Nein, die AfD ist nicht die Partei der kleinen Leute
Wie verhält sich die AfD zu den Interessen von denjenigen, die nicht zu den Großverdienern zählen? Ein Gewerkschafter klärt auf. Eine kommentierte Dokumentation
In der Auseinandersetzung mit der AfD stand in den vergangenen Wochen das Treffen in der Nähe von Potsdam zur "Remigration" im Zentrum. Neu ist es nicht, dass AfD-Politiker öffentlich erklären, wer ihrer Meinung nach aus Deutschland verschwinden soll. Im Unterschied zur Migrationspolitik von CDU, SPD, FDP und Grünen sprechen sich AfD-Politiker immer wieder dafür aus, auch deutsche Staatsbürger mit migrantischer Herkunft aus der Bundesrepublik zu entfernen.
Schon 2017 sagte Alexander Gauland über die damalige SPD-Vizevorsitzende und Staatsministerin Aydan Özoğuz: "Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können."
Die Sozialdemokratin Özoğuz ist in Deutschland geboren und deutsche Staatsbürgerin.
Was hat die AfD dem Bürger anzubieten?
Für das Gespräch mit Mitbürgern, die Sympathien für die AfD zeigen und zugleich (noch?) nicht zur eingeschworenen Anhängerschaft dieser Partei zählen, ist es nützlich, sich ins Gedächtnis zu rufen, was diese Partei unabhängig von der "Ausländer/Inländer"-Frage anzubieten hat. Der Gewerkschafter Tobias Huth hat das in seiner Rede auf der Kundgebung (17. Februar 2024) zum vierten Jahrestag der rassistischen Morde in Hanau gut zusammengefasst.
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Neu sind diese Informationen im Einzelnen nicht, aber wer hat sie schon komplett präsent? Darauf kommt es aber an, wenn es darum geht, in persönlichen Gesprächen Anstöße dafür zu geben, über die politischen Anliegen der AfD nachzudenken.
Analyse: Gewerkschafter zu AfD-Positionen
Die AfD will eine Partei der kleinen Leute sein. Doch sie vertritt eben nicht die Interessen der Beschäftigten. Weder hat diese Partei Konzepte noch Lösungen für die gesellschaftlichen Krisen des 21. Jahrhunderts.
Gute Löhne, sichere Arbeit, bezahlbare Wohnungen, gute Bildung und Sicherheit im Alter – das sind zentrale Eckpfeiler für ein sicheres und planbares Leben. Ein finanziell gut aufgestellter Sozialstaat und Gewerkschaften, die die Interessen der Beschäftigten durchsetzen, sind dafür Voraussetzung. Von der AfD haben Beschäftigte jedoch in allen Bereichen nichts zu erwarten.
Dem Anstieg des Mindestlohns auf zwölf Euro hat die AfD 2022 im Bundestag nicht zugestimmt, weil "die politische Anhebung des Mindestlohns den Markt außer Kraft setze".
Ob Lohnsteigerungen, Tarifbindung, soziale Sicherheit oder Arbeitnehmer:innenrechte – die AfD bietet keine Lösungen an. Im Gegenteil, sie vertritt in arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Belangen eine neoliberale Politik. Die Folge: Weniger Fairness auf dem Arbeitsmarkt und weniger soziale Absicherung für Beschäftigte.
Auch die Ausweitung des Streikrechts wurde von ihr im Bundestag abgelehnt. Mehr Tarifverträgen stellt sie sich in den Weg.
Als im Bundestag während der Corona-Pandemie über eine Sonderprämie für Beschäftigte in sogenannten systemrelevanten Berufen gesprochen wurde, war es die AfD, die das ablehnte. Die Begründung: Es sei unklar, wie das finanziert werden solle. Die AfD war nicht bereit, den großen Einsatz von Verkäufer:innen, Pflegepersonal oder Erzieher:innen während der Pandemie zu würdigen.
