Militärische Konflikte auf dem Vormarsch: Die Welt aus dem Griff des Kriegsregimes befreien

Seite 2: Kriegsgefahr in Europa: Das sind die offenen Fragen

Doch wie ernst sind beispielsweise Russlands Drohungen zu nehmen, nukleare Waffen – möglicherweise sogar nukleare Hyperschallwaffen – im Krieg in der Ukraine einzusetzen?

  • Wie ernst zu nehmen sind Drohungen einzelner führender russischer Politiker, sogar westliche Staaten, auch Deutschland, mit Atombomben anzugreifen?
  • Wie gefährlich sind Nordkoreas Drohungen und Raketentests (Reichweite bis in den Osten der USA)?
  • Welche Rolle könnten die chinesischen Hyperschallwaffen mit nuklearen Sprengköpfen im Konflikt um Taiwan und im südchinesischen Meer spielen?
  • Wird die drohende Stationierung von Hyperschallraketen in Deutschland oder in Polen nicht auf der konventionellen Ebene beschränkt bleiben, sondern letztlich zu einem Dual-Use-System unter Einbezug nuklearer Sprengköpfe führen?
  • Müsste dies alles nicht ernsthaft geprüft werden? Aber: Welche Informationen, Überprüfungs- und Kontrollmechanismen sowie Kriterien haben wir, um diese Fragen zu beantworten?
  • Müssten Antworten auf diese Fragen nicht Konsequenzen für die internationale Diplomatie und Friedenspolitik haben?

Wenn die Eskalationsspirale weiter voranschreitet und die Drohungen ernst zu nehmen sind, dann bestünde eine Antwort darin, so wie es die Politikwissenschaftler-Kollegen Herfried Münkler und Carlo Masala/ Frank Sauer fordern, Europa weiter aufzurüsten und die nuklearen Optionen auszubauen.

Das würde der Realismustheorie der internationalen Beziehungen folgen. Friede durch Abschreckung. Aber wollen wir das? Was ist, wenn sich die Technologie der Abschreckung in gefährlichen Händen befindet oder sich gar durch Softwarefehler und insbesondere manipulierte KI verselbstständigt? Sind Menschen nicht in der Lage, ohne das Eingehen solcher Risiken Frieden zu halten?

Lösungswege über die Vereinten Nationen

Eine alternative Möglichkeit zu einer ungebremsten Aufrüstungsspirale liegt in der Demokratisierung und gleichzeitigen Stärkung der Vereinten Nationen.

Die Erfahrung mit dem Ausbruch gewalttätiger Konflikte bis hin zu regelrechten Kriegen zeigt, dass im Zuge des Wegfalls oder der Schwächung vorhandener Herrschaftsstrukturen, also in der Situation eines entstehenden Machtvakuums, in der Regel militante und nicht legitime Kräfte versuchen die Macht an sich zu reißen.

Auch wenn ein Machtungleichgewicht entsteht, vergrößert sich die Gefahr, geostrategischer und ökonomischer Begehrlichkeiten seitens des deutlich mächtigeren Staates.

Daher ist es – konsequent zu Ende gedacht – künftig notwendig, dass eine übergeordnete, demokratisch streng kontrollierte Macht, im Auftrag der Weltgemeinschaft die weltpolizeiliche Sicherung übernimmt, will die Welt nicht in einer Vielzahl sich steigernder Kriege und einer zunehmenden militarisierten Globalisierung mit fatalem Ausgang versinken.

Dies gilt ebenfalls für den Krieg des Menschen gegen die Natur und dem Versuch, die verheerende ökologische Antwort in Form der Klimakrise einzudämmen.

Der Weg kann nur über eine einschneidende Strukturveränderung der UN stattfinden, die von professionellen NGOs, überregionalen und lokalen zivilgesellschaftlichen Bewegungen im Zusammenspiel mit hieran interessierten Parlamenten und Regierungen Schritt für Schritt zu erfolgen hat.

Sicherlich ist der Weg dorthin beschwerlich und voller Hindernisse. Massive politische, militärische und ökonomische Interessen stehen dagegen.

