NSU-Prozess: Ein Plädoyer wird zur "Kriegserklärung"

Seite 5: Keinerlei Ähnlichkeit

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auch dieser Anschlag soll auf das Konto von Böhnhardt und Mundlos gehen und "keiner anderen Person", so die BAW-Vertreterin. Wer von den beiden die Sprengfalle überbracht hat, habe aber in der Beweisaufnahme nicht geklärt werden können, räumte sie bemerkenswerterweise ein. Tatsächlich hat das Phantombild, das der Vater und Ladeninhaber vom Überbringer fertigen ließ, keinerlei Ähnlichkeit mit Böhnhardt oder Mundlos. Stattdessen mit einem stadtbekannten Neonazi, der zugleich Mitarbeiter des Verfassungsschutzes (VS) von Nordrhein-Westfalen (NRW) war.

Unerwähnt ließ Greger, dass es dem BKA nicht gelungen ist nachzuweisen, dass Böhnhardt und Mundlos tatsächlich die Täter waren. Die frühere VS-Präsidentin von NRW hatte im Bundestag die Einschätzung abgegeben, der Laden in der kleinen Gasse hätte ohne lokale Helfer nicht ausfindig gemacht werden können. Keine Existenz rechter Hintermänner an den Tatorten?

Ganz ähnliche Fragen knüpfen sich auch an die verheerende Nagelbombe vom Juni 2004 in der Keupstraße in Köln, die 23 Menschen zum Teil schwer verletzte. Woher sollen Böhnhardt und Mundlos die von Deutschen, Türken und Kurden bewohnte Straße, die sich von einer Problemzone zu einem positiven Integrationsprojekt entwickelt hatte, gekannt haben? Was hat es mit den zwei mutmaßlichen Beamten in Zivil auf sich, die von einem Anwohner unmittelbar nach der Explosion in der Straße gesehen wurden? Fragen, die die obersten Ermittler des Bundes nie stellten, auch in ihrem Plädoyer nicht. Der Zeuge wurde vor dem OLG in München nie angehört.

Am stärksten und mutwilligsten sind die Widersprüche zwischen den Darstellungen der BAW und anderen Erkenntnissen beim Polizistenmord von Heilbronn. Die Anklagevertreterin ging mit keinem Wort darauf ein. Erneut sollen nur Böhnhardt und Mundlos die Täter gewesen sein. Ihr angebliches Motiv: die "Machtlosigkeit des Sicherheitsapparates vor Augen zu führen".

Auf mindestens vier bis sechs Täter waren die Mordermittler der SoKo Parkplatz des Landeskriminalamtes (LKA) gekommen. Zeugen sahen drei blutverschmierte Männer und ließen Phantombilder erstellen, von denen keines Böhnhardt oder Mundlos ähnelt. Keiner dieser Zeugen wurde im Prozess gehört. Die wiederholt gebrauchte Formel Gregers, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung habe keine anderen Erkenntnisse erbracht als die von der Anklage präsentierten, ist ohne Wert.

Auch der schwerverletzte Kollege der ermordeten Michèle Kiesewetter ließ ein Phantombild von dem Mann anfertigen, der auf ihn geschossen hat und den er kurz gesehen haben will - ebenfalls keine Ähnlichkeit mit einem der zwei Uwes.

Drei Gutachter bescheinigten dem Schwerverletzten eine Erinnerungsfähigkeit. Sie erwähnte Greger in ihrem Plädoyer nicht. Stattdessen nur den vierten Gutachter, der dem Opfer jegliche Erinnerung absprach. Greger verschwieg, dass dieser Gutachter vom leitenden Staatsanwalt in diese Richtung beeinflusst worden war.