NSU: Bundesamt für Verfassungsschutz findet Handy von totem V-Mann "Corelli"

Seite 2: "Irgendwelche Inhaltevon Relevanz oder gar Brisanz?"

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Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger, CDU, wörtlich: "Man muss ja wissen, dass wir im PKGr einen Sachverständigen zu diesem speziellen Komplex V-Mann Corelli eingesetzt hatten, der auch sehr vertieft die Verbindungen der verschiedenen Handys untersucht hat. Aber offenkundig war dieses Handy dort nicht präsent oder ist nicht gezeigt worden, was auch immer. Wie kann man so ein Handy, obwohl eine mehrfache Überprüfung stattfand, übersehen, woran lag das? Und die zweite Frage, die für uns fast noch interessanter ist: Sind auf diesem Handy irgendwelche Inhalte, die von Relevanz oder gar Brisanz sind?"

Uli Grötsch, Obmann der SPD, schilderte die Sitzung so: "Der Vizepräsident des BfV konnte im Endeffekt keine Auskunft geben, wieso das so lange gedauert hat, bis es im Haus bekannt wurde, wieso man es so spät dem Bundesinnenministerium gegenüber kommuniziert hat, wieso man das Parlament nicht informiert hat, obwohl man Gelegenheit dazu gehabt hätte. Das halte ich für sehr sehr unbefriedigend. Es gibt noch jede Menge zu klären, und wir werden darauf drängen, dass das sehr schnell passiert."

Auch Petra Pau, Obfrau der Linkspartei, setzte hinter die Vorgänge im BfV ein Fragezeichen und zog diesen Schluss: "Das bestärkt nicht gerade mein Vertrauen in die Mithilfe bei der bedingungslosen Aufklärung, wie die Bundeskanzlerin sie gefordert hat."

Armin Schuster, Obmann der CDU, meinte: "Bei der Relevanz, die Corelli seit Jahren hier im Parlament hat - warum machen Mitarbeiter des BfV über Jahre nicht darauf aufmerksam? Diese Frage zu klären, da möchte ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht in der Haut des Amtschefs stecken. Die gute Nachricht ist: Der Fall liegt jetzt beim Generalbundesanwalt."

Und Irene Mihalic, Obfrau der Grünen, formulierte: "Man kann natürlich jetzt trefflich die Frage stellen, ob es sich dabei um organisatorische Fehler im BfV handelt, die dabei gemacht wurden oder ob da andere Dinge im Raum stehen. Ich stelle mir nicht nur die Frage nach organisatorischen Mängeln. Es ist natürlich gut, dass wir jetzt im Untersuchungsausschuss [UA] diese Informationen bekommen haben. Ich weiß nicht, ob die Informationen zu uns gelangt wären, wenn wir den UA nicht hätten."

Bei allen Zweifeln in seine Möglichkeiten - der Vorgang zeigt, dass allein die Existenz des Bundestagsausschusses eine bestimmte Art öffentlicher Kontrolle darstellt.

Untersuchungsausschuss will sich nun auch dem Marschner-Komplex widmen - Richter Götzl lehnt Zeugenbefragung ab

In der nicht-öffentlichen Sitzung beschloss der PUA "NSU II", ab Juni sich in drei Sitzungen dem Komplex um einen weiteren V-Mann des BfV zu widmen: Ralf Marschner, der in den 90er Jahren und Anfang der Nuller-Jahre als Informant "Primus" in Zwickau eingesetzt war. Die Personalie Marschner sorgt seit April für Wirbel, nachdem ein Zeuge beteuert hat, der mutmaßliche NSU-Terrorist Uwe Mundlos habe in einer Baufirma Marschners gearbeitet, also unter den Augen des Verfassungsschutzes. Zu einer Zeit, als das Trio Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe illegal in Zwickau lebte und bereits vier Morde geschehen waren, die dem Trio angelastet werden.

Der Ausschuss will Zeugen aus den zuständigen Behörden, aus den Reihen der Ermittler und aus dem direkten Umfeld Marschners hören. Der Ex-V-Mann selber steht zur Zeit aber nicht auf der Zeugenliste des Gremiums. Ihn unter Umständen doch zu vernehmen, haben die Abgeordneten aber nicht ausgeschlossen. Im Gegensatz zum Oberlandesgericht in München, wo über Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und drei weitere Angeklagte zu Gericht gesessen wird. Ebenfalls am Mittwoch lehnte es der Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Manfred Götzl ab, Ralf Marschner als Zeugen zu hören. Mehrere Nebenklägeranwälte hatten das beantragt.

Nicht nur ein mutwilliger, sondern auch ein fahrlässiger Umgang mit Zeugen. Thomas Richter, Corelli, starb, ehe er befragt werden konnte.