Militainment: Wie das Pentagon seine Macht über Hollywood ausgedehnt hat

Top Gun: Klare Botschaft aus dem Pentagon. Bild: Sarunyu L, Shutterstock.com

Rund 2.500 Filme und Shows für Krieg instrumentalisiert. Wie wir beeinflusst werden, wenn wir es am wenigsten erwarten. Und wie die Beeinflussung funktioniert.

"Der einfachste Weg, eine Propaganda-Idee in die Köpfe der meisten Menschen zu setzen, ist, sie durch Unterhaltungsfilme zu transportieren, weil sie dann nicht merken, dass sie manipuliert werden", sagte einst Elmer Davis (1890–1958).

Bevor er zum ersten Direktor des damals neu geschaffenen Office of War Information (OWI) wurde, war Davis als CBS-Moderator bekannt. Sein neuer Posten war politischer: Das OWI war am 13. Juni 1942, sechs Monate nach Pearl Harbor, gegründet worden.

Eisenhower für Kooperation mit Film

Später, im Jahr 1953, als der Kalte Krieg in vollem Gange war, kommentierte Präsident Dwight D. Eisenhower die zunehmende Partnerschaft zwischen Hollywood und dem Pentagon mit den Worten: "Die Hand der Regierung muss sorgfältig verborgen und […] unsichtbar gemacht werden".

Er fügte hinzu, dass das Engagement "durch Vereinbarungen mit allen Arten von privat geführten Unternehmen in den Bereichen Unterhaltung, Drama, Musik und weiteren" erfolgen sollte.

Militainment blüht

Der Präsident, der den Begriff "militärisch-industrieller Komplex" prägte, war also tatsächlich einer der ersten großen Befürworter dessen, was später als militärischer Unterhaltungskomplex oder Militainment-Industrie bezeichnet wurde.

Heute blüht diese Militainment-Industrie. Von Top Gun über das Marvel-Franchise bis zu Sendungen wie Extreme Makeover hat das Pentagon die Geschichten von mehr als 2.500 Filmen und Fernsehsendungen geprägt.

Niemand kennt das Thema besser als Roger Stahl, Leiter der Abteilung für Kommunikationswissenschaften an der University of Georgia und Autor von Militainment Inc. Zusammen mit Matthew Alford, Dozent an der University of Bath und Kandidat der britischen Labour Party, dem Enthüllungsjournalisten Tom Secker und anderen hat Stahl den 87-minütigen Dokumentarfilm "Theaters of War" produziert, der unsere moderne Militainment-Industrie methodisch seziert und zeigt, zu welchem Giganten sie geworden ist.

Responsible Statecraft sprach mit Stahl, Alford und Secker über die Art und Weise, wie unsere Fernsehbildschirme durch die Überwachung und Kontrolle des militärischen Unterhaltungskomplexes über Hollywood-Drehbücher und Produktionsverträge zu Waffen werden.

Frage von Kosten wird kaschiert

"Bei vielen Bildern und Geschichten für das US-amerikanische Publikum wird die Frage nach den Kosten für den Steuerzahler gar nicht gestellt", sagte Stahl auf die Frage, wie viel der durchschnittliche Bürger zahle, wenn etwa ein Waffensystem an ein Studio verliehen wird. Er fügte hinzu: "Die Frage der Kosten wird durch (…) emotionale Erwägungen kaschiert. Und die Unterhaltungsindustrie ist dazu da, diese emotionalen Bindungen zu fördern".

In dem Film erklärte Stahl, dass das Verteidigungsministerium über den Nachfolger des OWI, das Entertainment Liaison Office, die Ausleihe von Waffensystemen an die Bedingung knüpft, vollständigen Zugang zum Drehbuch des Studios für einen neuen Film zu erhalten.

Studios mit wenig Handlungsspielraum

Sobald das Drehbuch geprüft und mit Anmerkungen, Drehbuchänderungen oder sogar weitreichenden Änderungen der Handlung zurückgegeben wird, kann das Studio entweder die Änderungen vollständig akzeptieren oder den Zugang zu den militärischen Ressourcen verlieren. Diese ungleiche Beziehung kann zu schamloser Propaganda führen.

