Mehr als ein Witz: US-Interesse an Grönland

Eine der F-15C, die auf der Keflavik Air Base stationert sind. Bild: USAF

Die kolonialistische Attitüde Trumps kam zwar nicht gut an in Grönland. Doch die Grönländer registrierten sehr wohl, dass ihr Wert steigt

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Hat noch jemand eine Insel zu verkaufen? Über Donald Trumps geplatzten Grönland-Deal ist inzwischen jeder mögliche Witz gerissen worden. Kenner der Region waren jedoch keineswegs überrascht. Und wer in die Geschichte sieht, darf auch folgern: Egal, welche Flagge offiziell über Grönland weht, die US-Interessen werden stets ganz oben stehen. Das gilt auch für die kleine Nachbarinsel Island, die am Mittwoch Besuch von US-Vize Mike Pence bekommt.

Der Twitteraccount des ehemaligen isländischen Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson hat nicht ganz so viele Follower wie der von realDonaldTrump. Der Mann ist heute Vorsitzender des Arctic Circle, einem Netzwerk zum Thema Arktis mit Sitz in Reykjavík.

Trumps Grönland-Interesse, bekanntermaßen zuerst nur mit Hinweis auf anonyme Quellen veröffentlicht, war für Ólafur Ragnar Grímsson nur die logische Folgerung der neuen US-Strategie in der Arktis, die sich erstmals offen im Arktischen Rat im Mai im finnischen Rovaniemi zeigte. Dort hielt US-Außenminister Mike Pompeo eine Rede, in der er Russland und China scharf angriff. Pompeo weigerte sich damals, die Erklärung zu unterzeichnen, die die Sorge um den Klimawandel zum Ausdruck brachte. Aber er unterstrich, dass die USA mitspielen wollten, wenn es um die Nutzung der Ressourcen und der Verkehrswege ging, die durch den Rückgang des Eises möglich werden.

Der Arktische Rat war bis dahin kein Gremium, das für Schlagzeilen sorgte. Die acht Polarkreisanlieger diskutieren dort in Arbeitsgruppen über Forschungszusammenarbeit, grenzübergreifende Rettungsmaßnahmen und Umweltschutz. Die indigenen Völker sind als eigene Gruppe vertreten. Es gilt das Konsensprinzip. Die gegensätzlichen militärischen Interessen wurden dort bisher ausgeklammert. Die Arktis sollte ein Gebiet bleiben, in dem die Spannungen möglichst außen vor bleiben. Pompeo brach mit allen Gepflogenheiten.

Ólafur Ragnar Grímsson hätte auch noch ein paar Monate zurückgehen können. Im Februar war Pompeo schon auf Island und versicherte den Isländern, man werde sie nie wieder vernachlässigen. Russland und China hätten dies ausgenutzt. Er war auch schon auf Grönland angekündigt, musste den Besuch aber wegen anderer Entwicklungen verschieben.

Militärische Bedeutung von Grönland und Island

Warum die USA an Grönland und Island interessiert sind, ist nicht schwer zu verstehen. Nur über das Radar auf der Thule Airbase in Nordgrönland lassen sich mögliche Angriffe aus Nordwest-Russland rechtzeitig entdecken. Im Kalten Krieg war dies eine riesige Basis mit bis zu 10.000 Menschen. Heute sind dort etwa 200 Soldaten stationiert. Das Radar wurde 2017 für 40 Millionen Dollar aufgerüstet.

Island liegt praktisch an der GIUK-Lücke: Der unsinkbare Flugzeugträger, von dem aus man nach russischen U-Booten auf dem Weg zur amerikanischen Küste späht. Die Basis Keflavik wurde von den USA zwar 2006 aufgegeben, doch inzwischen wird wieder investiert, auch in Wohnraum: Bis zu 1000 Soldaten sollen in Keflavik zwar nicht fest, aber vorübergehend untergebracht werden können.

Im Juni 2019 wurde die neue arktische Strategie des US-Verteidigungsministeriums veröffentlicht. Die USA besinnen sich darauf, dass sie nicht nur eine global aktive Supermacht, sondern auch ein arktischer Staat sind, dank des Kaufs von Alaska 1867. In der Arktis will man präsent sein, um das Homeland zu verteidigen, seine Interessen zu wahren und den Einfluss der "strategischen Mitbewerber" Russland und China zu begrenzen. Gerne in Kooperation mit NATO-Verbündeten und Partnern (USA wollen auch in der Arktis militärisch präsent sein).

