Motassadeq-Prozess dauert länger als geplant

Hamburg betreibt weiterhin Ausweisungsverfahren gegen den frei gesprochenen Mzoudi und Montassadeq aufgrund einer "tatsachengestützten Gefahrenprognose"

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Als am 10. August 2004 vor dem Hamburger Oberlandesgericht (OLG) die Neuauflage des weltweit ersten Al-Qaida-Prozesses begann, ging die Kammer davon aus, dass das Urteil im Januar 2005 verkündet werden könne. Nach dem schweren Unfall des Verteidigers Josef Gräßle-Münscher Ende August musste die Verhandlung kurzzeitig unterbrochen werden. Für Gräßle-Münscher sprang relativ rasch der bekannte Anwalt Gerhard Strate ein, so dass zügig weiter verhandelt werden konnte (Staranwalt Strate). Der Prozess musste jedoch zeitlich gestreckt werden, damit Strate Gelegenheit hatte, sich ausgiebig mit dem Inhalt der etwa 150 Ordner umfassenden Akten vertraut zu machen und nebenher weitere Verfahren zu führen, bzw. vorzubereiten. Das Gericht nahm dann an, dass der Prozess voraussichtlich im Februar 2005 beendet würde. Inzwischen sind sich alle Beteiligten einig, dass "bis weit in den März hinein" verhandelt werden wird.

Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt jedoch sagen, ob im März wirklich Schluss sein wird, denn die Prozessführung gestaltet sich mehr als schwierig. Der Angeklagte, Mounir El-Motassadeq, musste sich ab dem 22. Oktober 2002 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen im Zusammenhang mit dem 11. September 2001 vor dem OLG verantworten. Am 19. Februar 2003 wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt, der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil am 4. März 2004 jedoch wieder auf und verwies das Verfahren erneut an das Hamburger OLG - mit der Maßgabe, die Beweismittel erneut gründlich zu prüfen (Grenzen der Wahrheitsfindung).

Doch das ist offensichtlich nicht möglich. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen weichen Zeugenaussagen in diesem zweiten Prozess häufig von den in der ersten Verhandlung gemachten Angaben ab und zum anderen verweigern die US-Behörden nach wie vor, dass Vernehmungsprotokolle der beiden vermutlich wichtigsten Zeugen Ramzi Binalshibh und Chaled Scheich Mohammed in den Prozess eingeführt werden können (Kein Stress mit den USA).

Mit Spannung wird daher die Aussage des US-Sonderagenten Matthew Walsh am 25./26. Januar 2005 erwartet. Walsh soll dem OLG Auskünfte über Ermittlungsergebnisse der US-Geheimdienste geben. Um jedoch sicher zu stellen, dass der "Sonderagent" von den US-Behörden gesperrte Nachrichten nicht preisgibt, wird er von einem Anwalt begleitet. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, schon jetzt zu sagen, dass diese mit viel Aufwand betriebene Vernehmung der Kammer keine tief schürfenden neuen Erkenntnisse bescheren wird.

Unterdessen betreibt der Hamburger Innensenator Udo Nagel (parteilos) mit Nachdruck das Ausweisungsverfahren gegen Motassadeq und Abdelghani Mzoudi (Hamburg will "gewaltbereite Islamisten" abschieben). Mzoudi war im zweiten Hamburger Al-Qaida-Prozess wegen derselben Vorwürfe wie Motassadeq angeklagt und im März 2004 mangels Beweisen frei gesprochen worden (An die Grenzen der Wahrheitsfindung gestoßen). Das seit dem 1. Januar 2005 geltende "Zuwanderungsbegrenzungsgesetz" bietet die Steilvorlage für Nagels Abschiebebemühungen: In dem neuen Gesetz ist u.a. die Ausweisung von Ausländern aufgrund einer "tatsachengestützten Gefahrenprognose" festgeschrieben: "Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigt".

Eine solche "Prognose" ermöglicht die sofortige Ausweisung ohne den Nachweis einer konkreten Straftat. Als "stützende Tatsache" gilt u.a. die Teilnahme an einer bestimmten Veranstaltung, bei Motassadeq und Mzoudi z.B. der Aufenthalt in dem Al-Qaida-Camp in Afghanistan. Das Ausweisungsverfahren der Freien und Hansestadt Hamburg gegen Motassadeq und Mzoudi ist derzeit beim Verwaltungsgericht (VG) anhängig. Nagel kündigte an, im Zweifelsfall alle möglichen Instanzen zu durchlaufen. Für den Fall, dass eine Abschiebung aufgrund der geltenden Gesetzeslage nicht durchsetzbar sei, forderte er in den Medien indirekt eine Verschärfung des Zuwanderungsbegrenzungsgesetzes: "Wenn die Vorschrift dann nicht reicht, dann sind wir so weit, dass sie noch einmal nachgebessert werden muss".