Negativzinsen federn Kosten der Corona-Rezession ab

Seite 2: Effektive Negativzinsen bieten viele Chancen

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Es wäre ehrlicher und zielführender, über Negativzinsen zu beraten. Effektive Negativzinsen bieten viele Chancen und sind leicht umsetzbar.

Umschuldungen auf negativ verzinste Kredite schaffen für unverschuldet in Not geratene Betriebe Spielraum, den Krisenzeitraum zu überbrücken. Sie verringern die Zinsbelastung über die Zeit, anstatt sie, wie bisher üblich, ständig anwachsen zu lassen.

Warum die öffentliche Diskussion auf breiter Front unterbleibt, ist unklar. Im Folgenden einige Fakten und Zusammenhänge, die den Vorteil niedriger Zinsen verdeutlichen und einige Missverständnisse, die oft zitiert werden, um eine vermeintliche Unmöglichkeit eines Minuszins-Niveaus zu begründen.

Einige Fakten sind in der Debatte bereits relativ unstrittig

  • Die Bundesregierung ist derzeit besonders handlungsfähig, weil die Staatskasse durch die niedrigen Zinslasten seit Jahren um zig-Milliarden Euro entlastet wird.
  • Für die deutlich höher verschuldeten Staaten werden die jetzt anstehenden Sonderbelastungen nur tragbar, wenn die zusätzlichen Schulden durch eine Negativverzinsung überschaubar bleiben. Durch positive Verzinsung exponentiell ansteigende Zinslasten, wie wir es seit den 1970-er Jahren erlebt haben, würden viele Staatshaushalte in den Ruin treiben.
  • Die Beschäftigungsquote ist so hoch wie nie zuvor, weil durch sinkende Zinslasten die Investitionsquote enorm hoch ist. Beide Faktoren haben auch dazu geführt, dass die Lohnquote seit ca. zehn Jahren permanent gestiegen ist.
  • Die Renten und die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung steigen seit ca. zehn Jahren an, aktuell um 3,45 %.
  • Banken können sich ganz aktuell mit -0,75 % refinanzieren. Ihr Problem ist nicht der niedrige Refinanzierungssatz, sondern die Tatsache, dass sie viele Billionen € an täglich fälligen Einlagen verwalten, die ihnen eigentlich als mittel- und langfristige Einlagen für das Kreditgeschäft zur Verfügung stehen sollten.
  • Die Banken leiden aktuell vor allem daran, dass sie die Kosten für die enorme Liquidität nicht an die Verursacher, die Besitzer der Geldhorte, weiterreichen können (fehlende Geldgebühr).
  • Auf dem Geldmarkt ist nicht der Negativzins das Problem, sondern die zu flache Zinsstruktur, also die Differenz zwischen Liquidität und langfristigen Einlagen.
  • Banken machen bei niedrigem Zinsniveau bessere Geschäfte, weil das Ausfallrisiko und damit ihre Verluste bei steigenden Zinsen steigen.
  • Es ist doch kein Zufall, dass die letzten Finanzkrisen immer nach einer Phase von Zinserhöhungen ausgebrochen sind.
  • Das Wirtschaftswachstum in Deutschland ist seit ca. zehn Jahren ziemlich niedrig, nicht trotz, sondern genau wegen des niedrigen Zinsniveaus. Steigende Zinsen sind Wachstumstreiber und destabilisieren die gesamtgesellschaftliche Struktur. Hohe Zinsen erfordern von der Politik einen Rahmen, der hohe Gewinne für die Betriebe ermöglicht. Niedrige Zinsen ermöglichen mehr Beschäftigung und gesetzliche Rahmenbedingungen, die ökologisches Verhalten fördern oder ermöglichen.
  • Niedrige und negative Zinsen ermöglichen es den Betrieben auch ohne permanentes Wachstum zu überleben. Sie ermöglichen Vollbeschäftigung und eine ökologisch nachhaltige Kreislaufwirtschaft.

Es gibt aber auch Kontroversen

Die bürgerliche Presse behauptet seit Jahren massiv, durch Negativzinsen würden Sparer enteignet, Versicherungen würden ruiniert und den Geschäftsbanken würden die Existenzrundlagen entzogen. Dies ist nachweislich falsch.

Wird die "Versicherungswirtschaft kaputt gehen", wenn Geldvermögen negativ verzinst werden?

