläuferorganisation Sozialnationale Partei der Ukraine wurde Leiter des ukrainischen Sicherheitsrates.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kündigte am Montagabend bei einer Sitzung mit Vertretern der Sicherheitsorgane und des Parlaments an, es werden harte Konsequenzen, nicht nur für die Organisatoren der gewalttätigen Ausschreitungen, sondern auch für die politischen Kräfte geben, die hinter den Protesten stehen. Damit war auch der Führer der Partei Swoboda, Oleh Tjagnibok, gemeint, der während der Auseinandersetzungen unter den Demonstranten stand und - wie ein Foto zeigt -, ruhig zusah, wie Demonstranten einen Soldaten des Innenministeriums in die Menge zog und lynchten.