Ganz anders agiert die AfD, wenn es um eine Besteuerung von Spitzenverdiener:innen und enormen Vermögen geht. Hier stimmen die AfD-Parlamentarier:innen für Steuerentlastungen und gegen jeden Vorstoß, Reichtum stärker zu besteuern. Den Staat und damit auch die sozialen Sicherungssysteme möchte die AfD finanziell ausbluten: Die sogenannte Schuldenbremse, die in Wahrheit eine Bremse für Zukunftsinvestitionen ist, wird von niemandem im Bundestag so vehement verteidigt wie von der AfD.
Auch bei der Frage nach bezahlbarem Wohnen steht die Partei klar aufseiten der großen Wohnungskonzerne: Jeder Vorschlag zu einer möglichen Mietpreisbremse wurde von ihr im Bundestag abgelehnt.
Zur Rentenfrage hat die AfD auch keine Lösungsansätze. Sie lehnt ein höheres Rentenniveau ab und will es sogar noch weiter absenken. Würde die AfD Millionen Menschen aus dem Arbeitsleben abschieben – wie sie offenbar plant – dann zahlen auch weniger Menschen Rentenbeiträge. Ein sinkendes Rentenniveau wäre bei der AfD zwangsläufig die Folge. Stattdessen sollen nach dem Willen der AfD die Menschen einfach mehr privat vorsorgen. Wie die Beschäftigten sich das leisten sollen, lässt die Partei offen.
Außerdem schließt die AfD nicht aus, alle immer länger arbeiten zu lassen. Für Ärmere mit harter Arbeit bedeutet das eine Rentenkürzung: Sie sterben früher und beziehen kürzere Zeit Rente.
Wer früher in Rente geht als mit 67, muss nach dem Willen der AfD weiter hohe Abschläge in Kauf nehmen. Die AfD will obendrein über 15 Milliarden Euro jährlich aus der Rentenkasse plündern, um eine Gebärprämie zu zahlen. Welche Familien eine solche Prämie bekommen sollen, entscheidet sich danach, ob sie der AfD deutsch genug ist.
Tobias Huth ist Regionsgeschäftsführer des DGB Südosthessen. Die Rede wird zitiert nach der Zeitung "Arbeiterpolitik", 65. Jg., H. 1, März 2024, S. 9f.
Widersprüche in der Position der AfD zu den Bauern
Kurz nachdem die Ampelkoalition die Subventionskürzungen unter anderem beim Agrardiesel verkündet hatte, veröffentlichte die AfD ihr "Sofortprogramm Landwirtschaft". Darin fordert die Partei an erster Stelle die "Verdopplung der Agrardiesel-Rückerstattung". Der zweite Punkt: "Keine Kfz-Besteuerung ohne Ausgleich". Und drittens: "Verantwortungslose Energiepolitik der Ampel und der EU sofort stoppen".
Klare Positionen, mit denen die AfD offenkundig bei den Landwirten punkten wollte. Das Problem nur: Im AfD-Grundsatzprogramm steht teilweise etwas ganz anderes; mindestens wird im direkten Vergleich der Programme ein Widerspruch deutlich.
AfD: Mehr Geld für Bauern – und auch weniger
Während die AfD in ihrem "Sofortprogramm" mehr öffentliche Gelder für die Landwirtschaft fordert, spricht sich die Partei in ihrem Grundsatzprogramm deutlich gegen staatliche Unterstützung aus. Dort heißt es: "Die AfD lehnt Subventionen generell ab." Man wolle "gleiche Regeln für alle – ob groß, ob klein, in jeder Branche".
Das eigens für die Landwirtschaft aufgesetzte Kapitel trägt zudem den Titel: "Weniger Subventionen, mehr Wettbewerb". Darin fordert die Partei, dass EU-Subventionen nach dem "Gießkannenprinzip" sowie bürokratische Überreglementierungen "Schritt für Schritt zurückzufahren" sind".
Viktoria Koenigs, NDR
Beim Thema "Agrardiesel" geht es der AfD nicht darum, sich für "die kleinen Leute" einzusetzen. Wer pauschal Kürzungen gegenüber "den Bauern" beanstandet, unterscheidet nicht zwischen agrarindustriellen Großbetrieben bzw. Großbauern und Kleinbauern.
Die einen machen satte Profite und können Kürzungen verkraften, für die anderen geht das an die Substanz.
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