Ein weiteres Zeichen: Nach Jahren der Diskussion wurde dieses Frühjahr der Auftrag für einen neuen schweren Eisbrecher vergeben, insgesamt sollen es drei große und drei mittelgroße werden. Aktuell besitzen die USA nur einen einzigen funktionsfähigen großen Eisbrecher, Polar Star. Dieser wird eingesetzt, um Forscher und Verpflegung zur amerikanischen Antarktisstation McMurdo zu bringen. Er ist mehr als 40 Jahre alt und gilt als extrem störungsanfällig, es brachen auch mehrfach Feuer an Bord aus. Daneben gibt es nur noch einen mittelschweren, Healy. Amerikanische Forscher, die in die Arktis wollen, müssen sich anderswo einmieten, beispielsweise auf dem schwedischen Eisbrecher Oden (aktuell Ryder-Gletscher, Nordgrönland).

Der Besuch von Mike Pence am Mittwoch auf Island soll dazu dienen, die strategische Bedeutung Islands in der Arktis zu unterstreichen, heißt es in der Pressemitteilung des Weißen Hauses zu der anstehenden Reise. Geplant ist ein Treffen mit dem isländischen Außenminister Guðlaugur Þór Þórðarson. und Präsident Guðni Th. Jóhannesson. Islands Premierministerin Katrín Jakobsdóttir wird ihn voraussichtlich nicht sehen: Sie ist als Hauptrednerin zum Treffen der nordischen Gewerkschaften in Malmö eingeladen, wo Island aktuell den Vorsitz hat. Es handele sich um eine Terminkollision, so die Regierungschefin zu diversen Medien. Pence' Besuch sei vom Außenministerium organisiert und hin- und hergeschoben worden, es sei schwierig gewesen, sich danach zu richten. Und sie habe im Februar ein sehr gutes Gespräch mit Mike Pompeo gehabt.

Möglicherweise wäre ihr Verschwinden nicht so aufgefallen, hätte es nicht diesen Riesenwirbel um Trumps Absage in Kopenhagen gegeben. Dass die Premierministerin eines Mini-Landes den Vizechef einer Supermacht zugunsten eines Gewerkschaftskongresses versetzt, wurde dann auch international kommentiert. Viele haben Zweifel an der "unglücklichen Terminkollision".

Politisch ist Katrín Jakobsdóttir von der aktuellen US-Regierung meilenweit entfernt: Sie ist Vorsitzende der isländischen Linksgrünen, die eigentlich für den Ausstieg aus der NATO sind, auch wenn klar ist, dass dies in der aktuellen Koalition nicht möglich ist. Beim Treffen mit Mike Pompeo hatte sie bereits vergeblich für eine Rückkehr der USA zum Pariser Abkommen geworben. Die Einstellung des Evangelikalen Mike Pence zu Rechten sexueller Minderheiten ist für Isländer zudem geradezu ein Kulturschock, und es sind bereits Proteste gegen ihn angekündigt. Katrín Jakobsdóttir bestritt aber stets, sich speziell vor Pence drücken zu wollen - sie sei nicht schüchtern.

Wachsendes Interesse der USA an Grönland

Zurück nach Grönland: Der Besuch von Trump in Kopenhagen findet nun bekanntlich nicht statt. Dort hätte er nicht nur Premierministerin Mette Frederiksen treffen sollen, sondern auch Kim Kielsen, Regierungschef des Landes, das er kaufen wollte. Er kam damit allerdings 150 Jahre zu spät, und es ist nicht verwunderlich, dass Mette Frederiksen diesen kolonialistischen Ansatz als absurd empfand. Grönland strebt bekanntlich nach Unabhängigkeit.

Die Sympathien der Öffentlichkeit waren in dieser Geschichte eindeutig bei der Dänin. Dass Mette Frederiksen immer wieder auf die gute Beziehung und die enge Partnerschaft mit den USA hinwies und Trump sogar anrief, zeigt das eigentliche Machtverhältnis. Dank Grönland ist Dänemark eine arktische Macht, die eine Aufmerksamkeit von Seiten der USA bekommt, die das europäische Kernland allein nie bekommen würde. Aber es ist keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Und während die Weltöffentlichkeit sich anderen Themen zuwandte, geht die Diskussion in Dänemark und Grönland weiter.

Der dänische Journalist und Grönland-Kenner Martin Breum beschreibt die aktuelle Aufgabenverteilung so: Die USA betrieben die Thule Airbase und schützten damit Grönland, aber vor allem sich selbst, gegen potenzielle Angriffe von jenseits des Pols. Dänemark kümmere sich um die Außengrenzen und die inneren Angelegenheiten des Landes, in Kooperation mit den gewählten grönländischen Vertretern, die immer selbstständiger werden. Dies habe bisher mehr oder weniger zu aller Zufriedenheit funktioniert, aber es könne sein, dass sich dies nun ändere.

