Anzeichen für Wahlbetrug mehren sich
Bei der Kontrollzählung von 9 % der Urnen wurden zahllose Anomalien festgestellt, Opposition kündigt Proteste bis Mitte September an
Mindestens bis Mitte September will der Linkskandidat Andrés Manuel López Obrador (AMLO) seine Proteste für eine Neuauszählung der Präsidentschaftswahl in Mexiko fortsetzen. Bei der bisherigen Kontrollzählung von 9 % der Urnen wurden viele Anomalien festgestellt. Illegale Stimmzettel wurden in großen Zahl gefunden, Stimmen für die Linkskoalition waren anderen Kandidaten zugeordnet, Schon jetzt seien so viele gefälschte Stimmen beisammen, um den angeblichen Sieg mit 0,58 % (244.000 Stimmen) Vorsprung des konservativen Felipe Calderón zu überflügeln, sagt die Linkskoalition. Vor zehntausenden Anhängern forderte Obrador in Mexiko-Stadt erneut die vollständige Auszählung aller Stimmen. Der Protest verschärft sich und im Bundesstaat Oaxaca wurde erneut ein Demonstrant erschossen.
Der Spruch des mexikanischen Bundeswahlgerichts war zunächst wie eine kalte Dusche für die Linkskoalition „Für das Wohl aller“, hinter der federführend die „Partei der Demokratischen Revolution" (PRD) steht. Statt der Neuauszählung aller Stimmen, ordnete das Gericht nur eine neue Auszählung von 9 % der Urnen an. Seit den Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli protestieren zahllose Mexikaner für eine gesamte Überprüfung der Wahlen, bei denen es offensichtlich sogar bei der ersten Kontrollzählung zu so großen Unregemäßigkeiten kam, dass das Wahlgericht auch deren Wiederholung anordnete (Blockaden in Mexiko).
Doch mit dem Verlauf der Auszählung, ein Ergebnis dieser neuen Kontrollzählung liegt noch immer nicht vor, wird deutlicher, dass das Ausmaß der Schummeleien oder der Betrug so große Ausmaße angenommen hat, dass ein anderer Ausgang der Wahl möglich ist, auch wenn der Präsident des Wahlrats Calderón schon vorzeitig zum Sieger erklärt hatte.
Nach der teilweisen Kontrollauszählung hatte die Linkskoalition schon am Sonntag mitgeteilt, dass von den 8.621 bis dahin ausgezählten Urnen in fast 6.000 Anomalien festgestellt wurden. Schon jetzt seien davon fast 115.000 Stimmen betroffen, die falsch ausgezählt worden seien. Zu diesem Zeitpunkt fehlten noch immer mehr als 3.000 Urnen, um die Kontrolle von 9% aller Urnen abzuschließen. Würde man diese Abweichungen auf alle Urnen hochrechnen, wären weit über eine Million der Stimmen betroffen. Der angebliche Vorsprung von Calderóns regierenden „Partei der Nationalen Aktion“ (PAN) vor Obrador soll aber nur bei 4.000 Stimmen liegen. Neben Verschiebungen von Stimmen von Obrador auf andere Kandidaten sticht besonders hervor, dass in etwa 3.000 Kontrollurnen fast 46.000 illegale Stimmzettel gefunden wurden. Das allein sind 15 % falsche Stimmen in fast 30 % der kontrollierten Urnen. Das reiht sich zu den Merkwürdigkeiten beim Wahlrat ein, dem mehr als zwei Millionen abhanden kamen. Angesichts der gesamten Vorkommnisse kann von gezieltem Wahlbetrug in großem Stil gesprochen werden, wie einst im Bundesstaat Tabasco. Und bei der Kontrollzählung passiert nun das gleiche, was schon bei der eigentlichen Auszählung im Juli gemacht wurde. Auch das Ergebnis der 9% Kontrollzählung wird nicht wie geplant bekannt gegeben, hat das Wahlgericht nun mitgeteilt. Erst bis morgen werden alle Akten im Gericht ankommen und dann wird irgendwann entschieden, wann, welches Ergebnis bekannt gegeben wird. Klar ist, dass nach dem Wahlgesetz bis zum 6. September der Namen des neuen Präsidenten genannt werden muss.
Obradors Linkskoalition vermutet nach den vielen Winkelzügen der Wahlkommission und der Gerichte, dass trotz vieler Anomalien Calderón ohne eine komplette Neuauszählung zum Sieger erklärt werden könnte. Seit Anfang des Monats blockieren dessen Anhänger die Hauptstadt und weiten die Proteste nun auf das gesamte Land aus. Inzwischen wurden, neben den Blockaden durch die 47 Widerstandscamps, auch Zahlstellen der Autobahn blockiert. Die Fahrzeuge dürfen passieren, ohne zu bezahlen. Auch die großen Banken werden teilweise blockiert, um ökonomischen Druck auszuüben.
Die Mexikaner wurden aufgerufen, an dem Tag landesweit zu demonstrieren, an dem ein offizielles Wahlergebnis bekannt gegeben wird. Für den 1. September mobilisiert die Linke, wenn der Noch-Präsident Vicente Fox (PAN) seinen sechsten Rechenschaftsbericht vor dem Parlament vorstellen wird, zu neuen Protesten in die Hauptstadt. Der Zeitplan der Proteste erstreckt sich nun bis zum 16. September - dem mexikanischen Unabhängigkeitstag. Dann soll eine „nationale demokratische Versammlung“ einberufen werden, falls die Gerichte und die Wahlkommission den „Betrug“ legalisieren, erklärte Obrador am Sonntag vor zahllosen Anhängern am Sonntag in Mexiko-Stadt. Der zivile Protest könne „noch Jahre“ andauern, wenn nicht alle Stimmen ausgezählt würden, warnte Obrador.
In der südmexikanischen Stadt Oaxaca spitzt sich die Lage erneut stark zu. Dort wurde am Donnerstag während einer Demonstration erneut ein Demonstrant erschossen. In dem südlichen Bundesstaat demonstrieren Lehrer seit Monaten für bessere Bedingungen und ihr Protest vermischt sich nun mit denen der Linkskoalition und immer wieder gab es tote Demonstranten (Spannung steigt vor den mexikanischen Wahlen).