Vorschläge hierzu gibt es innerhalb und außerhalb der UN zahlreich.2

Sie betreffen vor allem die Reform des UN-Sicherheitsrats, der internationalen Gerichtsbarkeit unter dem Dach der UN und die Finanzierung der UN. Weitere Vorschläge sind ebenfalls durchaus ausgearbeitet, siehe u.a. die Aktivitäten von "Democracy Without Borders" zur globalen Demokratie über ein UN-Parlament (UNPA-Kampagne), die geforderte Einführung einer Weltbürgerschaft und Initiativen globaler direkter Demokratie oder die differenzierten Vorschläge der Friedensinitiative von "Sicherheit neu denken" u.a. in Bezug auf Weltinnenpolitik und weltpolizeiliche Maßnahmen.

Auch die Relevanz und Bedeutungssteigerung des Zusammenspiels von zivilgesellschaftlichen Initiativen und NGOs und vorhandenen UN-Institutionen, wie dem Wirtschafts- und Sozialrat (Ecosoc), stellen Möglichkeiten zur Demokratisierung der UN dar.3

Möglicherweise weist die sich immer noch in der Entwicklung befindliche EU den Weg in eine solche Zukunft. Derartige, Kriege zwischen den beteiligten Staaten verhindernde, Zusammenschlüsse müssten sich weltweit in fünf bis sechs Weltregionen entwickeln, die wiederum in ihrem Zusammenwirken die Kraft für eine Reform der UN aufbringen.

Eine Chronologie zukünftiger UN-Reformen

Die chronologische Skizzierung einer entsprechenden Reform hin zu einem fairen multipolaren System unter dem Dach der UN könnte wie folgt aussehen:

Der erste Schritt würde in der Einrichtung eines Zweikammer-Systems - also der UN-Generalversammlung mit den Delegierten der nationalen Regierungen und einem global in freien und allgemeinen Wahlen gewählten Parlament – bestehen. Das sich gegenseitig kontrollierende Gesetzesinitiativen hervorbringende und wählende Zweikammersystem wäre die Grundlage einer zukünftig zu demokratisierenden UN.

Ein nächster Schritt bestünde im Aussetzen des Veto-Rechts eines angreifenden Ständigen Mitglieds des UN-Sicherheitsrats, wie im Falle der Russischen Föderation, wenn ein Beschluss diese Konfliktsituation betreffend zu fassen ist.

Ein weiterer Schritt würde – nach einiger Zeit – im grundsätzlichen Wegfall des Veto-Rechts privilegierter Sicherheitsratsmitglieder und in der gleichberechtigten Wahl aller Sicherheitsratsmitglieder durch die beiden UN-Kammern erfolgen. Die Unterscheidung zwischen ständigen und wechselnden Sicherheitsratsmitgliedern würde hiermit abgeschafft.

Im Zuge dieser verschiedenen Schritte gilt es dann auch, eine streng kontrollierte und umfassend legitimierte Weltpolizei in Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden, NGOs und Initiativen zu bilden, die auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates eingreift, wenn die Menschenrechte und das Völkerrecht massiv beeinträchtigt werden.

Parallel hierzu sind Kontroll- und Abrüstungsverträge wieder in Kraft zu setzen und in einem nächsten Schritt noch konsequenter zu fassen. Zunächst sind hierbei die Nationalstaaten von ihren gefährlichsten Waffensystemen zu trennen, die es in kontrollierten Prozessen zu zerstören gilt – vor allem natürlich zunächst die nuklearen Waffenarsenale betreffend. Der sich in der fortschreitenden Unterzeichnungs- und Ratifizierungsphase befindliche UN-Atomwaffenverbotsvertrag wäre dann hierfür der erste notwendige Schritt gewesen.

Wenn ein Empowerment der UN-Generalversammlung im Zusammenspiel mit einem in freien Wahlen zu bestimmenden UN-Parlament stattgefunden hat, könnte von einem derartigen Zweikammersystem ausgehend, das sich gegenseitig kontrolliert und die wesentlichen Entscheidungsprozesse auf den Weg bringt, auch eine Art demokratisch zu wählende und rechtsstaatlich kontrollierte Weltregierung um das UN-Generalsekretariat herum aufgebaut werden.

Der UN-Generalsekretär und die Regierungsvertreter in den einzelnen Ressorts – auf Vorschlag des Generalsekretärs – wären dann von dem UN-Parlament zu wählen und von der UN-Generalversammlung zu bestätigen.