Megacities - Megarisks

Münchener Rück sorgt sich um den Versicherungsschutz der Millionenstädte

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Die Flutkatastrophe in Südasien hat in ihrem Ausmaß selbst schlimmste Befürchtungen und pessimistische Prognosen übertroffen. Das gilt in erster Linie für die zahllosen menschlichen Tragödien, dann aber auch für den materiellen Schaden, dessen astronomische Höhe die betroffenen Länder und die Weltgemeinschaft vor bis dahin unbekannte Herausforderungen stellt. Mit diesen sehen sich vielerorts auch die Versicherungsgesellschaften konfrontiert. Nach Einschätzung des weltgrößten Rückversicherers Münchener Rück war 2004 "das bisher teuerste Naturkatastrophenjahr der Versicherungsgeschichte". Schon vor dem Seebeben in Asien beliefen sich die versicherten Schäden auf über 40 Milliarden US-Dollar, mehr als 35 Milliarden wurden durch Hurrikane und Taifune verursacht.

Satellitenaufnahme von Tokio. Bild: Japan Aerospace EXploration Agency

Aus Anlass der World Conference on Disaster Reduction, die von den Vereinten Nationen vom 18.-22. Januar im japanischen Kobe veranstaltet wird, hat die Münchener Rück nun eine Studie mit dem Titel Studie Megacities - Megarisks: Trends and challenges for insurance and risk management herausgegeben.

Darin geht es um die Gefährdung der sogenannten Megastädte, die von der Versicherungsbranche als "hoch komplexe Großrisiken" betrachtet werden, weil Natur- und Umweltkatastrophen, Industrieunfälle und terroristische Anschläge in Ballungsräumen mit zehn Millionen oder mehr Menschen besonders verheerende Auswirkungen haben können. Schon befristete Klimaveränderungen - wie die Hitzeperiode im Sommer 2003 - führen in Großstädten zu unverhältnismäßig vielen Todesfällen, da sich die höheren Temperaturen, Luftverschmutzung und Unwetterrisiken unmittelbar auf die Gesundheit der Einwohner auswirken. Überflüssig zu erwähnen, dass hier auch Epidemien gute Chancen haben, sich schnell und unkontrolliert auszubreiten.

Als Beispiel für "große Schadensereignisse in Ballungsräumen" nennt die Versicherung das Erdbeben in San Francisco im Jahr 1906. Vor fast 100 Jahren starben etwa 3.000 Menschen, und der Sachschaden war so immens, dass die Münchener Rück 15% ihres damaligen Prämienvolumens zur Regulierung aufbringen musste. Das Erdbeben im japanischen Kobe, in dessen Verlauf 1995 6.000 Menschen ihr Leben verloren, wurde zur teuersten Naturkatastrophe aller Zeiten. Auch wenn die Versicherungswirtschaft in vielen Fällen nicht tätig werden musste, belief sich der volkswirtschaftliche Schaden schließlich auf über 100 Milliarden US-Dollar.

Licht von den Städten Asiens. Bild: Nasa

Wie diese Bilanz in extrem gefährdeten Städten wie Tokio oder Miami aussehen würde, kann derzeit nur vermutet werden. Allerdings steigen die Gefahren u.a. mit dem Bevölkerungswachstum, das sich in den kommenden Jahren weiter beschleunigen wird. Experten rechnen damit, dass in Seoul-Inchon (Südkorea), wo 2003 noch 20,3 Millionen Menschen registriert wurden, im Jahr 2015 24,7 Millionen leben. Sao Paulo (Brasilien) könnte von 17,9 auf 20 Millionen Einwohner anwachsen, Mumbai (Indien) von 17,4 auf 22,6, Delhi (Indien) von 14,1 auf 20,9, Jakarta (Indonesien) von 12,3 auf 17,5, Dhaka (Bangladesch) von 11,6 auf 17,9, Karatschi (Pakistan) von 11,1 auf 16,2, Kairo (Ägypten) von 10,8 auf 13,1 und New York immerhin noch von 21,2 auf 22,8.

Megacities werden in der aktuellen Studie auch deshalb als Megarisks eingestuft, weil im Fall der genannten oder vergleichbarer Katastrophen immer gleich mehrere Objekte und Versicherungszweige betroffen sind. Personen-, Haftpflicht- und Sachversicherer sehen sich in diesen Fällen einer "Kumulgefahr" ausgesetzt, deren Umfang schwer zu kalkulieren ist, so dass sie unter Umständen auch die Leistungsfähigkeit der Versicherer übersteigen könnte.

Um diese Ausgangslage zu verbessern, hat die Münchener Rück einen Naturgefahren-Risikoindex für Megastädte entwickelt und arbeitet darüber hinaus fortlaufend an präzisen Geokodierungen. Mit Hilfe von Computermodellen soll in jedem Einzelfall das Gefahrenpotenzial analysiert werden, um gegebenenfalls Haftungslimitierungen oder Risikoausschlüsse vereinbaren zu können. Darüber hinaus seien "innovative Versicherungslösungen" gefragt, so etwa Kautionsversicherungen zum Schutz von Investitionen in Großprojekte, Mikroversicherungen für Betriebe in den Entwicklungsländern oder die Schaffung von Zusatzkapazitäten und Möglichkeiten des Risikoausgleichs.

Die Abwehr der vielfältigen Gefahrenpotenziale, von denen übrigens nicht nur die Riesenstädte bedroht werden, ist natürlich keine Aufgabe, die allein von Versicherungen gelöst werden kann. Der Schutz der Megacities, Städte und Dörfer verlangt von den Gesellschaften insgesamt ein erhöhtes Risikobewusstsein und vorbeugende Maßnahmen - etwa in Form von Frühwarnsystemen, die schon in Südasien viele tausend Menschenleben hätten retten können.