Beginn dieser Kooperation in Grönland ist ein Dokument von 1941: Damals hatte Nazideutschland gerade Dänemark besetzt. Der dänische Gesandte in Washington unterzeichnete eine Vereinbarung mit dem US-Außenminister, die den damals noch neutralen USA den Bau von Landebahnen und Basen in Grönland gestattete. Absicht dahinter war, dass Grönland nicht in deutsche Hände fallen sollte. Das Abkommen wurde 1945 vom dänischen Rigsdag ratifiziert und 1951 sowie 2004 geändert. Den Kaufwunsch der USA lehnte Dänemark auch damals ab. Dänemark gehört aber zu den Gründungsmitgliedern der NATO. Und es gibt de facto nicht viel, was den USA in Grönland verwehrt wurde, seien es Flugzeuge mit Atombomben oder ein Reaktor unter dem Eis.

Das gewachsene Interesse der USA an Grönland zeigt sich auch in Details: So begann im Frühjahr eine Neuvermessung der eisfreien Gebiete mit Hilfe der National Geospacial Intelligence Agency (unter dem Dach des US-Verteidigungsministeriums). Davor profitiert Grönland, aber auch das amerikanische Militär. Die Einrichtung einer US-Vertretung in Nuuk ist geplant. Und die USA wollen sich auch am Bau neuer Flughäfen in Grönland beteiligen - um sie selbst militärisch mit zu nutzen.

Rohstoffe unter dem tauenden Eis

Die kolonialistische Attitüde Trumps kam zwar nicht gut an in Grönland. Doch die Grönländer registrierten sehr wohl, dass ihr Wert steigt. Noch immer ist das Land auf den Blockzuschuss aus Dänemark angewiesen, um seine Infrastruktur und das soziale System zu erhalten. Ausländische Investitionen, die Arbeitsplätze und Einkommen schaffen, sind gern gesehen. "Open for business, but not for sale", brachte es die Außenministerin auf den Punkt. Einzelne gehen aber sogar so weit, dass sie durchaus bereit wären zu prüfen, was die USA denn zu bieten hätten. Andere fürchten, die USA könnten zu anderen Methoden greifen, um Grönland doch noch zu bekommen.

Über Grönlands Rohstoffe wurde infolge der Trump-Offerte auch viel geredet und geschrieben. Die weitergehenden Selbstverwaltungsrechte von 2009 sollten es Grönland erlauben, Einkünfte aus dem Bergbau zu behalten. Damals träumte man vom großen Geschäft und schneller finanzieller Unabhängigkeit. Daraus ist bekanntlich noch nichts geworden.

Bodenschätze im Boden sind nicht automatische Gewinn in der Kasse. Bevor das erste Geld fließt, muss viel investiert werden, Infrastruktur und Fachpersonal vor Ort sind kaum vorhanden. Nur eine Handvoll Betriebe sind bereits aktiv oder kurz vor der Umsetzung. Extrem umstritten ist der Antrag auf den Abbau von Metallen Seltener Erden in Kvanefjeld/Kuannersuit. Denn dort liegt auch Uran, das mit abgebaut werden soll. Der Investor ist ein internationales Konsortium, die größten Anteile liegen bei zwei australischen und einem chinesischen Unternehmen. Das Projekt hätte massive Umweltauswirkungen, würde aber auch zusätzlich ausländische Arbeitskräfte benötigen, die irgendwo untergebracht und betreut werden müssten. Die grönländische Regierung hat dazu noch nicht entschieden.

Auch in Dänemark ist die Diskussion um das US-Interesse an Grönland noch lange nicht vorbei. Mette Frederiksen betonte auffällig oft, wie gut das Verhältnis zu den USA sei, wie wichtig die NATO-Partnerschaft, und dass man das gerne noch ausbauen wolle. Dass Donald Trump sie inzwischen als eine tolle Frau bezeichnet, könnte auch damit zusammenhängen, dass Dänemark gerade stärkeres militärisches Engagement in der Arktis angekündigt hat. Zudem hat Frederiksen klar gemacht, dass sie mit mehr amerikanischem Militär in der Arktis rechne.

Und während es früher nur die Hardliner waren, die eine feste Stationierung dänischer Kampfflieger auf Grönland forderten, so will inzwischen auch die sozialdemokratische Verteidigungsministerin so etwas nicht komplett ausschließen - auch wenn es eine extrem teure Investition für das kleine Land wäre. Damit kann Donald Trump zufrieden sein. Es ist auch viel billiger, als die ganze Insel zu kaufen.

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