Mars: Planet der Krater und Schluchten

ESA und DLR veröffentlichen neue 3-D-Bilder der Mars-Express Mission - ESA-Forscher vermutet aktive Mikroben auf dem Roten Planeten

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Während Beagle 2 in den Annalen der gescheiterten Raumfahrtmissionen leider einen Eintrag sicher hat, scheint die Muttersonde Mars Express, die seit Ende letzten Jahres den Mars als Satelliten begleitet, so langsam in Vergessenheit zu geraten. Doch zu Unrecht, denn das Datenmaterial, das der Mars-Orbiter pausenlos zur Erde funkt, ist nach wie vor vom Allerfeinsten. Jetzt veröffentlichte die ESA bzw. das DLR wieder neue Bilder, die den Erfolgscharakter von Mars Express einmal mehr dokumentieren. Ein Missionsspezialist glaubt, dass die Sonde schon vor Monaten ein deutliches Indiz für die Anwesenheit von aktiven Mikroben gefunden hat.

Mars Express - Seit dem 25. Dezember 2003 im Mars-Orbit. Bild: Esa

Es soll ja immer noch Menschen geben, die noch nicht realisiert haben, dass das Zeitalter der interplanetaren Raumfahrt schon vor etlichen Jahren begonnen hat, inzwischen sogar ein fast alter Hut ist. Gewiss, bislang waren es nur unbemannte Raumsonden à la Mariner, Viking, Pioneer, Voyager, Pathfinder oder Galileo, die ihren Zielplaneten stets gefährlich nahe kamen, mitunter in deren Atmosphären eintauchten, bisweilen ja sogar auf besagten Himmelskörpern landeten und dabei unschätzbares Datenmaterial zur Erde funkten.

Aber wie erfolgreich derlei Exkursionen auch immer waren - stets waren solcherlei Unternehmen wissenschaftliche Expeditionen ohne Wiederkehr. Nach getaner Arbeit endeten die Raumflugkörper entweder auf dem Zielplaneten, verglühten in dessen Atmosphäre oder drifteten einfach weiter in die Tiefe des Raumes. Einige von ihnen - wie Voyager 1 - halten den Kontakt zur Heimat immer noch aufrecht, andere wiederum - wie Pionier 10 - haben die Nabelschnur zu Mutter Erde durchtrennt.

Der Hale Krater mit einem Durchmesser von 150 Kilometer. Bild: Copyright ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Orbit Nummer 553

Nicht mehr zurückkehren von ihrer einsamen Exkursion zum Mars wird auch die europäische Raumsonde Mars Express, die seit Ende Dezember 2004 den Roten Planeten umkreist. Dass dabei der kleine Roboter keineswegs vor sich hinrostete und rastete, belegen einmal mehr eindrucksvolle 3-D-Bilder, welche die hochauflösende Stereo-Kamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) bislang gen Erde gefunkt hat. Hierzu zählen u.a. auch zwei Bilder, die bereits vor einigen Monaten aufgenommen, aber erst vor kurzem von der ESA bzw. dem DLR veröffentlicht wurden.

Als Mars Express während seines 533. Orbits den Roten Planeten abtastete, nahm die HRSC eine Region des auf der Südhemisphäre gelegenen Argyre-Einschlagbeckens ins Visier). Dabei erreichte die Kamera einen Auflösungswert von 40 Meter pro Bildpunkt. Die Aufnahmen zeigen den Krater Hale, der einen Durchmesser von knapp 150 Kilometer besitzt, sowie dessen Umgebung. Der Krater liegt bei 36 Grad südlicher Breite und 324 Grad östlicher Länge. Das Gebiet befindet sich am nördlichen Rand des Argyre-Beckens, das nach Hellas Planitia das zweitgrößte Einschlagbecken auf dem Mars ist. Die Auswurfmassen von Argyre haben - neben nachfolgenden Prozessen - den in der oberen (westlichen) Hälfte des Bildes gezeigten Krater Hale und seine Umgebung stark erodiert.

Coprates Catena

Auf einem anderen Foto, das während des 438. Orbits "geschossen" wurde, sieht sich der Betrachter einem Gebiet südlich des Ostteils des großen Grabenbruchs Valles Marineris gegenüber: einem Ausschnitt von Coprates Catena bei 14 Grad südlicher Breite und 301 Grad östlicher Länge (siehe Bild 2). Die Aufnahme hat eine Auflösung von etwa 43 Meter pro Bildpunkt.

Eine Kette tiefer Senken am Südrand der Valles Marineris. Bild: Copyright ESA/DLR/FU

Mit einer "Catena", dem lateinischen Ausdruck für Kette, bezeichnen Marsgeologen eine Aneinanderreihung von Einsturzgruben und Senken, die vom Hochland jäh in die Tiefe stürzen. Hier, am Nordrand der Thaumasia-Hochebene, brach die Oberfläche wahrscheinlich zunächst an einzelnen Punkten parallel zu den Valles Marineris ein, ehe die fortschreitende Erosion dafür sorgte, dass die einzelnen Gruben zu einem Tal verbunden wurden.

Coprates Catena besteht aus vielen einzelnen zu einer Kette aufgereihten kleinen Einbruchtälern, die in Form mehrerer schmaler Talbänder parallel zum Haupttal Coprates Chasma verlaufen. Die in den Bildern gezeigten Senken sind zwischen 2.500 und 3.000 Meter tief. An den Talwänden sind einige große Hangrutschungen zu erkennen. Im obersten Drittel der Talböschung sieht man Gesteinsschichten.