Nach der Hälfte von "Theaters of War" wird dem Zuschauer etwas gezeigt, das wie ein Werbespot im Film aussieht. In "The Fate of the Furious" von 2017, dem achten Teil der gleichnamigen Filmserie, trägt der Rapper und Schauspieler Ludacris eine scheinbare 30-Wörter-Werbung für den ferngesteuerten Ripsaw-Panzer von Textron Systems vor.

Panzerwerbung in "Fast and Furious"

Später stellte sich heraus, dass Ludacris‘ Zeilen nicht von einem Drehbuchautor, sondern vom Entertainment Liaison Office geschrieben worden waren. Die Szene wurde so zu einem Werbespot, der dem Zuschauer vom US-Militär präsentiert wurde.

Ähnliche versteckte Marketingszenen finden sich in Hunderten Blockbustern, von der Transformers-Serie – eine der Figuren, Starscream, ist ein F-22-Kampfflugzeug – bis hin zu den hochgelobten Marvel-Filmen. Während das Publikum offensichtlichen Verkaufsargumenten ausgesetzt ist, wirbt das Pentagon in einigen Fällen auch für fehlerhafte und nutzlose Produkte.

Inszenierung des F-35

Der Kampfjet F-35 von Lockheed Martin gilt als "Schwergewichts-Champion der schlecht konzipierten futuristischen Waffen". Er hat den US-Steuerzahler über zwei Billionen US-Dollar gekostet.

Eine Dokumentation des History Channel mit dem Titel "Secret Access: Superpower 2011" zeichnet ein anderes Bild. In der kurzen Serie wird die F-35 als einzige Möglichkeit dargestellt, die militärische Vorherrschaft der USA aufrechtzuerhalten. Und in "Man of Steel" fliegt Superman im Kampf gegen die skrupellosen Kryptonier sogar an einer Flotte von F-35 vorbei. Das alles, so Stahl, habe das Entertainment Liaison Office möglich gemacht.

Pentagon und "Mission Impossible"

Tom Secker, der Enthüllungsjournalist, der vom Pentagon wegen seiner ständigen Anfragen nach dem US-Informationsfreiheitsgesetz als "lästiger" bezeichnet worden ist, hat den bisher unveröffentlichten Vertrag über die Produktionsunterstützung für "Mission Impossible 7: Dead Reckoning" veröffentlicht.

Der Vertrag sieht nicht nur vor, dass die "Mission Impossible"-Crew auf US-Militärbasen in den Vereinigten Arabischen Emiraten drehen darf, sondern auch, dass das Verteidigungsministerium dem Produktionsteam eine von Boeing hergestellte V-22 Osprey für mindestens zwei Szenen leiht, in denen das Flugzeug sowohl von innen als auch von außen gefilmt wird.

Der "Witwenmacher" in positivem Licht

Die als "Witwenmacher" bekannte Osprey ist ein 120 Milliarden US-Dollar teures Desaster, das nur noch einen Unfall davon entfernt ist, außer Dienst gestellt zu werden, da sie bereits den Tod von 62 Militärangehörigen verursacht hat.

Laut Stahl sind diese Szenen bewusst so inszeniert, dass sie "eine emotionale Verbindung zwischen dem Zuschauer und dem Waffensystem herstellen". Damit solle Kritik vorgebeugt werden, wenn die Zuschauer erkennen könnte, wie nutzlos und teuer die F-35, die Osprey und andere Systeme wie das LCS-Programm sind. Dies solle dazu beitragen, "diese enormen Ausgaben als normal erscheinen zu lassen", fügte er hinzu.

Keine negativen Seiten von Rüstung und Militär

Die Einarbeitung solcher Szenen bedeute, so Alford, "dass sie [das Pentagon] zeigen können, wie sexy, wunderbar, nützlich und zielgerichtet ihre neuen Produkte sind". Indes wird die Öffentlichkeit weniger die "schmutzige, unangenehme und grausame" Seite der Industrie wahrnehmen.

Einsätze fördern, beschönigen und rechtfertigen

Während das Pentagon einst die Ziele seiner Zusammenarbeit mit der Unterhaltungsindustrie mit der Direktive erklärte, die "Authentizität der Darstellung militärischer Operationen" zu fördern und einen "akzeptierten Standard der Würde" bei der Darstellung des Militärs zu wahren, änderten sich diese Richtlinien 1988.

