Mehr Waffen schaffen keinen Frieden

Seite 2: Aufrüstung, Wehrpflicht, Männlichkeit?

Ihr mit euren Friedensgebeten seid nett, aber possierlich. Und Realpolitik heißt: Waffen liefern, Bundeswehr aufrüsten, klare Kante zeigen, am besten die Wehrpflicht wieder einführen. Das ist irgendwie männlich und überzeugend. Demonstrieren ist nicht so wirklich ernst zu nehmen.

Jetzt ist dann endlich die Zeit, den naiven Ostermaschierern mit ihren lächerlichen Regenbogenfahnen und Friedenstauben beizubringen, wie es in Wirklichkeit zugeht in der Welt, wie einem Putin klare Kante gezeigt wird.

Für mich sind die Menschen, die sich an Ostermärschen beteiligt haben, auch als sie kleingeredet und lächerlich gemacht wurden, die Tapferen.

Für mich sind die Friedensgebete Kronzeugen einer anderen Welt, in der nicht das Recht der Waffen, sondern die Friedfertigen am Ende überzeugen werden.

Für mich sind Lichterketten ein Zeichen der Liebe und der Hoffnung gegen alle Macht und Gewalt, die sich immer als die Stärkeren fühlen.

Der Volkskammerpräsident Horst Sindermann sagte nach der Friedlichen Revolution in der DDR: "Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten". Das bewegt mich bis heute.

Und deshalb werde ich weiter Kerzen anzünden, an Friedensgebeten und an Friedensdemonstrationen teilnehmen. Und all der Kriegslogik zum Trotz halte ich daran fest, dass mehr Waffen keinen Frieden schaffen.

"Selig sind, die Frieden stiften", sagte einst Jesus. Ich bin überzeugt: Das hat bis heute Gültigkeit.

Dass Aufrüstung und Armeen Frieden schaffen, bezweifle ich aber. Das mag Herr Merz für naiv halten. Aber in einer Demokratie habe ich das Recht auf diese Überzeugung und auch das Recht, sie öffentlich zu äußern, selbstverständlich um den Preis, lächerlich gemacht zu werden.

Margot Käßmann ist evangelisch-lutherische Pfarrerin und Theologin. Von 2009 bis 2010 war sie Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.