Niederländisches Impfgesetz für Kindergärten dürfte trotz Verabschiedung scheitern
Das kurz vor der Coronapandemie vom Parlament angenommene Gesetz soll es Kindergärten erlauben, nur geimpfte Kinder anzunehmen. Da darunter nun aber auch die Corona-Impfung fällt, wird es wohl im Kontrollverfahren scheitern
In Deutschland wurde kurz vor der Coronapandemie, im November 2019, mit großer Mehrheit im Bundestag das Masernschutzgesetz verabschiedet. Dieses soll vor allem Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht selbst geimpft werden können, vor der gefährlichen Viruserkrankung schützen. Nachdem eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz im Eilverfahren scheiterte, liegt es nun noch zur genaueren Prüfung beim Bundesverfassungsgericht.
In zeitlicher Nähe zu den Vorgängen in Deutschland hatten auch zwei niederländische Abgeordnete von der bürgerlich-liberalen Partei D66 einen Gesetzesvorschlag eingereicht. Dieser soll es Kindergärten erlauben, nur geimpfte Kinder anzunehmen. Aufgrund der Schulpflicht im Alter von 5 bis 16 Jahren kann es für Schulkinder keine derartige Regelung geben.
Laut den Initiativnehmern von D66, Rens Raemakers und Paul van Meenen, soll das Gesetz die Wahlfreiheit von Eltern vergrößern: Möchten sie ihren Nachwuchs vielleicht in einen Kindergarten schicken, in dem nur geimpfte Kinder sind?
Ob diese Betreuungseinrichtungen unter den zurzeit geltenden Regelungen ungeimpfte Kinder ablehnen dürften, ist rechtlich unklar.
Vor Corona: Große parlamentarische Mehrheit für Impfgesetz
Der Gesetzesvorschlag wurde am 18. Februar 2020, nur neun Tage vor Bestätigung des ersten Falles von Corona in den Niederlanden, mit großer parlamentarischer Mehrheit in der "Tweede Kamer" in Den Haag angenommen. Sogar die rechtspopulistische PVV von Geert Wilders und das rechtspopulistische "Forum voor Democratie" (FvD) von Thierry Baudet stimmten dafür.
Zur Erinnerung: Letzterer wurde während der Corona-Pandemie gerichtlich das Verbot auferlegt, die Corona-Schutzmaßnahmen weiter mit dem Holocaust zu vergleichen.
Gegen das Impfgesetz votierten neben der "Socialistische Partij" (SP) nur die drei christlichen Parteien SGP, CDA und ChristenUnie. Dass es noch nicht in Kraft getreten ist, hat formelle Gründe. Ähnlich wie beim deutschen Bundesrat müssen Gesetzesvorschläge in den Niederlanden auch das parlamentarische Oberhaus beziehungsweise den Senat (formal: "Erste Kammer der Generalstaaten") passieren.
Diese Institution kann zwar keine eigenen Gesetzesinitiativen einbringen, die Beschlüsse der größeren "Tweede Kamer" aber kippen.
Nun hat die seit Januar 2022 mit großer Mühe zusammengekittete vierte Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte in der "Tweede Kamer" zwar nur eine hauchdünne Mehrheit und im Senat gar keine mehr. Dass das Gesetz im Kontrollverfahren wahrscheinlich scheitert, hat jedoch andere Gründe.
Die Regelungen
Die Regelung beinhaltet nämlich keine konkreten Impfungen, sondern verweist allgemein auf das niederländische "Reichsimpfprogramm" – "Reich" bezieht sich aufs Königreich Niederlande. Die darunter fallenden Impfungen werden vom Gesundheitsministerium gratis angeboten und im Alter von drei Monaten bis 14 Jahren verabreicht.
Dabei geht es – geordnet nach zeitlicher Reihenfolge – um Schutz gegen Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Polio (Kinderlähmung), Haemophilus influenzae b, Hepatitis B, Pneumokokken, Mumps, Masern, Röteln, Meningokokken und Humane Papillomviren. Einige dieser Impfungen werden wiederholt gegeben, um den Schutz aufzubauen. Ab dem Alter von 12 Jahren müssen dafür übrigens nicht nur die Eltern, sondern auch das Kind selbst zustimmen.
Für Kinder fällt darunter zwar zurzeit keine Impfung gegen das Coronavirus. Die Bedeutung der Gesetzesinitiative wurde am 19. April aber im Senat ausführlich in dieser Hinsicht diskutiert. Dabei wurde auch auf den sozialen Unfrieden verwiesen, den Top-Down-Regeln zu Impfungen auslösen können.
Für Erwachsene wurden – aus praktischen Gründen – die Coronaimpfungen allerdings sehr wohl in das "Reichsimpfprogramm" aufgenommen. Dazu erklärte Senator Peter van der Voort von D66, dessen Parteikollegen den Gesetzesvorschlag eingebracht hatten, dass das wahrscheinlich nur vorübergehend so bleiben wird.
Konsequenzen
Laut dem im Februar 2020 verabschiedeten Gesetzestext müssten dann aber Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kindergärten entlassen werden, wenn sie nicht gegen Covid geimpft sind. Wohlgemerkt würde das noch voraussetzen, dass sich ein Kindergartenbetreiber für die Umsetzung der Regelung entscheidet. Der Gesetzgeber würde also nur die Möglichkeit schaffen und niemanden zu ihrer Umsetzung verpflichten.
Dennoch verwies unter anderem Senatorin Mei Li Vos von der SPD-ähnlichen PvdA darauf, dass der Gesetzesvorschlag dann bei bestimmten Einrichtungen "für die Mitarbeiter implizit eine Verpflichtung zur Impfung gegen das Coronavirus" enthält.
Im Endeffekt signalisierten Abgeordnete von GroenLinks, PvdA und PVV, ihre vorherige Zustimmung zurückzuziehen. Damit würde der Vorschlag bei der Abstimmung im Senat am 10. Mai scheitern.