Die neuen Ziele der Zusammenarbeit sind die Förderung des "öffentlichen Verständnisses der US-Streitkräfte und des Verteidigungsministeriums", die Verbesserung der "Rekrutierungs- und Bindungsprogramme der Streitkräfte" und die Einhaltung und Förderung der "Politik der US-Regierung".

Whitewashing des Irak-Kriegs

Eine der verstörendsten Szenen im Dokumentarstreifen Theaters of War stammt aus dem Film "The Long Road Home" von 2017. Darin behauptet ein Oberst, dass die Operation Sadr City 2004 während des Irak-Kriegs, bei der 22 Soldaten und 940 Iraker getötet wurden, notwendig gewesen sei, um zwei Millionen Iraker von der Unterdrückung durch einen Diktator zu befreien und ihnen eine "bessere Zukunft" zu ermöglichen.

Diese Behauptung ignoriert die Reihe falscher Behauptungen – etwa über die angebliche Existenz von Massenvernichtungswaffen oder die behaupteten Verbindungen des Irak zu al-Quaida –, die die USA überhaupt erst dazu brachten, im Irak zu intervenieren.

Direkte Verbindung zu politischen Zielen

Sie geht auch nicht der Frage nach, ob die USA verpflichtet waren, die Menschen vor den Diktatoren der Welt zu schützen.

Diese und ähnliche Szenen hätten, so Alford, ein implizites Ziel: "Ein wenig mehr Vertrauen in die Großartigkeit militärischer Interventionen" und in ihre Wirksamkeit. Ob Ben Aflecks "Argo" die Rolle der CIA beim Sturz des demokratisch gewählten iranischen Premierministers Mohammad Mossadegh 1953 beschönigt, ob "Black Hawk Down" dem katastrophalen Debakel in Somalia einen Hauch von Tapferkeit verleiht oder ob "Top Gun" 1986 das Image des Militärs nach zwei Jahrzehnten desaströser Vietnam-Kampagne aufpoliert – diese verdeckten Militainment-Kampagnen haben weitgehend funktioniert.

In der zweiten Staffel von "Jack Ryan" arbeitet der liebenswerte Jim aus "The Office" mithilfe der CIA daran, einen atomar bewaffneten venezolanischen Diktator zu stürzen, in der Hoffnung, einen wohlgesonnen liberalen Populisten zu installieren. Die Serie lief etwa zu der Zeit, als Washington Juan Guaidó als neuen Führer Venezuelas vorstellte.

Die Kosten der Militainment-Industrie

In seiner Gesamtdiagnose des Problems betont Stahl, dass das Problem in den "wahrgenommenen Interessen des amerikanischen Volkes" liege und fügte hinzu, dass es sich zwar auf staatliche Subventionen und Wohlfahrtsprogramme konzentriere, aber "die Kosten unseres militaristischen Engagements in der Welt nicht wahrnimmt" – Kosten, die am Ende der Dokumentation kurz zusammengefasst wurden und sich allein in der Zeit nach dem 11. September auf acht Billionen US-Dollar beliefen.

Mit dem sechsten fehlgeschlagenen Audit, einem Militärbudget, das sich rasch der Billionengrenze nähert, und einem neuen nuklearen ICBM-System ist der Einfluss der Militainment-Industrie unbestreitbar beunruhigender und präsenter denn je.

Dennoch bietet "Theaters of War" auch einen Hoffnungsschimmer: Transparenz. Stahl, Alford, Secker und andere im Film empfehlen, dass jeder Film oder jede Serie, an der das Pentagon beteiligt ist, einen deutlichen Hinweis am Anfang enthält, dass das Verteidigungsministerium, die CIA oder eine andere Regierungsbehörde an der Produktion beteiligt war, und nicht erst im Abspann.

Die Zuschauer wissen dann, dass das, was sie gleich sehen werden, zumindest teilweise eine "Propaganda-Idee" ist, wie Elmer Davis es ausdrückt.

Hekmat Aboukhater ist Praktikant im Programm Demokratisierung der Außenpolitik am Quincy Institute. Zuvor arbeitete Aboukhater in der Abteilung für Friedenskonsolidierung und politische Angelegenheiten der Vereinten Nationen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei unserem US-Partnermedium Responsible Statecraft.