Niger: Kriegsgefahr in Afrika wächst – aggressives Frankreich und lavierende USA

Seite 2: Die Gefahr eines neuen "afrikanischen Weltkriegs"

Treibende Kraft bei einem gewaltsamen Vorgehen, das jedoch beträchtliche Eskalationsrisiken für die gesamte Region und die Gefahr eines neuen "afrikanischen Weltkriegs" nach dem zu Anfang der 2000er Jahre in der Demokratischen Republik Kongo (u.a. unter Beteiligung von Rwanda, Angola, Zimbabwe…) geführten Kriegs heraufbeschwören könnte, ist vor allem Frankreich.

Am vorgestrigen Mittwoch warf die neue Staatsführung in Niamey der französischen bereits vor, ihren Luftraum verletzt zu haben, man habe vom Tschad her ein Militärflugzeug in den geschlossenen nigrischen Luftraum eindringen lassen. Näher lässt sich dieser Vorwurf augenblicklich nicht überprüfen.

Daneben beruft sich das offizielle Frankreich nun wiederum auf den "illegitimen" Charakter der seit nunmehr einer guten Woche amtierenden neuen (faktischen) Machthaber, um grundsätzlich zu verweigern, was diese jetzt einfordern: die Aufkündigung der seit 1961 sowie 1977 sukzessive abgeschlossenen Militärabkommen des Staates Niger mit Frankreich, von denen zumindest einige Klauseln der Geheimhaltung unterlagen.

Ein ziemlich schlechter Witz aus Paris

Nur mit demokratisch legitimierten Regierenden, verlautet dazu nun aus Paris, könne man darüber diskutieren. Doch dies ist natürlich ein ziemlich schlechter Witz: Im Laufe der jüngeren Geschichte des 1960 formal unabhängig gewordenen Landes fanden vier erfolgreiche Militärputsche und mindestens sieben Putschversuche statt.

Die klare Mehrzahl der regierenden Staatspräsidenten ging selbst aus Putschen hervor.

Das älteste derzeit gültige militärische "Kooperationsabkommen" zwischen Paris und Niamey, dasjenige vom 19. Februar 1977, das zu den soeben von nigrischer Seite aufgekündigten vier Abkommen zählt, wurde unter dem 1974 aus einem Armeeputsch (zunächst gegen den Willen der Entscheidungsträger in Frankreich) siegreich hervorgegangenen Staatspräsidenten Seyni Kountché abgeschlossen.

Es wurde also just mit einer Putschregierung eingegangen.

Frankreich: Forderungen im Befehlston

Forderungen im Befehlston aus Paris können deswegen die Vorgänge im Niger nur verschärfen und der neuen Militärregierung eher Popularität verschaffen denn nehmen.

Auch wenn ein Teil der Bevölkerung sich derzeit eher "zwischen dem Hammer der Militärs und dem Amboss der Cedeao/Ecowacs" sieht, wie eine in Niamey tätige Anwältin (Name ist der Redaktion bekannt) es gegenüber dem Verfasser dieser Zeilen formuliert hat: Rund 30.000 Menschen nahmen am vorigen Sonntag in einem Stadion in Niamey an einer Unterstützungskundgebung für den Machtwechsel teil.

Unterstützung erhält Frankreich potenziell von eben dieser westafrikanischen Regionalorganisation. Dazu stünden der Cedeao respektive EcowAS rund 245.000 Soldaten zur Verfügung. Auf nigrischer Regierungsseite stünden dem rund 30.000 Soldaten gegenüber, zusammen mit den verbündeten Staaten könnte diese Zahl auf 57.000 angehoben werden.

Interventionshindernisse

Doch zuletzt kam aufseiten der Regionalorganisation ein politisches Interventionshindernis auf: In Nigeria, also bei der mit Abstand stärksten Militärmacht innerhalb der Wirtschaftsorganisation westafrikanischer Staaten, verweigerte der Senat (also das parlamentarische Oberhaus) dem im Februar dieses Jahres frisch gewählten Bola Tinubu die Zustimmung zur Intervention.

Würde das Staatsoberhaupt dennoch eine Entscheidung zum kriegerischen Agieren treffen, dann könnte dies dort eine Verfassungskrise auslösen.

Ansonsten befürworteten innerhalb der Cedeao respektive Ecowas zunächst vor allem die Staatsführungen im Senegal, in der Côte d’Ivoire (oder Elfenbeinküste) sowie in Benin ein militärisches Eingreifen. Allerdings setzt die Regierung in Benin, wo dagegen Proteste stattfanden, inzwischen laut eigenen jüngsten Erklärungen eher auf Dialog und eine Verhandlungslösung.

Viele Regierungen in der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft sind politisch und ökonomisch eng mit Frankreich liiert, namentlich die amtierenden im Senegal und in der Elfenbeinküste. Allerdings ist ihr militärisches Schwergewicht unterdessen das englischsprachige Nigeria, das bereits in der Vergangenheit im übrigen Westafrika intervenierte, v.a. zu Anfang des Jahrtausends in Liberia.

Dessen Präsident würde ganz gerne seine regionale Machtposition unterstreichen, doch muss er mit erheblichen innenpolitischen Widerständen dagegen rechnen.

Noch sind die Würfel für ein gewaltsames Eingreifen nicht gefallen. Es wäre der Bevölkerung in der ganzen Region zu wünschen, dass es dazu nicht kommt. Im Visier der Großmächte zu bleiben, verheißt selten wirklich Gutes.