Medien in Afghanistan: Lobbyismus oder Journalismus?

Seite 2: Gezielte Lobbyarbeit

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Neben Tolo TV gibt es am Hindukusch allerdings auch andere Medien, die in einer ähnlichen Art und Weise agieren. Ein weiteres Medium, was in dieses Schema fällt, ist Radio Azadi, früher auch bekannt als Radio Free Afghanistan. Der Radiosender, der auch eine starke Internetpräsenz hat, ist der afghanische Ableger von Radio Free Europe/ Radio Liberty (RFE/RL), einem weltweit agierenden Mediennetzwerk, welches vom US-Kongress gefördert wird.

In diesem Kontext muss man sich generell die Frage stellen, inwiefern Medien, die in Afghanistan nach dem Einmarsch der NATO entstanden sind und gefördert wurden, tatsächlich ernsthaften Journalismus betreiben oder lediglich Machtinstrumente verschiedener Akteure sind und deren politische Interessen vertreten.

Auffällig ist diesbezüglich auch die Tatsache, dass viele Journalisten, Korrespondenten und Redakteure aus einschlägigen Kreisen stammen oder teils miteinander verwandt sind. Während zum Beispiel Lotfullah Najafizada der Chefredakteur von Tolo TV ist, nimmt dessen Verwandter Harun Najafizada eine führende Position beim persischen Ableger von BBC, der ebenfalls eine wichtige Rolle in Afghanistan spielt, ein. Währenddessen ist ein weiteres Familienmitglied, Shoib Najafizada, der Afghanistan-Korrespondent des Spiegel. Letztgenannte fielen in der Vergangenheit vor allem durch ihr nahes Verhältnis zum Kriegsfürsten und ehemaligen Vizepräsidenten des Landes, Abdul Rashid Dostum, auf. Auch andere Journalisten, vor allem jene, die für ausländische Medien tätig sind, pflegen fragwürdig nahe Verhältnisse zu Militärs und Politiker und übernehmen in ihren Berichten deren Aussagen oftmals ohne jegliches Hinterfragen.

Screenshot der Homepage von Nunn.Asia

Mittlerweile lassen sich allerdings auch derartige Medien auf der "anderen Seite" finden. Das Online-Medium Nunn.Asia, welches vor allem in den Landessprachen Dari und Paschto publiziert, zählt auf Facebook mittlerweile über 220.000 Abonnenten. Laut eigenen Angaben ist das Nachrichtenportal "frei und unabhängig" sowie frei vom Einfluss jeglicher politischer oder religiöser Gruppierungen. An der Gründung im Jahr 2011 sollen Lehrer, Studenten und ein Team aus jungen Journalisten beteiligt gewesen sein.

In letzter Zeit wird Nunn.Asia jedoch des Öfteren unterstellt, ein "Taliban-Medium" zu sein. Kritiker sind überzeugt, dass zumindest eine gewisse Nähe zu den Aufständischen vorhanden ist. Dies hat allerdings nicht nur damit zu tun, dass oftmals auf deren Webseite einschlägiges Insiderwissen oder sympathisierende Zeilen zu finden sind, sondern auch mit der Tatsache, dass hier stets regierungs- und Washington-kritisch berichtet wird.

Bei all der berechtigten Kritik an Medien wie Tolo TV sind sich allerdings die meisten Medienschaffenden, egal welcher Couleur, im Land einig, dass Probleme in der Berichterstattung nicht mit Gewalt gelöst werden können - vor allem nicht mit einem derartig blutigen Massaker, wie es vor Kurzem stattfand. "Wenn die Taliban ein Problem mit unserer Berichterstattung haben, gibt es verschiedene Wege, um darauf aufmerksam zu machen", meinte eine langjährige Tolo-Journalistin in einem Interview. "Diese sieben Menschen zu ermorden, war keiner davon", fügte sie hinzu.