Es ist zwar richtig, dass Kapitallebensversicherungen heute von dauerhaft positiven Zinssätzen ausgehen und somit kein lukratives Geschäftsmodell bei negativen Zinsen darstellen. Aber kapitalgedeckte Risikolebensversicherungen und Rentenversicherungen wird es unabhängig vom Zinsniveau immer geben. Es ist davon auszugehen, dass es den meisten Versicherern gelingen wird, überholte Geschäftsmodelle durch andere Versicherungsgeschäfte zu ersetzen.

Sicherlich wird die Versicherungswirtschaft ihr kostspieliges Vertriebssystem und andere Kostenfaktoren senken müssen, und auch die Gewinnspannen werden sich dem allgemeinen Marktgeschehen angleichen. Solche Anpassungen stellen aber die Versicherungswirtschaft an sich nicht infrage.

Schadet es den Bilanzen der Banken, wenn Geldvermögen negativ verzinst werden?

Tatsächlich stellen sich die Banken derzeit auf ein anhaltendes Null-Zins-Niveau ein. Das laute Gebrüll einiger Verbandssprecher kann davon nicht mehr ablenken. Ihr Geschäftsvolumen allerdings wird zurückgehen, wenn Unternehmen und Konsumenten Ausgaben immer stärker aus eigenen Rücklagen tätigen können.

Müssen wir also Mitleid haben, wenn weniger Kreditverträge nachgefragt werden und die Bürotürme der Banken nicht mehr in den Himmel wachsen? Banken sind Dienstleister. Ihre Bedeutung und Größe sollten sich am Bedarf der übrigen Wirtschaft orientieren. Mit modernen Geschäftsmodellen und dem Markt angepassten Kostenstrukturen haben Banken ihre Berechtigung. Als Herrscher über die Volkswirtschaft haben die Broker und Vorstände vermutlich ausgedient.

Warum sollten bei Minus-Zinsen "Billionen an Spareinlagen von kleinen Leuten kaputtgehen"?

Nur wer sehr große Beträge liquide hält, wird durch Negativzinsen spürbar belastet. Die Spareinlagen der kleinen Leute schmelzen dahin, wenn die Inflation höher ist als ihre Verzinsung.

"Der Kleinsparer wird nicht durch die Einführung von Negativzinsen betrogen, sondern dadurch, dass es keine gibt."

Erzeugen niedrige Zinsen Fehlallokationen und Zombieunternehmen?

"Der Zins zeigt, ob Investitionen sinnvoll oder riskant sind", lautet ein oft zitiertes Argument gegen niedrige Zinsen. Richtig ist, dass im Zins ein Risikoanteil steckt. Dessen Existenz ist allerdings unabhängig vom allgemeinen Zinsniveau. Er wird gerne ideologisch instrumentalisiert, um ein allgemein positives Zinsniveau zu rechtfertigen.

Aus Sicht des Kapitals ist eine hohe Rendite wünschenswert. Für die Allgemeinheit sind jedoch andere Kriterien wichtig. Wenn man dem Geld-Kapital die Möglichkeit nimmt, positive Zinsraten zu erzwingen, gibt es auch keine sogenannte "Zombiewirtschaft". Betriebe, die eine geringe Kapitalrendite erwirtschaften, als Zombies zu bezeichnen, ist eine Perversion des Wirtschaftsgeschehens. Das Kapital hat der Gesellschaft zu dienen und nicht umgekehrt.

Fehlallokation gab es jahrzehntelang, weil Kapital durch die hohen Zinsforderungen in kapitalintensive Bereiche mit hohen Profitraten gelenkt wurde: Kernenergie, Rüstungsindustrie, Automobilproduktion, Flugzeugindustrie.

Schon 2006 habe ich in meinem Buch ("Das Märchen vom guten Zins") erläutert, dass nachhaltige Energieproduktion sich am Markt durchsetzen wird, wenn die Kapitalmarktzinsen gegen null gehen. Ökologische und soziale Investitionen, sowie alle arbeitsintensiven Dienstleistungen profitieren von niedrigen Zinsraten und Minuszinsen. Fehlallokation wird vermieden, indem die Realwirtschaft den Forderungen des zinstragenden Kapitals unterworfen wird oder indem man dafür sorgt, dass der Geldmarkt auch bei Zinsen um null (bei absolutem Finanzkapital-Überangebot entsprechend auch unter null) funktioniert.

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