Nato und Russland: Blick in den Abgrund

Militärmanöver in Russland. Bild: kremlin.ru

Die Meinungsschlacht um den Ukraine-Konflikt lässt eine Eskalation erahnen, wie sie die Welt lange nicht mehr gesehen hat

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende beschrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die aktuelle Lage so:

Wir haben das Recht, einen Wechsel von einer Appeasement-Politik zu einer Politik zu fordern, die Sicherheit und Frieden gewährleistet. (...) Es muss keinen Dritten Weltkrieg geben. (...) Wir werden unser Land verteidigen. Unsere Soldaten sterben, unsere Zivilbevölkerung stirbt. (...) Die Ukraine sehnt sich nach Frieden und Russland sagt, dass es keinen Krieg möchte. Irgendjemand lügt hier.

Wolodymyr Selenskyj

Die Frage der Unehrlichkeit ist nicht aus der Luft gegriffen, sie verhält sich nur nicht so, wie Präsident Selenskyj es darstellt. In seiner Münchner Rede bekannte er sich zum Friedensplan der Ukraine und Russlands, der unter Vermittlung von Frankreich und Deutschland als Minsker Abkommen zustande kam: Wie viele andere Medien brachte das Greenpeace-Magazin Ende Januar dieses Jahres eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa, in der es hieß:

Russland fordert (...) direkte Gespräche der von Moskau unterstützten Separatistenführungen und der ukrainischen Regierung. Kiew lehnt das ab und bezeichnet die Machthaber in Luhansk und Donezk als "Moskauer Marionetten". Deutschland und Frankreich vermitteln in dem (...) Konflikt. Ihr verhandelter Friedensplan liegt jedoch auf Eis.

Der ukrainische Sicherheitschef Oleksiy Danilov erklärte wenig später laut der Nachrichtenagentur AP zum Friedensplan des Minsker Abkommens: "Die Erfüllung des Minsker Abkommens bedeutet die Zerstörung des Landes".

Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete vor rund zwei Wochen über ein Zusammentreffen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) und dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba. Es werde laut Herrn Kuleba, so hieß es da, "keinen direkten Dialog seiner Regierung mit den prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine geben". Ohne diese Gespräche ist die Umsetzung des Minsker Abkommens allerdings unmöglich.

In diesem Konflikt steht – wie auch Ministerin Baerbock betonte – "nichts weniger auf dem Spiel als der Frieden in Europa". Und sie widersprach ihrem Amtskollegen nicht, als dieser mit seiner Gesprächsverweigerung den Minsker Friedensplan unverhohlen, wenn auch nur implizit aufkündigte. "Die beiden Außenminister unterstrichen (...) die Geschlossenheit der beiden Länder: "Niemand wird es schaffen, einen Graben zwischen der Ukraine und ihren Partnern zu reißen", sagte Kuleba. "Ihr könnt auf uns zählen", versicherte Baerbock.