Mexiko mit zwei Präsidenten
Die Anhänger des Linkskandidaten erkennen das Wahlergebnis nicht an. Eine Million Mexikaner haben auf einen Konvent in Mexiko-Stadt eine Schattenregierung eingesetzt
Etwa eine Million Mexikaner haben am Samstag den Führer der Linkskoalition Andrés Manuel López Obrador (AMLO) zum „legitimen Präsidenten“ ausgerufen. Am 20. November, dem Jahrestag der Revolution von 1910, will sich der Präsident der Schattenregierung einsetzen lassen, zehn Tage bevor der Konservativen Felipe Calderón offiziell das Amt von Vicente Fox übernimmt. Kritik daran kommt auch aus der eigenen Partei.
Bisher kam es nicht zum offenen Schlagabtausch zwischen den Anhängern des offiziellen Wahlsiegers Calderón und den Anhängern der Linkskoalition "Für das Wohl aller", hinter der federführend die "Partei der Demokratischen Revolution" (PRD) steht. Beide Seiten vermeiden die Eskalation. So hatte der scheidende Präsident Fox kürzlich den Einsatz des Militärs ausgeschlossen, um die politische Krise des Landes beizulegen, die sich in den Widerstandscamps der Linken manifestierte. Die hielt auch den Zócalo besetzt, das politische Zentrum der Hauptstadt.
Fox verzichtete im Vorfeld darauf, am letzten Freitag auf dem Zócalo den traditionellen Unabhängigkeitsruf zum Nationalfeiertag zu proklamieren. Der Akt wurde als Signal der "Versöhnung" in die Stadt Dolores Hidalgo verlegt. Dort war einst der Aufstand losgebrochen und zur Erinnerung daran wurde das "Viva Mexiko" vom PRD-Bürgermeister der Hauptstadt Alejandro Encinas gerufen.
Auf der anderen Seite verzichtete Obrador darauf, wie geplant vor seinen Anhängern auf dem Zócalo den alternativen "Grito" durchzuführen. Die Linke ging noch einen Schritt weiter und löste vor dem Wochenende die Widerstandscamps auf, um am Unabhängigkeitstag der üblichen Militärparade auf den Straßen und dem Zócalo Platz zu machen.
48 Tage hatten viele Mexikaner in den Camps gegen den "Wahlbetrug" vom 2. Juli protestiert. Nach drei Monaten hatte kürzlich das Wahlgericht Calderón von der "Partei der Nationalen Aktion" (PAN) zum knappen Sieger erklärt. Nachdem 9 % der Wahlurnen nachgezählt wurden, war der knappe Vorsprung von Calderón weiter geschmolzen und soll nun 0,56% betragen. Über 758 Einsprüche wurde noch immer nicht entschieden. Doch die mögliche Eskalation wurde vertagt. Am 20. November, dem 96. Jahrestag der mexikanischen Revolution, wollen zahllose Menschen Obrador zum Präsidenten küren. So hat es der "Nationale Demokratische Konvent" am späten Samstag auf dem Zócalo beschlossen. Aus der gesamten Republik waren etwa eine Million Menschen angereist und per Handzeichen sicherten sie Obrador ihre Unterstützung zur Bildung einer "parallelen Übergangsregierung" zu. Die will eine neue Verfassung für eine neue Republik ausarbeiten. Unter Beifall sprach Obrador von einem "historischen Tag", an dem "das aktuelle Regime der Korruption und der Privilegien abgeschafft" worden sei. Die Hälfte der 103 Millionen Einwohner lebt in bitterer Armut.
Geplant ist nun "die gesamte Energie der Bewegung" in Widerstandstagen um den 20. November "gegen die Usurpation" zu bündeln. Die Proteste sollen am 1. Dezember ihren Höhepunkt erreichen, wenn Calderón offiziell das Amt vom Parteifreund Fox übernehmen soll. Eine massive Mobilisierung soll diesen Akt genauso verhindern, wie kürzlich den Auftritt von Fox im Parlament (Calderón auf dem Weg zum Präsidentenamt in Mexiko).
Vertreter der konservative PAN-Regierung bezeichneten die Ankündigungen als "illegal". Obrador solle aufhören, "neue Institutionen zu erfinden" und "Respekt vor den Institutionen" zeigen. Auch der PRD-Gründer Cuauhtémoc Cardenas kritisiert Obrador. Er bezeichnete die Parallelregierung als einen "eklatanten Fehler". Der werde hohe Kosten für die demokratische Bewegung und die PRD mit sich bringen, kündigte er an.