Mehr "Dankbarkeit" gegenüber der "Super-Polizei"
Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann hält nichts von Vorschlägen für eine "neue Polizeikultur" in Bayern
Für die Staatsanwaltschaft und die Polizei war der Fall abgeschlossen (Verprügelt und anschließend wegen Widerstands angezeigt). Erst Medienberichte hoben die Ungeheuerlichkeit des Vorgehens der Rosenheimer Polizisten aus dem Aktendunkel noch einmal ans Tageslicht. Wird dies dem bayerischen Innenminister Herrmann vorgehalten, dann reagiert er scharf: Eine "Unverschämtheit" nennt er solche Behauptungen. Er hätte lieber mehr "Dankbarkeit" gegenüber seiner "Super-Polizei". Es ist klar, auf welcher Seite der Innenminister steht. Herrmann wirbt seit langer Zeit intensiv für die Verschärfung des Widerstandsparagrafen (Beleidigung als "psychische Gewalt").
Auf genau diesen Paragrafen hatten sich Polizei und Staatsanwaltschaft berufen, um dem Vorfall, bei dem vier unschuldige Personen von Polizisten im Zuge einer Ermittlung derart behandelt wurden, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben mussten, eine interessante Wendung zu geben: Die vier Opfer der polizeilichen Handgreiflichkeiten wurden wegen Widerstand angezeigt. Und damit war die Angelegenheit für die Behörden abgeschlossen.
Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung machte den Fall überregional bekannt. Die darauf folgende Diskussion über Vorgehensweisen der Polizei und Kontrollmöglichkeiten, die Bürger und Öffentlichkeit haben, gewann kurze Zeit später neue Nahrung. Ein anderer Fall sehr grober Behandlung durch Polizisten ging durch die Presse: Wieder in Rosenheim.
Ein Polizist wurde beschuldigt, dass er einem Teenager Zähne eingedroschen habe. Die Mutter des Opfers gibt an, dass sie mit eigenen Augen beobachtet habe, wie der Polizist den Kopf ihres Sohnes mehrmals gegen eine Wand geschlagen habe.
Nachdem auch die Oppositionsparteien darauf aufmerksam wurden, reagierte Herrmann mit der Bekanntgabe der Suspendierung des Rosenheimer Polizeichefs. Weswegen er nun von einer "Unverschämtheit" spricht, wenn ihm die Vertreterin der Grünen im bayerischen Landtag einen Mangel an Transparenz vorhält, weil die Regierung erst auf Presseberichte reagierte und unter öffentlichen Druck.
Hätten die Medien nicht berichtet, das unterliegt ihrer Annahme, so wären die Fälle schnell vergessen worden und die Polizei hätte weiterhin unbehelligt mit fragwürdigen Methoden arbeiten können. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass die Debatte im bayrischen Landtag über die Arbeit der bayrischen Polizei, einer besseren Transparenz dieser Arbeit und verbesserte Schutzmöglichkeiten von Zivilisten gegen Übergriffe gar nicht erst stattgefunden hätte, wäre nicht ein Opfer der rabiaten Polizeiaktion in Rosenheim selbst ein Polizist gewesen.
Ein Zufall, der dazu führte, dass dem Fall eine ganz eigene Glaubwürdigkeit zukam und dass er auf ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit stieß. Das kam dann auch dem Vorfall beim Rosenheimer Volksfest zugute, der sonst vermutlich kein solches Echo gefunden hätte. Dass nun weitere Fälle obskurer Gewaltanwendung seitens der Rosenheimer Polizei gemeldet werden, ist nur logisch. Vor ein paar Wochen wären sie schnell als unglaubwürdig abgetan worden.
"Neue Polizeikultur"
Die Landtagsdebatte, in der über die Polizeiarbeit gesprochen wurde, fiel sehr laut aus und führte dazu, dass sich die zuhörenden Opfer laut Zeitungsbericht sehr unwohl fühlten - sie weinten ob des Spektakels, dass sich ihnen darbot - und ihre Besucherplätze verließen. Tenor war offensichtlich die Sache nicht allzu hoch zu hängen und die ansonsten gute Polizeiarbeit in Bayern nicht zu diskreditieren. Darin waren sich offensichtlich sämtliche Parteien im bayerischen Landtag einig. Außer die Grünen, deren Sprecherin nicht nur allgemein eine "neue Polizeikultur" forderte, sondern ganz konkret eine Kennzeichnungspflicht der Polizisten durch Namen und Nummern.
Im Innenauschuss wurde der Antrag abgelehnt. Von CSU, FDP und Freien Wählern. Deren Sprecher sagte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, dass eine solche Pflicht zur Kennzeichnung für die Polizisten zu riskant sei, weil es zu Verwechslungen kommen und die falsche Person angeklagt werden könne. Die Gegner der Kennzeichnungspflicht befürchten, dass "Gewalttäter und Extremisten auch die Familien der Polizisten bedrohen könnten, wenn die Namen der Beamten bekannt wären".