230 Kilobit pro Sekunde

Damit Farbbilder auf diesem Niveau überhaupt entstehen können, muss die satelliteneigene 1,8 Meter-Parabolantenne Höchstarbeit verrichten. Sobald alle Bit und Bytes der HRS-Kamera zwischengespeichert sind, richtet Mars Express sich auf die Erde aus und schickt die gewonnenen Daten mit einer Sendeleistung von 20 Watt zur in Australien ansässigen Deep Space Ground Station der ESA. Dabei erfolgt die Datenübertragung mit einer maximalen Datenrate von maximal 230 Kilobit pro Sekunde im X-Band bei einer Frequenz von 7,1 GHz. Ein RAM-Speicher mit einer Speicherkapazität von 12 Gigabit, der Bestandteil des Bordrechners ist, gewährleistet die Zwischenspeicherung der Messdaten.

Die beiden kameraeigenen hochauflösenden Stereoköpfe basieren übrigens auf dem Scanner-Prinzip: Durch die Anordnung seiner neun Zeilensensoren quer zur Flugrichtung nimmt jeder dieser Sensoren aufgrund der Vorwärtsbewegung des Orbiters denselben Bildstreifen auf der Marsoberfläche nacheinander Zeile für Zeile auf. Dabei bildet jeder Sensor dasselbe Objekt auf der Oberfläche unter einem unterschiedlichen Blickwinkel ab. Am Boden werden dann aus fünf dieser Bildstreifen dreidimensionale Bilder erzeugt. Die verbleibenden vier der neun Zeilensensoren sind mit speziellen Farbfiltern für die Aufnahme multispektraler Daten versehen.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin) geleitet, der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hat, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Instituten und zehn Nationen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Hier erfolgt auch die systematische Datenprozessierung.

Mars - Planet der Mikroben? Bild: Nasa

Aktive Mikroben auf dem Mars?

Inzwischen bekräftigte der italienische Physiker Vittorio Formisano, der für das "Planetary Fourier Spectrometer" (PFS) von "Mars-Express" verantwortlich ist, gegenüber dem Focus-Magazin nochmals seine bereits schon vor einigen Monaten lancierte Vermutung, dass auf dem Roten Planeten mit hoher Wahrscheinlichkeit noch heute Leben existiert. Die Anwesenheit von Formaldehyd, das im Frühjahr dieses Jahres auf dem erdnahen Planeten entdeckt wurde, spräche dafür, da dieser Stoff, ein Oxidationsprodukt von Methan, gemeinhin als Biomarker gelte, der die Existenz von Organismen signalisiere.

"Wir konnten das Vorkommen von Methan in der Mars-Atmosphäre nachweisen und zudem berechnen, wie viel davon dort vorhanden ist", freute sich damals Formisano vom Institut für Physik und Interplanetare Wissenschaft in Rom, der das Gas mit dem PFS-Experiment nachweisen könnte. Hierbei wurden hauptsächlich die Bestandteile der Marsatmosphäre analysiert. "Im Schnitt haben wir Methan in einer Konzentration von 10 bis 10,5 ppb ("parts per billion" = 10 - 10,5 Teilchen Methan auf 1 Milliarde Teilchen von anderen Atmosphärengasen) gefunden."

Für Prof. Formisano ist das Resultat der Untersuchung nach wie vor ungewöhnlich, nicht zuletzt deshalb, da Methan aufgrund der intensiven ultravioletten Strahlung in der Mars-Atmosphäre wesentlich schneller abgebaut wird als auf der Erde. Auf dem Roten Planeten beträgt die photochemische Lebenszeit dieses Gases gerade mal rund 300 Jahre. Aus dieser Gegebenheit folgert Formisano, dass es auf dem Mars derzeit eine aktive Quelle geben muss, die das Gas kontinuierlich produziert: "Eine unbekannte Quelle muss also fortwährend Methan nachliefern, das dann in Formaldehyd umgesetzt wird."

Weniger ein Beweis, eher ein Indiz

Neben marsianen Mikroben etc. kommen zwar noch weitere potenzielle Quellen in Frage, die Methan generieren könnten. Zum einen könnte das Gas infolge vulkanischer Aktivitäten in die Atmosphäre gelangt sein. Allerdings hat bislang keine der ehemals aktiven und derzeit operierenden US-Marssonden Hinweise auf vulkanische Aktivität auf dem Mars gefunden. Auch die hochsensiblen Instrumente und hochauflösenden Kameras der überaus erfolgreichen ESA-Sonde Mars Express fanden keinen Beleg für gegenwärtigen Vulkanismus.

Selbst die bisher grob aufgelösten Temperaturkarten, die von der Mars-Oberfläche angefertigt wurden und auf denen immerhin einige wärmere Zonen zu sehen sind, deuten nicht auf derartige marsgeologische Vorgänge hin. Gleichwohl könnten sehr kleine Ausbrüche von Gas oder Lava den Aufnahmen allerdings entgangen sein. Aber nur bei einer kontinuierlichen Aktivität wären sie eine potenzielle Erklärung für gemessene geringe Konzentration des Methans in der Atmosphäre.

Formaldehyd könnte aber auch im Zuge anorganischer Prozesse entstanden sein, wie etwa beim Beschuss eines Gemischs aus Gasen und Eis durch kosmische Strahlung. Deshalb schwächte Formisano seine These jetzt doch noch ein wenig ab: "Meine Entdeckung ist deshalb nur ein starkes Indiz, aber kein Beweis für die Existenz von Leben."