NSU-Ermittlungen: Schützt das Bundeskriminalamt Ralf Wohlleben?

Seite 2: Eine nicht ausgewertete Wegfahrsperre und ein übersehenes Projektil

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Doch die Geschichte, die Hummert vor den Abgeordneten zu erzählen wusste, geht noch weiter und schlug bis in die jüngste Sitzung des Untersuchungsausschusses in Berlin Ende April Wellen. Der 37jährige Professor ist nach eigener Auskunft "Sachverständiger für Wegfahrsperren" von Kraftfahrzeugen. Im Februar 2012 habe ihn ein Kollege aus dem BKA angerufen und gebeten, die Wegfahrsperre aus dem Wohnmobil, in dem in Eisenach-Stregda Böhnhardt und Mundlos tot aufgefunden wurden, auszubauen. In dem entsprechenden Motorsteuergerät können neben der Wegfahrsperre auch Daten über die Bewegungen des Fahrzeuges gespeichert sein.

Hummert baute, wie gewünscht, das Gerät aus, das die BKA-Kollegen an sich nahmen. Dabei fand er auf dem Fahrersitz unter Glasscherben zufällig ein Projektil, Kaliber 9mm, das zu der Maschinenpistole passte, die neben anderen Schusswaffen im Wohnmobil lag. War es bei der Spurensicherung übersehen worden? Hummert wurde aufgefordert, das Teil wieder hinzulegen, wo es lag. Zwei Wochen später kam das Motorsteuergerät vom BKA zurück und Hummert wurde erneut beauftragt, es wieder einzubauen. Dabei stellte er fest, dass es gar nicht ausgelesen worden war, es war ungeöffnet und noch versiegelt. Die Auswertung habe sich erübrigt, sei ihm erklärt worden. Warum, wisse er bis heute nicht. Nach dem Einbau des Gerätes hätten die Kriminaltechniker des BKA die Fahrerkabine weiter untersucht und in der Tür ein zweites Projektilteil gefunden, das zu dem Projektil vom Fahrersitz passte. Soweit die Geschichte aus dem Munde des IT-Professors Christian Hummert.

Erklärungsschwierigkeiten der BKA-Expertin

Nach der seiner Aussage wollte der Untersuchungsausschuss das BKA zu dem Vorgang hören. Eine Sitzung später, Ende April, erschien Sandra Kruse, Physikerin in Diensten des BKA, vor den Abgeordneten. Und es kam zu einem weiteren fragwürdigen Zeugenauftritt aus den Reihen der Ermittlungsbehörden. Warum die Fahrzeugtechnik zwar ausgebaut, aber nicht ausgewertet wurde, konnte sie nicht plausibel begründen.

Man erfuhr nebenbei, dass sie beim Ausbau selber gar nicht dabei war. Ihre Kollegen, erklärte sie, hätten zunächst vor Ort in Eisenach mechanisch geprüft, ob die Autoschlüssel passten. Und nachdem sie passten, habe es keine Veranlassung gegeben, das Steuerungsgerät auszuwerten. Warum es dann trotzdem ausgebaut wurde, warum es trotz Ausbau nicht ausgewertet wurde und warum es schließlich wieder eingebaut wurde - all diese Fragen blieben unbeantwortet.

Hatte ihr Auftritt eine andere Funktion? Tatsächlich griff sie die Zeugenaussage von Christian Hummert, dem IT-Professor und Ex-LKA-Mitarbeiter, vehement an. Der habe die Technik gar nicht ausgebaut, so die BKA-Vertreterin, sondern ihre BKA-Kollegen hätten das getan. Es sei auch nicht Hummert gewesen, der das 9mm-Projektil auf dem Fahrersitz fand, sondern ebenfalls ihre Kollegen. Hummert habe damals nicht Hand angelegt, sondern nur zugeschaut. Er habe auf eigenen Wunsch als Zuschauer dabei sein wollen, weil er etwas lernen wollte.

Bekundungen, umso bemerkenswerter, als die Zeugin gar nicht vor Ort war und das unmittelbare Geschehen gar nicht bezeugen kann, sondern nur wiedergeben kann, was ihre Kollegen angeblich berichtet hätten. Doch genau diese Konstruktion ermöglichte es, die Aussage von Hummert zu entwerten, ohne die Zeugin der Gefahr einer Falschaussage auszusetzen. Eine präparierte Zeugin, eine inszenierte Zeugenaussage? Dazu passt, dass das BKA selber die Zeugin benannt hatte. Nach der Aussage von Hummert hatte der Ausschuss das BKA um einen zuständigen Zeugen gebeten. Benannt wurde mit Sandra Kruse ausgerechnet jemand, der überhaupt nichts bezeugen kann.

Was ist mit den BKA-Männern, die vor Ort waren und die auch Christian Hummert in seiner Aussage erwähnte? Warum werden sie nicht als Zeugen benannt? Weil sie eine Falschaussage riskieren würden, sollten sie Hummert widersprechen? In Fällen, bei denen Aussage gegen Aussage steht, haben Untersuchungsausschüsse die Möglichkeit einer Gegenüberstellung der Zeugen.