Nato und Russland: Blick in den Abgrund
Seite 2: Russland-Krise oder Nato-Krise?
- Nato und Russland: Blick in den Abgrund
- Russland-Krise oder Nato-Krise?
- Darum beharrt Russland auf schriftliche Vereinbarungen
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Die Täuschung der Öffentlichkeit hat erstens schon immer zur Vorgeschichte von Kriegen gehört, zweitens dokumentiert sie, wie weit sich die Parteien der Ampel-Koalition von der Friedensverantwortung entfernt haben, die sie in Lippenbekenntnissen immer noch verbreiten.
Außenministerin Baerbock agiert entsprechend, wenn sie in ihrer bereits zitierten Rede auf der Müchnener Sicherheitskonferenz sagte: "Diese Krise ist (...) – und da müssen wir sehr genau beim Framing aufpassen – keine Ukraine-Krise. Sie ist eine Russland-Krise."
Wer aber genau aufpasst, kann zu dem Schluss kommen, es handele sich hier um eine Nato-Krise. Die Nato-Strategieschmiede Joint Air Power Competence Center (JAPCC) mit Sitz im nordrhein-westfälischen Kalkar jubelte 2014 nach dem Staatsstreich in Kiew und der auf ihn folgenden Krim-Krise:
Die Nato spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung eines stabileren Europas. Sie brachte Frieden auf den Balkan und zwölf neue Mitgliedsstaaten in die Allianz. Dies bewirkte ... eine bisher nie erreichte Situation eines fast gänzlich freien Europa im Frieden.
Diese Selbsttäuschung, mit der Konsequenz einer Täuschung der Öffentlichkeit hat ihren Kern im Bruch der mündlichen Vereinbarungen der Westmächte und der damaligen Sowjetunion aus den Jahren 1989 und 1990 während der Verhandlungen über die Aufnahme der DDR in das Nato-Land Bundesrepublik Deutschland.
Dazu hielt damals der Staatssekretär im Bundesaußenministerium Jürgen Chrobog (FDP) als Verhandlungsresultat fest:
Wir haben in den Zwei-plus-vier Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen. Wir können daher Polen und den anderen keine Nato-Mitgliedschaft anbieten.
Jürgen Chrobog
Heute erklären die Nato-Kräfte und ihre Unterstützer wie Bundesaußenministerin Baerbock, es sei Russland, das die Sicherheitsarchitektur Europas infrage stelle, indem es ein "System der Mächterivalität und Einflusssphären" einfordere, denn: "Über den Weg, den ein Land gehen will, können nur das Land selbst, und vor allen Dingen seine Menschen entscheiden."
Das ist ein leicht durchschaubares Narrativ zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Es klingt auf den ersten Blick plausibel, weshalb es seine Wirkung erzielt. Natürlich hat die Nato immer mitzuentscheiden, wen sie als Alliierten aufnimmt und wen nicht. Das ist nicht nur die Entscheidung des Staates, der sich um Aufnahme bewirbt. Ohne Einladung, ohne Aufnahmebereitschaft kommt es nicht zur Aufnahme; das zeigt schließlich schon der Umgang der EU mit dem Aufnahmeantrag der Türkei.