Musikkonzerne wegen illegaler Preisabsprache angeklagt
Eben jene Konzerne, die gerade einen Prozess gegen Napster führen, werden von 28 US-Bundesstaaten der Verschwörung bezichtigt, um die Preise für CDs künstlich hoch zu halten
In den USA haben 28 Bundesstaaten gegen 5 große Plattenfirmen und zwei Musikketten Klage wegen illegaler Preisabsprachen erhoben. Sie hätten dazu geführt, dass die Kunden seit 1995 höhere Preise für CDs zahlen mussten. Dabei handelt es sich auch um jene Plattenfirmen, die Mitglieder der RIAA sind und an dem Prozess gegen Napster wegen Verletzung des Urheberrechts beteiligt sind. Die Musikindustrie klagt, dass bei Napster und anderen Tauschbörsen copyrightgeschützte Stücke illegal und kostenlos heruntergeladen werden, was als Diebstahl bezeichnet wird.
Der illegalen Preisabsprachen bezichtigt werden Warner Music Group, Sony Music Entertainment, Universal Music Group, Bertelsmanns BMG und die EMI Group. Nach Angaben der Federal Trade Commission vertreiben diese Firmen in den USA 85 Prozent aller verkauften Musik-CDs. Insgesamt wurden 1999 in den USA für 14 Milliarden Dollar CDs verkauft.
In der Klage, die auch bereits Gegenstand einer Untersuchung der Federal Trade Commission (FTC) war, geht es um die Strategie des "Minimum Advertising Pricing" oder MAP. Die Musikkonzerne beteiligen sich damit dann an Werbekosten der Einzelhändler, wenn diese bei den CDs einen festgelegten Minimalpreis nicht unterschreiten. Die Kläger beschuldigen die Konzerne, die Einzelhändler auch dann von der Senkung der Preise abgehalten zu haben, wenn diese selbst für die gesamte Werbung aufgekommen sind. Die Konzerne fühlten sich vor allem durch Discount-Musikläden bedroht, die CDs billiger verkaufen können und bei den Kunden immer beliebter wurden. So fielen 1990 die Preise in solchen Läden von 15 Dollar auf bis zu 10 Dollar.
Die daraufhin entwickelten MAP-Programme wurden zu "unverblümten und wirksamen Instrumenten, die Preiskonkurrenz zu beenden", steht nach einem CNN-Bericht in der Klageschrift. Als Folge wurden überhöhte Preise künstlich stabilisiert. Der Generalstaatsanwalt von New York, Eliot Spitzer, der mit dem Generalstaatsanwalt von Florida an der Spitze der Kläger steht, vermutet, dass CDs aufgrund der Preisabsprachen bis zu zwei Dollar mehr kosten. "Die Wirtschaft unseres Landes wurde auf der Vorstellung eines fairen und freien Wettbewerbs begründet", sagt Spitzer. "Wenn es illegale Praktiken zur Fixierung der Preise gibt, wie es hier der Fall ist, dann ist der Kunde stets der Verlierer."
Die Staaten wollen nicht nur, dass diese Praktiken eingestellt werden, sondern sie verlangen auch Schadenersatz, um die Konzerne für die illegalen Praktiken zu strafen. Die Höhe der Forderungen wurde allerdings noch nicht festgelegt. Spitzer kündigte an, dass die Strafgelder, wenn sie denn von den Konzernen bezahlt werden müssen, zur Finanzierung von Musikkursen an Schulen oder ähnlichem verwendet würden. "Diese illegale Aktion der Musikkonzerne und -händler ist für die Ohren der Öffentlichkeit keine Musik gewesen", sagte Spitzer. "Wegen dieser Verschwörungen haben Zehntausende von Kunden überhöhte Preise für CDs von Künstlern wie Santana, Whitney Houston, Madonna und Eric Clapton gezahlt."
Im Mai erst hatte das FTC mit denselben Konzernen eine Vereinbarung getroffen, zumindest sieben Jahre lang keine MAP-Programme mehr zu verfolgen. Während der letzten zweieinhalb Jahre hätten die amerikanischen Kunden wegen dieser Strategien 480 Millionen Dollar mehr gezahlt.
Die Musikkonzerne, die so lautstark die Tauschbörsen und die Musikfans des Diebstahls bezichtigen, stehen nun selbst unter Verdacht, sich ungerechtfertigt das Geld der Kunden angeeignet zu haben. Das stärkt natürlich nicht gerade die Forderung nach einer höheren Moral der Musikfans und der immer wieder zu hörenden Klage, dass durch Napster und Co. den Konzernen und den Musikern ihre berechtigten Einnahmen geschädigt würden (Schutz des geistigen Eigentums ist die Grundlage einer zivilisierten Gesellschaft). Gleichwohl sehen die Konzerne eigentlich keinen Anlass, ihre Strategien zu ändern. "Wir glauben noch immer, dass MAP eine legitime und angemessene Strategie war, und wir sind zuversichtlich, dass das Gericht zum selben Schluss kommen wird", meint etwa ein Sprecher von Bertelsmann BMG gegenüber CNN. Ein Sprecher der Warner Music Group meint gar, dass die Strategie letztlich dem Kunden zugute gekommen sei, indem sie die Konkurrenz der Händler gefördert habe.