Assange auf freiem Fuß: Was die Freilassung des Wikileaks-Gründers mit dem Indopazifik zu tun hat

Julian und Stella Assange. Bild: @stella_assange

Druck aus Australien: Der Fall belastete die Beziehungen zwischen Washington und Canberra. Das wurde vor allem aus einem Grund zum Problem für die USA.

Nach der Freilassung des Gründers der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, kommen langsam Details der dramatischen Wende in dem Fall an die Öffentlichkeit. Assange selbst ist inzwischen in der australischen Hauptstadt Canberra eingetroffen. Dort wurde er von seiner Frau Stella und seinem Vater John Shipton empfangen. Beide hatten sich unermüdlich für die Freilassung des Journalisten eingesetzt.

Das Ende eines mehr als ein Jahrzehnt dauernden Rechtsstreits wurde von Applaus und Jubelrufen wie "Wir lieben dich, Julian" und "Willkommen zu Hause" begleitet, wie auf im Internet kursierenden Videoaufnahmen zu hören ist.

Zuvor hatte Assange ein US-Gericht auf der Pazifikinsel Saipan als freier Mann verlassen. Der Deal: Er bekannte sich schuldig, an einer Verschwörung zur Beschaffung und Veröffentlichung geschützter US-Regierungsdokumente beteiligt gewesen zu sein, viele davon mit militärischem Hintergrund.

Aufgrund der bereits verbüßten Haftzeit im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh wurde er nur für die schon verbüßte Zeit verurteilt. Die ursprüngliche Anklage in den USA hätte bei einer Verurteilung eine Strafe von bis zu 175 Jahren nach sich gezogen, zeitweise wurde sogar die Todesstrafe in den USA befürchtet.

Unmittelbar nach der dreistündigen Anhörung auf Saipan zog die US-Regierung ihren Auslieferungsantrag an Großbritannien zurück und ließ alle verbliebenen Anklagepunkte fallen. Gleichzeitig wurde gegen Assange ein Einreiseverbot in die USA verhängt. Der australische Journalist begab sich direkt zum Flughafen und traf am Mittwochabend Ortszeit in Canberra ein.

Assange war an Bord eines privat gecharterten Bombardier-Jets nach Saipan geflogen, begleitet von seinem Rechtsteam, dem australischen Botschafter in den USA, Kevin Rudd, und dem Vertreter Australiens in London, Stephen Smith.

Nach der Rückkehr trat seine Frau Stella Assange gemeinsam mit seinen Anwälten Jennifer Robinson und Barry Pollack vor die Presse. Sie bedankten sich bei den Unterstützern. Gleichzeitig bat Stella Assange, die Privatsphäre ihres Mannes zu respektieren:

Julian braucht Zeit, um sich zu erholen. Um sich an die Freiheit zu gewöhnen. Jemand, der Ähnliches erlebt hat, hat mir gestern gesagt, dass das Gefühl der Freiheit langsam kommt. Und ich möchte, dass Julian den Raum hat, die Freiheit langsam – und schnell – wieder zu entdecken.

Stella Assange

Robinson dankte dem ehemaligen australischen Premierminister Kevin Rudd, der jetzt australischer Botschafter in den USA ist, und dem amtierenden Premierminister Anthony Albanese.

Albanese zeigte sich beeindruckt von den Ereignissen der letzten Tage. Er sei der Erste gewesen, der mit Assange sprechen konnte, "unmittelbar, nachdem die Räder (des Jets) den Boden berührt hatten". Und weiter:

Seine sichere Rückkehr nach Australien bedeutet so viel für seine Familie. Seine Frau Stella, seine Kinder, auf die er sich wie jeder Vater freut, und seine Eltern, Christine und John.

Anthony Albanese

Assanges Vater John Shipton äußerte vor dessen Ankunft die Hoffnung, dass sein Sohn nach seiner Rückkehr "normale Dinge" tun werde. Es wird das erste Mal sein, dass Assange seine beiden Söhne außerhalb des Gefängnisses trifft.

Auf X bat Stella Assange um Unterstützung bei der Begleichung der "massiven Schulden von 520.000 US-Dollar" gegenüber der australischen Regierung für den Charterflug – Assange durfte nicht auf kommerziellen Flügen nach Saipan und weiter nach Australien reisen.

Im Parlament sagte Albanese am Mittwoch, die Australier seien geteilter Meinung über den erzielten Justizdeal. Sie würden aber mehrheitlich die Freilassung ihres Landsmannes unterstützen.

Seit wir vor zwei Jahren unser Amt angetreten haben, hat sich meine Regierung auch auf höchster Ebene für eine Lösung eingesetzt. Wir haben alle geeigneten Kanäle genutzt.

