Militärische Konflikte auf dem Vormarsch: Die Welt aus dem Griff des Kriegsregimes befreien

Militärdominanz könnte zu globalen Kriegsregime führen. Davor warnte der Philosoph Antonio Negri. Aber wie kann die drohende Katastrophe abgewendet werden? Ein Essay.

Der Mitte Dezember verstorbene italienische Philosoph Antonio Negri warnte von einem globalen Kriegsregime, das die Welt mehr und mehr erfasse. Imperiale Staaten und Mächte suchten derzeit im Zuge des schwindenden Einflusses der USA den eigenen Herrschaftsbereich auszudehnen. Die Globalisierung militarisiere sich.

Ein Krieg bedeutet – in Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher István Kende – eine gewalttätige Konfliktaustragung und ist ein gewaltsamer Massenkonflikt, wobei zumindest ein Staat Konfliktpartei ist, zentralisierte Organisationsstrukturen der Konfliktparteien vorhanden sind und Streitkräfte geplant und strategisch über einen längeren Zeitraum operieren.1 Der Krieg ist die extremste Form unterschiedlicher Konfliktaustragungen und ist Ausdruck des Scheiterns diplomatischer Bemühungen.

Der Prozess einer Ausdehnung militärischer Konfliktlösungen ist allerdings schon lange im Gange und im Laufe des 21. Jahrhunderts hinsichtlich der quantitativen Ausprägung kaum verändert. So werden für 2022 in der internationalen Statistik 362 Konflikte (leicht, mittelschwer, schwer) weltweit gezählt.

Dies liegt etwas über der durchschnittlichen Anzahl von Konflikten in den letzten beiden Dekaden. Hierbei lässt sich seit 2015 eine deutliche Steigerung der Anzahl von Bürgerkriegen feststellen, bei denen externe Staaten intervenieren.

In Westeuropa – und auch in Deutschland – ist das subjektive Gefühl einer gesteigerten Kriegshäufigkeit vor allem deswegen vorhanden, da die Kriege und Auswirkungen militärischer Konflikte im Inneren durch den Krieg in der Ukraine und auch im Nahen Osten näher rücken und damit auch ein Gefühl der individuellen Bedrohung entsteht.

Dies wird sicherlich durch die Tatsache verstärkt, dass es insbesondere in den letzten zwei Jahren immer mehr Todesopfer und Schwerverletzte im Zuge gewaltsam ausgetragener Massenkonflikte gab.

Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass es bereits seit längerer Zeit eine Tendenz zu einem hohen quantitativen Niveau militärisch ausgetragener Konflikte gibt, was die Einschätzungen Antonio Negris bestätigt, die sich auf eine militarisierte Globalisierung und zumindest eines drohenden globalen Kriegsregimes beziehen.

Kriege als Folge von Machtanhäufung und illegitimer Herrschaft

Im Krieg in der Ukraine sind bereits mehrere Hunderttausend Todesopfer zu beklagen. Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine seit dem Februar 2022 ist seit dem völkerrechtswidrigen Überfall der USA auf den Irak im Jahr 2003 der erste großangelegte Krieg, der von einer der nuklear bewaffneten Großmächte initiiert wurde.

Die Russische Föderation trägt aufgrund ihrer massiven Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen im Ukraine-Krieg die Hauptverantwortung für diesen Krieg. Das russische Regime ist durch eine Repression nach innen und außen gekennzeichnet.

Da gibt es keinen Grund, die Russische Föderation zu schonen. Auch der historische Kontext der Nato-Osterweiterung und die vergebenen Verhandlungschancen bieten keine Legitimation für das tägliche Morden und die Inhaftierung Andersdenkender.

Andererseits ist auch das westliche Lager hinsichtlich der Eskalation militärisch ausgetragener Konflikte zu kritisieren: Die Verhinderung eines Verhandlungsergebnisses zwischen der ukrainischen und der russischen Regierung im Frühjahr 2022 oder auch die unverhältnismäßige Reaktion Israels auf den schrecklichen Terrorangriff der Hamas, die unter anderem zum Tod von Tausenden Kindern und Jugendlichen führte und weiterhin führt.

