Moorburg und A49: Sargnägel der Grünen?

Seite 2: Merkels Realismus

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Das ist offenbar die Kehrseite einer Politik, die weiter nach Kräften beim Klimaschutz bremst. Während hierzulande noch immer einige Journalisten und konservative Politiker die Vorstellung pflegen, man sei Vorreiter in Sachen Klimaschutz, zeigt sich in Brüssel mal wieder, wer bremst:

Das EU-Parlament hatte gefordert, die Treibhausgasemissionen der Gemeinschaft bis 2030 um mindestens 60 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu drücken (erreicht sind bereits gut 20 Prozent). Die EU-Kommission schlägt "mindestens 55 Prozent" vor. Und die Bundesregierung?

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die noch bis Ende Dezember den Ratsvorsitz inne hat und damit eine besondere Verantwortung für die Verhandlungen trägt, mahnt realistisch zu bleiben. Mehr als 55 Prozent gehe gar nicht. Es müsse Rücksicht auf Maschinenbau und Autoindustrie genommen werden.

Die werden derweil mit weiteren Milliarden gepäppelt. Telepolis hatte letzte Woche an dieser Stelle über die erneuten Geschenke für die Automobilindustrie berichtet. Vier Milliarden Euro wurden der Branche seit dem Frühjahr zugesagt. Letzte Woche kamen noch einmal drei Milliarden Euro obendrauf.

Das Geld geht an Unternehmen, bei denen längst die Fertigungsstraßen wieder auf Hochtouren laufen. VW-Arbeiter Lars Hirsekorn, der im Braunschweiger Werk des Konzerns arbeitet, spricht in einem lesenswerten Interview davon, dass es längst wieder Überstunden gebe.

In dem Gespräch geht es um Verkehrswende auf dem Dorf, zu geringe Löhne im ÖPNV, den hohen Ressourcenverbrauch der Elektroautos, um den Kampf um Arbeitszeitverkürzung und die Schwierigkeiten der Industriegewerkschaft Metall mit dem Klimaschutz. Unter anderem weist Hirsekorn darauf hin, dass eine Verkehrswende viele Arbeitsplätze im ÖPNV und bei der Bahn schaffen würde, dass aber auch Werke wie seines durchaus andere Dinge produzieren könnten.

Vorerst werden aber lieber die alten, klimafeindlichen Industrien weiter großzügig beschenkt. Neun Milliarden Euro hatte bereits im Frühjahr die Lufthansa zugesprochen bekommen - und zwar ohne irgendwelche Auflagen zu Gunsten der Beschäftigten. Nun sollen noch mal mindestens 1,5 Milliarden für Flugsicherung und oft ohnehin defizitäre Regionalflughäfen flüssig gemacht werden, wie die Berliner Tageszeitung berichtet.

Der Klimawandel geht inzwischen munter weiter. In Australien ist eigentlich noch Frühling, aber übers Wochenende erlebten der Norden und der Osten des Landes bereits ihre erste große Hitzewelle mit Temperaturen zum Teil über 40 Grad Celsius.

Hohe Temperaturen und starke Winde begünstigten zahlreiche Busch- und Waldbrände. Mehr als 50 mussten zu Wochenbeginn bekämpft werden, berichtet die Berliner Zeitung.

Schwere Unwetter haben derweil in der vergangenen Woche unter anderem Teile Sardiniens, Südsudans und Kuwaits verwüstet.

Unvorhergesehene Wirkungen

Und zum Schluss vielleicht noch etwas Historisches: Friedrich Engels, neben Karl Marx einer der großen Vordenker des Sozialismus, wurde am 28. November 1820 geboren. Sein Geburtstag hat sich also gerade zum 200 Mal gejährt, Anlass genug, an diesen Philosophen zu erinnern, der sich nicht nur über ökonomisches Gesetzmäßigkeiten Gedanken und um "Die Lage der Arbeiterklasse in England" Sorgen gemacht, sondern auch manch' Kluges zu unserem Naturverständnis beigetragen hat.

Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat sie ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. (...) Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand der außer der Natur steht - sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und dass unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.

Friedrich Engels, 1876, Aus: "Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen"