Menschenrechts-Militärschläge gegen Gotteskrieger?
Über ethische Begründungen von Waffengängen
Kriegerische Unternehmungen berufen sich seit jeher gern auf uneigennützige Motive, auf edle Ziele. In älteren Zeiten diente dem vorwiegend die Bezugnahme auf eine überirdische Instanz, eine "göttliche Ordnung " sollte mit Gewalt durchgesetzt werden. Die Geschichte des Christentums ist voll von solchen Aktivitäten, "Kreuzzüge" wurden geführt, "Soldaten Christi" in Marsch gesetzt, "Gott mit uns" stand auf den Koppelschlössern.
Islamistische Milizen heute bewegen sich in dieser Ideenwelt. Anders geht es in aufgeklärten Nationen zu - hier werden säkulare ethische Verpflichtungen herausgestellt, um zum Einsatz von Waffen aufzufordern, Menschenrechte sollen mit militärischem Instrumentarium durchgesetzt werden oder Schutz finden.
Aktuell wetteifern in der westlichen Welt regierende oder zum Regieren strebende Politiker in diesem Diskurs um den persönlichen oder parteipolitischen Vorrang, so auch in der Bundesrepublik. Der Terror im Nahen Osten gibt Gelegenheit dazu. Bemerkenswert: Besonders eifrig treten dabei Wortführer einer Partei auf, die früher einmal Gewaltlosigkeit als ihr Kennzeichen proklamierte. Nun heißt es: Systematische Gräueltaten richtet der "Islamische Staat" an, also seien bewaffnete Interventionen erforderlich, wer da Bedenken anmeldet, habe ein Ethikdefizit.
Botschaften mit diesem Inhalt gehen täglich neu durch die Medien, aufgerufen wird zur Lieferung von Waffen in ein Konfliktgebiet (jetzt: an kurdische Organisationen), zu Luftschlägen gegen die Terroristen oder zum Einsatz von Soldaten (auch der Bundeswehr). Auf operative Einzelheiten verzichten solche Appelle, die Ethikpolitiker sind ja keine Experten für Einsatzbedingungen und Effekte von militärischen Eingriffen, sie sprechen durchweg grundsätzlich. Und darin steckt das Problem. Ihre Aufforderungen nämlich haben, folgen Regierungen diesen, durchaus Konsequenzen im blutigen Detail, zumeist solche, die ethisch nicht berechnet oder nicht berechenbar sind.
Hinzu kommt: Schwer zu durchschauen ist die Motivlage bei den Appellanten. Die Berufung auf menschenrechtliche Verantwortung (Humanbellizismus oder die neue Moralstrategie des humanen Krieges) stellt eine Schranke auf gegenüber kritischen Nachfragen, zum Beispiel: Ob vielleicht der Ruf nach bewaffneter Hilfe für Bedrängte im Nahen Osten weniger aus dem dortigen Konflikt und mehr aus innenpolitischem Kalkül hierzulande herrührt, aus der Absicht, sich im heimischen Politikdiskurs zu profilieren. Oder auch aus dem Bemühen, profanen geopolitischen Interessen eine höhere Weihe zu geben - "ethischer Imperialismus" hat eine lange Tradition, einst sollten "barbarische" Völkerschaften kriegerisch "zivilisiert" werden...
In der Gegenwart entziehen sich Ethikpolitiker mit ihren Aufforderungen zum Militäreinsatz für die Durchsetzung von Menschenrechten häufig der Prüfung, welche Resultate die von ihnen empfohlenen Maßnahmen zeitigten, sie haben eine Scheu vor dem Empirischen. Kriegerische Operationen werden menschenrechtlich begründet, jedoch nicht bilanziert im Hinblick auf ihre Folgen für die davon Betroffenen.
Realistischer Beobachtung zeigt sich: Menschenrechtlich sich präsentierender politischer Ethik kann das erste Recht von Menschen aus der Sicht geraten: Das Recht auf physische Existenz.