NATO-Abschlusserklärung trotz Erdoğan-Ärger
Das Militärbündnis bezeichnet nun den Aufstieg Chinas als neue "Herausforderung"
Der NATO-Jubiläumsgipfel in London ging gestern ohne gemeinsame Pressekonferenz, aber mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung zu Ende. Dazu, dass es keine gemeinsame Pressekonferenz gab, meinte der US-Staatspräsident, man habe bereits vor und während der Veranstaltung so viele Pressekonferenzen gegeben, dass das nicht mehr nötig sei.
Es gibt allerdings eine gemeinsame Abschlusserklärung, was vorher nicht als selbstverständlich galt. Das lag vor allem am türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der vor seinem Abflug nach London angekündigt hatte, geplante Beschlüsse zu blockieren, "wenn unsere Freunde bei der NATO nicht jene als Terrororganisationen betrachten, die wir als Terrororganisationen betrachten" - also die mit den Amerikanern verbündete kurdisch-syrische YPG (vgl. NATO: Die Türkei fordert die Einstufung der YPG als Terrororganisation).
Streit und Versöhnung
Auf dem Gipfel sprach Erdoğan dann unter vier Augen mit Trump und ließ seinem Sprecher danach mitteilen, dieses Treffen sei "sehr produktiv" gewesen. Die seiner Ansicht nach nicht ausreichend mit anderen NATO-Mitgliedsländern koordinierte Politik von Türken und Amerikanern in Syrien hatten der französische Präsident Emmanuel Macron vorher in einem Interview zur Äußerung veranlasst, man könne der NATO grade beim Hirndtod zusehen - worauf hin ihn Donald Trump zu Beginn des Gipfels an Frankreichs Geschichte im 20. Jahrhundert erinnerte (vgl. Trump: Frankreich braucht die NATO wie niemand sonst.
Kurz darauf zeigten sich Macron und Trump bezüglich neuer geplanter Abrüstungsverträge mit Russland aber wieder einig (vgl. Trump und Macron haben "das Gefühl, dass wir mit Russland zurechtkommen können").
Russland, Terror, China
In dem Abschlusstext, auf den sich die Vertreter aller 29 Mitgliedsländer einigten, heißt es nun, das Militärbündnis erneuere angesichts "unterschiedlicher Bedrohungen und Herausforderungen" seine Beistandsverpflichtung. Als Beispiele für Bedrohungen und Herausforderungen werden "die aggressiven Aktionen Russlands", "der Terrorismus in all seinen Formen" und der weitere Aufstieg Chinas genannt. "China", so NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg dazu, sei nämlich inzwischen " das Land, das nach den USA weltweit das meiste Geld für Verteidigung ausgibt".
An dieses Land und seine Unternehmen gerichtet heißt es in der Abschlusserklärung zudem: "Die NATO und die Verbündeten verpflichten sich im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse, für die Sicherheit unserer Kommunikation, auch im Bereich 5G, zu sorgen, und erkennen zugleich die Notwendigkeit an, sich dabei auf sichere und widerstandsfähige Systeme zu stützen". Was diese interpretierbare Formulierung konkret für Huawei bedeutet, wird sich zeigen (vgl. Trumps Huawei-Verbotsdekret).
"Politik der offenen Tür"
Bezüglich der eigenen Verteidigungsausgaben der NATO-Länder - unter denen Donald Trump erneut Deutschland kritisiert hatte - verlautbart das Bündnis in der Abschlusserklärung: "Wir müssen und werden mehr tun". Außerdem erneuern die 29 - anscheinend vor allem im Hinblick auf die USA - ihr Bekenntnis zu einer Teilung der Lasten und bescheinigen sich dabei "gute Fortschritte". Potenziellen Mitgliedschaftsinteressenten will man mit einer "Politik der offenen Tür" begegnen. Konkret hineingelassen wird im nächsten Jahr aber erst einmal nur Nordmazedonien, das dann 30. Mitglied.
Im Hinblick auf Trumps Abrüstungsvertragspläne verlautbart das Bündnis, es wolle sich "uneingeschränkt für die Erhaltung und Stärkung einer wirksamen Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung" einsetzen. Vor allem an den Iran gerichtet dürfte die Passage sein, die NATO-Mitgliedsländer seien "fest entschlossen, den Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen in all seinen Aspekten […] uneingeschränkt umzusetzen". Und neben dem "Cyberspace" betrachtet man künftig auch den Weltraum als "militärisches Einsatzgebiet". Inhaltlich soll es einen "zukunftsorientierten Reflexionsprozess" geben, der die "politische Dimension" der NATO stärken soll.
Anstatt hierzu Erläuterungen abzugeben lobte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Erfolge bei der 2018 ins Leben gerufenen "Readiness Initiative", die eine schnellere Verlegung von Truppen nach Polen und in das Baltikum vorsieht. Dafür seien jetzt zusätzliche 30 Einheiten so umgestaltet worden, dass sie im Falle einer Krise innerhalb von maximal 30 Tagen einsatzbereit wären.