Militärische Konfliktlösungen sind zur Friedenserhaltung untauglich

Neue Friedensstrategien am Ende des "blutigsten Jahrhunderts" der Geschichte

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Für das Worldwatch Institute, eine Umweltorganisation, beweist die gegenwärtige humanitäre Katastrophe im Balkan das Scheitern der internationalen Friedens- und Sicherheitsstrategien. In der Welt nach dem Kalten Krieg sei eine neue Strategie notwendig, um den Frieden zu sichern: "Militärische Aktionen sind normalerweise für humanitäre Hilfe ungeeignet und für friedenserhaltende Maßnahmen weitgehend unsinnig. Und sie verschlingen Ressourcen, die man besser zur Konfliktprävention einsetzen sollte", meint Michael Renner, Autor des vom Worldwatch Institute veröffentlichten Berichts Ending Violent Conflict.

Der Krieg im Kosovo und die ethnische Säuberung sei nur ein Beispiel für das ausgehende Jahrhundert, das in der Geschichte der Menschheit angeblich das blutigste war. 110 Millionen wurden im 20. Jahrhundert zu Kriegsopfern, drei Mal soviel als alle Getöteten in den Kriegen vom ersten Jahrhundert n. Chr. bis zum Jahr 1899. Wie im Kosovo waren die meisten Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg interne Konflikte. So waren seit 1989 von 103 militärischen Konflikten 97 Bürgerkriege. In den 90er Jahren stieg der Anteil der zivilen Opfer bei Kriegen von 70 Prozent nach dem Zweiten Weltkrieg auf 90 Prozent an.

Um auf diese Art der Konflikte angemessen einwirken zu können, ist nach Renner ein vielschichtiger Ansatz nötig, der von der Abrüstung und der Konfliktprävention über den Schutz der Menschenrechte und die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen bis hin zur Einrichtung einer permanenten internationalen Armee zur Friedenssicherung und der Stärkung internationaler Organisationen wie dem Internationalen Gerichtshof und der UN reicht. Präventive Maßnahmen wären unter anderem Netzwerke zur frühzeitig Erkennung von Konflikten, die Einrichtung von Zentren zur Beilegung von Konflikten oder eine internationale Gruppe von ausgebildeten und erfahrenen Menschen, die als umherreisende Vermittler eingesetzt werden können.

Wichtiger aber sei noch die Lösung der den Konflikten zugrundeliegenden Ursachen, die von der ungleichen Verteilung des Reichtums über Arbeitslosigkeit oder Bevölkerungswachstum bis zur Zerstörung von Ökosystemen reichen. Würde man international die Bedeutung und Einhaltung der Menschenrechte stärken, so wäre das ein wichtiges Mittel zur Beendigung von Gewalt auf der individuellen und gesellschaftlichen Ebene.

Obgleich durch den Kosovo-Krieg gerade die UN von den NATO-Staaten durch den humanitären Selbstauftrag unterlaufen wurde und die Gefahr besteht, daß dadurch weltweite Organisationen noch weiter ihre politische Macht und Legitimation verlieren, sei es jetzt Zeit, besonders die UN zu stärken. Vor allem die NGOs geben Renner Anlaß zur Hoffnung, die etwa das Abkommen zum Verbot von Anti-Personen-Landminen oder die künftige Einrichtung des Internationalen Gerichtshofs erreicht hätten. So werden sich vom 11.-15. Mai Hunderte von NGOs in Den Haag treffen, um 100 Jahre nach der Weltfriedenskonferenz, die gleichfalls dort stattgefunden hat, um ein Friedensprogramm für das nächste Jahrhundert zu formulieren und den Krieg zu ächten. Der daraus entstehende Den Haag Aufruf will am Ende des "blutigsten Jahrhunderts" ein Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit setzen, die Vision einer totalen Abrüstung propagieren und "das Gesetz der Macht" durch die "Macht der Gesetze" über die Stärkung des internationalen Rechts und der internationalen Institutionen ersetzen. Das Ergebnis der letzten 100 Jahre seit der Weltfriedenskonferenz könnte allerdings auch Anlaß zum Pessimismus geben.

Während manche glauben, daß die Globalisierung über die Integration der Märkte auch zu einer eng verbundenen Welt führe, in der notwendig auch stärker auf Kooperation gesetzt wird und militärische Konflikte weniger werden, ist das für Renner zumindest kein sich automatisches einstellendes Ergebnis. Globalisierung über den Markt führte zumindest bislang zu einem wachsenden Ungleichgewicht zwischen Armen und Reichen und einer ungerechten Verteilung der Profite und Lasten, die Spannungen und Konflikte verursachen: "Letztendlich entsteht ein Gefühl für die globale Gemeinschaft nicht einfach als Folge von ökonomischen Strukturen und einer kalten Finanzkalkulation. Es muß mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gefördert werden."