Neue US-Raketen in Deutschland: Sicherheit oder Risiko?

Bundeskanzler Olaf Scholz vor Mikrofonen

Symbolbild: Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz in Washington, D.C.

(Bild: steflas/Shutterstock.com)

USA und Deutschland einigen sich auf neue US-Raketen. Ab 2026 sollen drei Typen stationiert werden. Doch was bedeutet das für Deutschlands Sicherheit?

Kaum beachtet in den USA – aber sehr wohl in Deutschland – wurde eine Vereinbarung zwischen Washington und Berlin auf dem NATO-Jubiläumsgipfel im Juli.

Verstoß gegen den INF-Vertrag?

Erstmals seit den 1980er Jahren hat Deutschland der Stationierung von drei US-Raketentypen (unter US-Kommando) auf seinem Territorium ab 2026 zugestimmt: dem Tomahawk Block 4 Marschflugkörper mit einer Reichweite von knapp über 1600 Kilometern, der Standard Missile-6 (SM-6) mit einer Reichweite von 370 Kilometern, die vor allem für die Luftverteidigung vorgesehen ist, und einer noch in der Entwicklung befindlichen Langstrecken-Hyperschallwaffe (LRHP) mit einer Reichweite von über 2900 Kilometern.

Zwei dieser Raketen werden in der Lage sein, tief nach Russland vorzudringen, und beide werden Moskau treffen können. Sie sind konventionell bewaffnet, aber nuklearfähig, obwohl eine Umrüstung in diese Rolle eine neue Vereinbarung erfordern würde. Diese Vereinbarung sagt jedoch nichts darüber aus, ob Deutschland irgendeine Kontrolle über die Raketen auf seinem Boden haben wird.

Unser Gastautor Anatol Lieven
(Bild: X)

Die Stationierung von Tomahawks und LRHPs verstößt gegen den INF-Vertrag (Intermediate-Range Nuclear Forces) von 1987, der die Stationierung landgestützter Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5000 Kilometern verbietet. Die Trump-Administration zog sich 2019 aus dem INF-Vertrag zurück, und Russland setzte daraufhin seine eigene Einhaltung aus.

Die Biden-Administration hat keine Versuche unternommen, eine Rückkehr zum Vertrag auszuhandeln.

Die Kontroverse

Sowohl die Trump- als auch die Obama-Administration haben behauptet, dass die russische ballistische Rakete Iskander SRBM (nuklear, aber nicht nuklear bestückbar) mit einer angegebenen Reichweite von weniger als 500 Kilometern (innerhalb des Geltungsbereichs des INF-Vertrags), die in Kaliningrad stationiert ist (dem isolierten Gebiet an der Ostsee, das an Polen und Litauen grenzt und 530 Kilometer von Berlin entfernt ist), in Wirklichkeit eine größere Reichweite hat und somit gegen den Vertrag verstößt.

Diese Behauptung wurde jedoch nie von unabhängiger Seite bestätigt, und nach der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 machte es die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und Russland unmöglich, diese Frage auf dem Verhandlungsweg zu lösen.

Erstaunlicherweise (für eine Demokratie) wurde die jüngste Entscheidung der deutschen Regierung über die Stationierung der neuen Raketen ohne vorherige Diskussion im Deutschen Bundestag und ohne vorherige nationale Debatte getroffen.

Dies hat zu der Kontroverse in Deutschland beigetragen. Das außen- und sicherheitspolitische Establishment und die Mehrheit der politischen Elite befürworten die Stationierung. Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) und das linke Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sind strikt dagegen.

Unterdessen ist die Sozialdemokratische Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Frage gespalten, obwohl allgemein davon ausgegangen wird, dass sich die Abweichler letztlich hinter die Regierung stellen werden.

Die deutsche Bevölkerung ist gespalten. Nach der jüngsten Umfrage sind 49 Prozent gegen die Raketen und 45 Prozent dafür. In Ostdeutschland steigt der Anteil der Gegner jedoch auf 74 Prozent, nur 23 Prozent sind dafür. Bei drei Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Monat haben AfD und BSW, beide Befürworter eines Kompromissfriedens in der Ukraine, enorme Zugewinne verzeichnet.

Das Thema trägt also zu den regionalen Spannungen in Deutschland bei und es ist zu erwarten, dass es bei den Bundestagswahlen im nächsten Jahr eine wichtige Rolle spielen wird.