Maskenkauf der Regierung: Chaotisch, dubios, sachfremd, unrealistisch?
Bundesrechnungshof wirft Gesundheitsministerium Misswirtschaft vor - mit Schäden in Milliardenhöhe
Das Gesundheitsministerium hat zu viel Geld für zu viel Schutzmasken ausgegeben. Dabei geht es um Milliarden, keine "Peanuts". Das geht aus einem zweiten Bericht des Bundesrechnungshofes über Corona-Ausgaben der Bundesregierung hervor. Eigentlich ist dieser an den Bundestag adressiert, er wurde aber an Medien weitergereicht. "Chaotisch", "dubios", "sachfremd" und "unrealistisch" lauten die Bewertungen, die ins Auge springen.
Das Gesundheitsministerium unter Leitung von Jens Spahn gerät gehörig in die Bredouille. Aufseiten des Ministeriums macht man die Zeitnot und die Hektik geltend, die die Situation prägte, als man die Schutzmasken beschaffte.
Zugunsten des Ministeriums ließe sich einwenden, dass zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020, als die Verunsicherung erste hohe Wellen schlug, die Empörung über fehlende Masken laut war und der Druck groß. "Wie kann es sein, dass ein Industrieland wie Deutschland mit seinen Produktionsstätten nicht in der Lage ist, genügend Masken für die Bevölkerung zu besorgen", war so ein wütender Satz, der öfter zu hören war.
Der Bundesrechnungshof lässt den Hinweis, wonach das Ministerium unter Zeit- und Handlungsdruck stand, aber nicht als Ausrede gelten. Der Übereifer bei der Maskenbeschaffung ("Überkompensation") lässt sich laut Prüfer damit nicht überzeugend erklären. Der war gigantisch und kommt dem Steuerzahler richtig teuer. Die Tagesschau zitiert aus dem Bericht der Prüfer eine riesige Kluft zwischen Bedarf und Beschaffung sowie ein miserables Timing:
Im Kern kritisieren die Prüfer, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Frühjahr 2020 viel zu viele FFP2-Masken und OP-Masken eingekauft habe und zwar zu einer Zeit, als diese weltweit besonders teuer waren.
Obwohl das BMG zunächst einen dringlich zu beschaffenden Drei-Monats-Bedarf von 75 Millionen FFP2-Masken und 200 Millionen OP-Masken feststellte, der an die Kliniken und Arztpraxen abgegeben werden sollte, verteilte das Ministerium so viele Beschaffungsaufträge, dass am Ende 5,8 Milliarden Masken an den Bund geliefert wurden.
Tagesschau
Der Spiegel berichtet zur Höhe der Kosten:
Zu den Beschaffungskosten von 6,3 Milliarden Euro kämen "Annexkosten" von bislang 320 Millionen Euro, die durch Rechtsstreitigkeiten und mögliche Entsorgungskosten für zu viel beschaffte und abgelaufene Ware weiter ansteigen könnten, heißt es.
Der Spiegel
Letzteres ist dann die Vorlage für die Pointe des Nachrichtenmagazins, die man Spahn schon einmal vorhielt: Milllionen Masken für den Müll. Der Steuerzahler muss dann aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch "für die 'fachgerechte Entsorgung'" aufkommen, so die Aussicht, die die Spiegel-Journalisten ans Ende ihres Berichts stellen.
Besonders böse glänzt im Kontext der Masken-Affäre das Wort "fachgerecht". Denn im Bericht der Prüfer, wie er von unterschiedlichen Investigativ-Berichten der Medien weitergegeben wird, steht im Zentrum, wie wenig fach- und sachgerecht das Ministerium in der ganzen Maskenbeschaffungs-Affäre vorgegangen ist. Weshalb auch die Ausrede mit der Zeitnot nicht gelte:
Das Problem war, dass das Gesundheitsministerium nach Ansicht des Rechnungshofes "über kein Verfahren zur systematischen Mengensteuerung" verfügte und plötzlich auf unterschiedlichsten Beschaffungswegen Masken besorgte.
So forderte es erst die Beschaffungsämter des Bundes auf, die Masken zu besorgen, dann kaufte das Ministerium selbständig bei Lieferanten ein. Später beauftragte es Logistikunternehmen, in China Ware einzukaufen. Schließlich kam noch ein so genanntes Open-House-Verfahren dazu, das allen Lieferanten anbot, zum Festpreis von je 4,50 Euro beliebig viele FFP2-Masken an den Bund liefern zu können.
Gerade für das letztgenannte Open-House-Verfahren war zunächst ein Budget von 500 Millionen Euro vorgesehen. Doch schon zehn Tage nach Start des Verfahrens erteilte der Bund Lieferanten 733 Zuschläge mit einem Volumen von mehr als 6,4 Milliarden Euro. Allerdings lieferten am Ende gar nicht alle, so dass dafür nur Kosten von knapp einer Milliarde Euro entstanden.
Tagesschau
Nicht nur dass für die Masken im Verglich zu den Marktpreisen zu viel Geld bezahlt wurde, wie schon im ersten Bericht des Bundesrechnungshofes angemahnt wurde (vgl. Corona-Krise: Wo sind die Intensivbetten?), sie wurden auch zu wenig geprüft, wie die SZ aus dem Bericht zitiert:
Ein erheblicher Teil der teuer gekauften Schutzkleidung ist offenbar sogar mangelhaft. Anfang April 2021 hatte das Ministerium laut BRH insgesamt 2,4 Milliarden Masken unterschiedlicher Kategorien eingelagert. Davon seien 941 Millionen Masken "streitbefangen" gewesen, schreiben die Prüfer. Das bedeutet: Diese Masken haben Qualitätskontrollen in Deutschland oder China nicht bestanden.
SZ
Das alles klinge nach "Chaos, Schlamperei und Fehlplanung", so die Zeitung aus München. Anhaltspunkte für dieses Fazit seien im Rechnungshofbericht zuhauf zu finden.
Damit dürfte die Affäre aber nicht beendet sein. Zu Anfang wurde noch das Wort "dubios" als Kennzeichnung erwähnt. Das betrifft die Auftragsvergabe. Zur Marktanalyse beschäftigte das Gesundheitsministerium ein Beratungsunternehmen, das die Marktpreise falsch einschätzte. Von Hintergründen hierzu hat die Öffentlichkeit nur Spärliches erfahren.
Noch brisanter ist die Rolle von jenen, die mit den üppigen Maskenaufträgen viel Geld verdient habe - nicht zuletzt wegen ihrer guten politischen Kontakte. Welche Rolle die Beziehungen im Masken-Schlamassel spielen, ist ein weiterer interessanter Aspekt des fach- und sachgerechten Vorgehens, das die Staatsbürger von ihren Ministerien erwarten. Umso mehr, als sie von der Regierung über Monate mit großem Druck dazu angehalten wurden, deren Vorgaben strikt zu befolgen.