Die türkischen Überfälle und Vernichtungsanschläge auf die Kurdengebiete, der völkerrechtswidrige Angriff der USA im dritten Golfkrieg auf den Irak, der Krieg Saudi-Arabiens im Jemen – diese Liste ließe sich fortführen und zeigt: Überall, wo es unkontrollierte Machtanhäufung und eine Ansammlung technologisch hoch entwickelter Waffen gibt, spielen das Völkerrecht sowie die Menschenrechte keine Rolle mehr.

Solange hier auf der Ebene der Vereinten Nationen keine wirkungsvollen und legitimierten Interventionsmöglichkeiten vorhanden sind, werden Mörderpräsidenten und Mördergeneräle und die dahinterstehenden Gruppierungen weiterhin frei agieren können.

Nur eine transnationale und demokratisch legitimierte Gegenmacht kann das sich ausbreitende globale Kriegsregime und die Militarisierung von Konflikten eindämmen. Nur eine übergeordnete globale Instanz, die mit politischer, ökonomischer und weltpolizeilicher Macht ausgestattet ist – so die hier vertretene These – kann die sich feindlich gegenüberstehenden Kräfte in Formen friedlicher Kooperation überführen.

Die nukleare Eskalationsspirale

Die Welt befindet sich – seit der Kubakrise – wieder in einer Situation, in der über den Wegfall der Abrüstungs- und Kontrollverträge, der fortschreitenden "Modernisierung" von Atomwaffen sowie der Drohung, zumindest von russischer Seite, auch Nuklearwaffen im Zuge des Ukraine-Kriegs einzusetzen, vor einem dramatischen Wendepunkt und einer nuklearen Ereigniskette.

Die Frage ist allerdings, wann eine derart gefährliche Drohkulisse zur bitteren Realität wird. Wo ist der nukleare Kipppunkt und welchen Einfluss haben neuere technologische Entwicklungen dorthin?

Die Gefahr eines Nuklearkrieges wird durch die Existenz bereits entwickelter Hyperschallraketen mit der Fähigkeit, nukleare Sprengköpfe mit über sechsfacher Schallgeschwindigkeit auf ein Ziel zu lenken, noch drastisch erhöht.

Derartige Hyperschallraketen existieren bereits in der Russischen Föderation sowie in der Volksrepublik China. In den USA stehen sie kurz vor dem Abschluss ihrer Entwicklung und die Zeichen verdichten sich, dass sie zumindest mit konventionellen, aber extrem zerstörerischen Sprengköpfen in Westeuropa, etwa in Deutschland oder Polen, stationiert werden sollen.

Gegen Hyperschallraketen ist aufgrund ihrer Schnelligkeit und aufgrund der nur wenigen Minuten Reaktionszeit sowie der Lenkbarkeit der anfliegenden Raketen schwer oder gar nicht zu verteidigen.

Selbst wenn sie nur mit einem konventionellen Sprengkopf ausgestattet sind, können sie einen Staat in Bezug auf seine Regierung "enthaupten", wenn die Regierungsspitze oberirdisch tagt. Die Gefahr, dass ein derartiger "Enthauptungsschlag" dann eine nukleare Reaktion des angegriffenen Staates nach sich zieht, erscheint realistisch.

Daher wendet sich ein derzeit in der Verbreitung und Unterzeichnung begriffener Appell sehr deutlich gegen die Stationierung von Hyperschallraketen in allen Staaten und wendet sich auch gegen die drohende Stationierung in Deutschland.

In der Tat: Es hat bereits mehrfach technisches Versagen im Rahmen der nuklearen Waffentechnologie gegeben. Ein nuklear ausgetragener Weltkrieg wurde gerade noch im letzten Moment durch besonnenes Handeln Einzelner verhindert. Je schneller und unberechenbarer die Raketen aber fliegen, desto geringer ist die Chance eines menschlichen Einlenkens in einer festgestellten Angriffssituation.