Neuverschuldung explodiert, Wirtschaftsleistung schrumpft weiter

Steinbrück stimmt die Bürger langsam, aber sicher auf Verzicht ein

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Die Zahlen sind hart und es dürfte sogar noch schlimmer kommen, als die ohnehin geschätzt wird. In seiner Frühjahrsprognose hat der Arbeitskreis Steuerschätzung errechnet, dass Bund, Länder und Gemeinden bis 2013 rund 316 Milliarden Euro an Steuerausfällen zu verkraften haben. Das sind sogar noch etwa 45 Milliarden weniger, als noch im November erwartet wurde. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte mit 3,8 % so stark wie noch nie seit dem Beginn der Berechnungen.

2010 wird die Neuverschuldung angesichts der Wahlgeschenke, der Bankenrettung um jeden Preis, steigender Arbeitslosigkeit und weg brechenden Steuereinnahmen explodieren. Auch die neue Hiobsbotschaft aus dem Statistischen Bundesamt (Destatis) von heute macht dies deutlich. Der Abschwung hat sich im ersten Quartal 2009 verschärft. Das BIP fiel - preis-, saison- und kalenderbereinigt - in den ersten drei Monaten um 3,8 % niedriger aus als im Schlussquartal des Jahres 2008. Das BIP ist zum vierten Mal in Folge gegenüber dem Vorquartal geschrumpft und verzeichnet nun den größten Rückgang seit dem Beginn der Berechnung und Veröffentlichung amtlicher Quartalsergebnisse im Jahr 1970.

So gibt die Bundesregierung in Brüssel längst offen zu, was sie offen gegenüber der Bevölkerung (noch) nicht ausspricht: Das Staatsdefizit wird deutlich höher ausfallen. Die EU-Kommission geht 2009 von knapp 4 % und 2010 von etwa 6 % aus. Sie wird deshalb auch gegenüber Deutschland demnächst ein Defizitverfahren einleiten.

Steinbrück beginnt nun langsam aber damit, die Bürger auf kommende Einschnitte einzustimmen. Er deutet an, dass die Steuerzahler eine lange Zeit zur Kasse gebeten werden. Der "Bund" – erklärt er verschleiernd - werde die gesamte kommende Legislaturperiode und darüber hinaus damit beschäftigt sein, von den hohen Schulden wieder herunterzukommen, sagte er im Deutschlandfunk. Eine derartige Nettokreditaufnahme "hat es in der Geschichte noch nicht gegeben".

Dass er für das absehbare Desaster mitverantwortlich ist, weil er lange die Realität nicht erkannte oder nicht wahrhaben wollte, räumte er allerdings nicht ein. Erst langsam begann er im vergangenen Herbst 2008 überhaupt festzustellen, dass Deutschland in einer Rezession steckt, und kündigte an, dass "ein schweres Jahr 2009" vor uns läge. Als Ausrede führte er an, niemand hätte die Lage vorhersehen können, obwohl viele Experten schon vor Jahren genau vor dem nun ablaufenden Szenario gewarnt hatten. Doch Steinbrück gefiel sich lange in der Rolle des deutschen Lehrmeisters: "Die Finanzmarktkrise ist vor allem ein amerikanisches Problem", sagte er im Parlament. Deutschland sei weit weniger von der Krise betroffen als die USA, behauptete er in völliger Verkennung der Lage. Denn allen war klar, dass der Exportweltmeister unter einer weltweiten Rezession stark zu leiden haben würde.

Doch im Interview ging Steinbrück der Frage, auf welche Einschnitte sich die Bundesbürger einstellen sollen, wortgewandt aus dem Weg. Mit Sicherheit kann vorhergesagt werden, dass nach den Bundestagswahlen das Skalpell an Sozialausgaben und anderen Leistungen angesetzt wird. Da Steinbrück die Forderungen nach Steuersenkungen vehement zurückweist, darf auch davon ausgegangen werden, dass zur Haushaltskonsolidierung weitere Steuererhöhungen für die breite Masse der Bevölkerung in Zukunft drohen.