Mit den Abwehrzäunen gegen die Fremden kommt das Völkische wieder

Seite 2: Die Ideologie der territorialen Grenze soll auch die Grenzen der Kulturen und Geschlechter wieder aufziehen

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Wenn es dann aber noch die Unterstützer der Willkommenskultur aus der Unternehmerlobby gibt, die sich für die Aufnahme von Flüchtlinge aussprechen wie gerade wieder die sowieso wegen ihrer ungehemmten Propagierung des Neoliberalismus unter dem Deckmantel der sozialen Marktwirtschaft berüchtigten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INMS), dann werden zusätzlich die Antihaltungen verstärkt und kann man von einer gelenkten Masseneinwanderung sprechen, als wären die Kriege in Afghanistan, im Irak und in Syrien, in Libyen, Mali, Nigeria oder im Sudan einzig deswegen (von wem?) in Gang gebracht worden, um endlich eine Massenflucht nach Europa in Gang zu setzen. Selbst ein Philosoph wie Peter Sloterdijk ergeht sich hier in Verschwörungstheorien (Erregungsbereitschaft und Schießbefehl).

Zur Ideologie der Grenze um die Nationalstaaten, wie sie historisch geworden sind, oft auch mit der teils weiterhin unbefriedeten Unterdrückung und Nivellierung von kulturellen oder ethnischen Minderheiten, gesellt sich die Vorstellung der Erhaltung der von Konservativen in der Familie verorteten Keimzelle der Gesellschaft: nicht dem Individuum (und der daraus folgenden kulturliberalen Ideologie), sondern der Familie aus Mann und Frau und der damit einhergehenden Differenzierung der Rollen. Auch sexuelle Minderheiten und deren Gleichberechtigung müssen wie die der Frauen in der Regel abgewehrt werden. In der völkischen und familiären Einheit sind die abweichenden Minderheiten ebenso unerwünscht wie die Fremden.

Kritisiert wird die Haltung der Deutschen, die sich in "eitler Selbstlosigkeit" wem auch immer ergeben hätten, "geschichtslos, gesichtslos, bodenlos, positionslos" geworden seien. Die Zeiten der Internationale sind vor allem für deren einstige Anhänger vorbei. Politisch handeln soll nun heißen, mit wem man zusammenleben will. Das ist die primäre Sorge, nicht wie das Leben der Menschen, wer sie auch immer seien, in den Gesellschaften und ihren ökonomischen und politischen Strukturen organisiert wird.

Man phantasiert oder kokettiert damit, dass es irgendwelche Gutmenschen geben würde, die die europäischen Städte einer "muslimischen oder arabischstämmigen Mehrheitsbevölkerung überlassen" wollen oder nicht Manns genug sind, sich dagegen wehren zu wollen. Schön ist auch, dass sich man als Gegner der "einwandernden Leiber" ja eigentlich nur für die Fremdheit der Fremden sorgt, weil die es besser in ihrer Heimat haben als im perversen Deutschland: "Erst nach und nach wird es den neuen Mitbürgern dämmern, dass wir ihre freiwillige Kastration erwarten. Für dieses Risiko haben die 'Flüchtlinge' kein Organ."

Und zum Vordenker soll man jetzt werden, wenn man dafür eintritt, dass Deutschland "auch künftig mehr und anderes sein (möge) als eine Zone des optimierten Durchgangsverkehrs". Gleichwohl sind solche hochgestylten Formulierungen, die Esprit verbreiten wollen, nichts anderes als das, was die Rechten seit eh und je herunterbeten und mit ausländerbefreiten Zonen bis hin zu den NSU-Morden praktizieren, jetzt also mit Unterstützung von meist etwas angegrauten männlichen Intellektuellen, die nun im Rechtsnationalen den Traum von der Revolte wiederentdecken.

Die Frage ist sowieso, ob die Abwehr der Ausländer überhaupt viel mit Angst zu tun hat, wie die als "Gutmenschen" von den Hass- und Wutbürgern oder Bösmenschen (?) Bezeichneten, weil sie nur ihre Abwehr nicht zelebrieren, gerne wohlwollend psychologisierend sagten. Man wird sich erinnern, dass es vor nicht allzulanger Zeit Menschen aus Ex-Jugoslawien betraf, oder Polen, Bulgaren oder Rumänen - also in der Regel Angehörige des christlichen Abendlands. Es dominieren bei den rechtsnationalen Fremdenfeinden allerdings die Vorstellungen, dass man nun mannhaft sein müsse.

Ein Zaun wird zum Zeichen der Wehrhaftigkeit, man hat genug vom Gerede eines postheroischen Zeitalters. Gehen die einen zum Dschihad nach Syrien, um sich gegen den liberalen Westen und alle Andersdenkenden zu wehren, so ziehen die anderen wie Breivik los, um die verweichlichten Multikultis zur Bewahrung der völkischen Kultur auszulöschen. Andere proben den Aufstand und Widerstand bis hin zum Mob vor Flüchtlingsunterkünften oder zu deren Abfackeln, weil wir angeblich, auch nach CSU-Meinung, in einem Unrechtsstaat leben, oder fordern die jungen syrischen Männer auf, doch die Waffen zu ergreifen und sich doch lieber ins Kampfgetümmel zwischen Hunderten von Milizen, der syrischen Armee, dem Islamischen Staat und russischen und amerikanischen Bombardierungen zu stürzen, als feige bei uns Schutz zu suchen.