Anthony Albanese

Der australische Premierminister hatte die politische Inhaftierung von Assange auch gegenüber US-Präsident Joe Biden angesprochen. Zudem hatten Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum Australiens im vergangenen Jahr in Washington Druck gemacht, damit Assange freikommt.

"Das ist die Art und Weise, wie man für Australier auf der ganzen Welt eintritt", sagte Albanese. "Es bedeutet, die Arbeit zu erledigen, Ergebnisse zu erzielen und die Entschlossenheit zu haben, am Ball zu bleiben.

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Und ich bin sehr froh, dass wir dieses Mal ein positives Ergebnis erzielt haben, von dem ich glaube, dass es die überwältigende Zustimmung der Australierinnen und Australier finden wird".

Wikileaks teilte ein Bild auf X, auf dem Assange Robinson nach seiner Freilassung umarmt, mit Rudd lächelnd im Hintergrund. Assange äußerte sich weder vor noch nach dem Verlassen des Gerichtssaals gegenüber den wartenden Medien. Aber Robinson dankte der australischen Regierung und der weltweiten Solidaritätsbewegung – sie hätten Assange letztlich aus der Haft befreit:

Es ist eine große Erleichterung für seine Familie, seine Freunde, seine Unterstützer, für uns und für alle, die weltweit an die Meinungsfreiheit glauben, dass er nun nach Hause nach Australien zurückkehren und mit seiner Familie wiedervereint werden kann.

Jennifer Robinson

"Ich hoffe, dass die Tatsache, dass wir Julian Assange heute gegen alle Widerstände und gegen eine der weltweit mächtigsten Regierungen freilassen konnten, allen inhaftierten Journalisten und Verlegern weltweit Hoffnung gibt", fügte sie hinzu.

In der Tat war das Engagement der australischen Regierung entscheidend. Premierminister Albanese hatte bereits im Februar die scheinbar endlose Verschleppung des Falles kritisiert und sich für die Freilassung Assanges eingesetzt.

Australien in Disput mit London und Washington

Damit ging er deutlich auf Konfrontationskurs zur Position Großbritanniens und der USA, von denen Assange wegen Spionagevorwürfen eine lebenslange Haftstrafe gedroht hatte. Die britische Innenministerin Priti Patel hatte noch im Juni 2022 grünes Licht für eine mögliche Auslieferung Assanges gegeben.

Albanese, der sich auch die Unterstützung der Oppositionsparteien sicherte, machte das Thema zur Chefsache und sprach es bei einem Staatsbesuch in Washington im Oktober 2023 an.

Im Februar stimmte das australische Parlament für einen Appell an die USA und Großbritannien, Assange die Rückkehr nach Australien zu ermöglichen. Laut Greg Barns, Anwalt der australischen Assange-Kampagne, war es dieser politische Druck, der Bewegung in den Fall brachte.

Diplomatische Bemühungen

Hinter den Kulissen liefen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. Nach Berichten der Nachrichtensender CNN (USA) und BBC (GB) sprachen australische Diplomaten die Situation Assanges bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegenüber der Biden-Regierung an.

Wichtige Botschafter wie der ehemalige Außenminister Stephen Smith und der ehemalige Premierminister Kevin Rudd spielten dabei eine Schlüsselrolle. Smith hatte Assange im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh besucht und Rudd war bei Assanges Prozess in Saipan anwesend.

Geopolitische Aspekte und die Rolle der Justiz

Die geopolitische Lage, insbesondere das Bestreben der US-Regierung, die Beziehungen zu Australien zu stärken, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Der Fall Assange hatte die Beziehungen zwischen den USA und Australien zunehmend belastet – zu einer Zeit, in der um die westliche Vorherrschaft im Indopazifik und die Eindämmung Chinas gerungen wurde.

Ungeachtet dieser diplomatischen Interessen beharrte die US-Regierung Beobachtern zufolge lange Zeit auf ihrer bekannten Position: Man werde sich nicht in die Arbeit des Justizministeriums einmischen.

Auf juristischer Ebene kam der Durchbruch am 20. Mai, als der Londoner High Court Assanges erneute Berufung gegen seine Auslieferung an die USA zuließ. Das Urteil setzte beide Seiten unter Druck, einen Deal auszuhandeln.

Ein Kernpunkt der juristischen Auseinandersetzung war die Frage, ob sich Assange als Ausländer auf das in der US-Verfassung verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung berufen kann. Eine Verhandlung darüber hätte den Prozess erheblich in die Länge ziehen können, sagte Nick Vamos, ehemaliger Leiter der Auslieferungsabteilung des britischen Crown Prosecution Service, der BBC.

Schließlich kam es zu dem bekannten Deal: Assange legte ein Teilgeständnis ab und erhielt im Gegenzug seine Freiheit zurück.