Ein zahnloser Tiger? Warum die Quad-Allianz mehr verspricht als sie hält
Die Quad-Staaten treffen sich erneut. Ihr Ziel: Chinas Macht eindämmen. Doch ein heikles Thema droht die Allianz zu spalten. Ein Kommentar.
An diesem Wochenende trafen die vier Staats- und Regierungschefs der Quad erneut zusammen; dieses Mal in Wilmington, Delaware, der Heimatstadt von US-Präsident Joe Biden. Zwei Staatsoberhäupter nehmen Abschied: Für Kishida Fumio wird es eine der letzten Amtshandlungen als japanischer Premierminister sein, und auch Biden hört in vier Monaten auf.
Der Quadrilaterale Sicherheitsdialog, kurz Quad, bringt eine kleine Gruppe vorgeblich verbündeter Nationen zusammen. Dabei fehlt es nicht an großen Worten. In einem Kommuniqué von 2021 bekennt sich das Dialogforum zu Asien, "einer Region, die eine Grundlage für unsere gemeinsame Sicherheit und unseren gemeinsamen Wohlstand ist – ein freier und offener Indopazifik".
Damit ist die Marschrichtung vorgezeichnet. Die 2007 ins Leben gerufene Quad dreht sich vor allem um Sicherheitsfragen, die Chinas wachsende Macht aufwirft. Im Jahr 2008 wurde die Gruppierung von ihren Mitgliedern dennoch de facto aufgegeben. In einer Zeit, in der die VR China außenpolitische Zurückhaltung übte, nutzte eine explizit antichinesische Koordination kaum.
Quad schon einmal aufgegeben
Doch dann wurde die Quad 2017 wiederbelebt. Denn ungefähr zu diesem Zeitpunkt hatte China begonnen, eine ehrgeizige und selbstbewusste Außenpolitik zu verfolgen. Die erste formelle Zusammenkunft des Quads fand am Rande des Ostasiengipfels 2017 statt. 2018 trafen sich dann hochrangige Beamte, 2019 die Außenminister am Rande einer UN-Generalversammlung. Weitere Treffen auf Ministerebene fanden 2020 in Tokio und Anfang 2021 online statt.
Lesen Sie auch
"Einigung zwischen den USA und dem Iran wäre für Israel eine Katastrophe"
Wir brauchen eine rationale Debatte über die Bedrohung durch Russland
Militärische Konflikte auf dem Vormarsch: Die Welt aus dem Griff des Kriegsregimes befreien
Atomwaffen: Was, wenn die nukleare Abschreckung scheitert?
Warum für moderne Industriestaaten Kriege bedrohlicher sind
Biden war Gastgeber des ersten Treffens auf Führungsebene im Jahr 2021. Dort verpflichtete sich die Gruppe zu einer jährlichen Veranstaltung, um eine beständige politische Dynamik zu gewährleisten.
Hatte sich die Quad in ihren Anfängen auf die militärische Zusammenarbeit zur Förderung gemeinsamer militärischer Anliegen konzentriert, löste sich die Gruppe schon bald von ihrem sicherheitspolitischen Schwerpunkt und ist mittlerweile für ein recht breites Aufgabenspektrum zuständig.
Unübersichtliches Aufgabenspektrum
Inzwischen existieren Arbeitsprogramme in den Bereichen Klimawandel, öffentliche Gesundheit, Impfungen, Hochtechnologie, Infrastruktur, Bildungsaustausch, maritimes Bewusstsein, humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe und sogar Weltraum.
Und auch dabei geht es weiterhin ‒, obwohl dies nie ausdrücklich gesagt wurde ‒ um eine abgestimmte Antwort auf den Aufstieg Chinas. Was die vier Länder eint, ist ihre Sorge über die militärischen Dimensionen von Chinas wachsendem Wohlstand, aber auch über die größeren Risiken, die die Entwicklung ihrer Meinung nach für die Region darstellt.
Merkwürdigerweise fehlen in der Gleichung wirtschaftliche Belange derzeit fast völlig. Angesichts der Art und Weise, wie China die Geo-Ökonomie zur Durchsetzung seiner Interessen nutzt, ist dies ein bemerkenswertes Manko.
Gesteigerte Aufmerksamkeit der Medien
Aufgrund ihrer hochrangig besetzen Treffen kann sich die Quad einer gesteigerten Medienaufmerksamkeit sicher sein. Doch trotz beeindruckend klingender Erklärungen und einer langen Liste von Prioritäten hat die Gruppe in Bezug auf konkrete Zusammenarbeit nicht viel erreicht, kritisiert unter anderem die Asia Times.
Lesen Sie auch
Stricken die USA am seidenen Vorhang?
Auf dem internationalen Parkett sind Symbole wichtig, aber sie funktionieren nur bis zu einem gewissen Grad. Die praktische Zusammenarbeit der vier hat sich in Grenzen gehalten, ebenso wie ihre Auswirkungen auf das regionale strategische Gleichgewicht.
In den vergangenen sieben Jahren haben die vier Länder es nicht geschafft, wirklich erfolgreich zusammenzuarbeiten. Es mangelt an grundlegenden Erfahrungen mit solchen Formaten, aber auch an bürokratischen Kapazitäten. Nur, wenn die Beteiligten zukünftig mehr in ihre Kooperation investieren, wird sich daran etwas ändern.
Mangel an Investitionen in eine konkrete Zusammenarbeit
Aber es bestehen auch politische Hindernisse, die Interessen der vier Länder in Zukunft aufeinander abzustimmen. Es ist fraglich, ob die antichinesischen Aversionen ausreichen, um eine vertiefte Zusammenarbeit der vier Länder zu begründen.
Am deutlichsten wird dies in Bezug auf Russland, wo Indiens Haltung gegenüber Moskau ziemlich deutlich im Widerspruch zu der anderen drei Länder steht. Und auch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Ansätze erschweren eine wirksame Zusammenarbeit.
Schließlich unterscheiden sich die vier Länder ‒ nicht nur, aber auch in ihrem Bezug auf China ‒ historisch, kulturell, politisch und geografisch ganz erheblich. Während Indien und China eine 4000-Kilometer-Grenze teilen, trennen die USA ein ganzer Ozean von Peking. Und im Vergleich zu den vielfältigen kulturellen und historischen Verstrickungen zwischen China und Japan muss Australien geradezu als Newcomer gelten.
In Delaware gab es also wieder hochtrabende Rhetorik in Hülle und Fülle. Doch auf absehbare Zeit werden die Möglichkeiten begrenzt bleiben, über die Optik hinaus Einfluss zu nehmen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.